Wahlergebnisse: 96,34 % – cirka 99,85 % - 100 %

Das Ergebnis von 96,34 Ja-Stimmern in DDR-Wahlen war außergewöhnlich niedrig. 1968 durfte das DDR-Wahlvolk darüber abstimmen, ob die Volkskammer eine neue Verfassung beschließen soll, die die Rechte der Bürger noch weiter beschneiden wird. Es herrschte Unmut in der Bevölkerung. Menschen sprachen sich öffentlich ablehnend aus. Angeblich fanden sogar konspirative Aktionen dagegen statt. Diesem und jenem war klar, dass für ihn der Schaden einer Zustimmung größer ist als der Schaden, den er sich mit einer Nichtteilnahme zufügt oder vielleicht mit dem Durchstreichen des Wahlzettels in der Wahlkabine (die es tatsächlich gab, aber deren Gebrauch registriert wurde, was entsprechende Auswertungen und Verdächtigungen nach sich zog). So kam es zu der ungewöhnlich niedrigen Zustimmung zur Verfassungsänderung von nur 96,34 %.

Wegen des spürbaren Unmuts der Bevölkerung vor dieser „Wahl“ wurde ein ungeheurer Propagandaaufwand betrieben, der den Menschen die Vorzüge der neuen Verfassung schmackhaft machen und sie vom Nein-Wählen abhalten sollte. (in welcher Form das „Nein“ formell vollzogen werden konnte, das weiß ich nicht, denn ich war noch nicht im Wahlalter). Die Lehrer in den Schulen, und zwar alle Lehrer, nicht nur die Staatsbürgerkundler, waren instruiert, ihre Schüler, die wiederum auf ihre Eltern einwirken sollten, von den Vorzügen der neuen Verfassung zu überzeugen. Das überall verbreitete Logo, ein Kreis mit gekreuzten Strichen, als ein Ja, war auf Plakaten allgegenwärtig.

Damals war ich Schülerin. So trat eines Tages unser Mathelehrer in die Klasse, malte einen Kreis mit gekreuzten Strichen darin auf die Tafel und fragte: „Was ist das“? Spontan rief ich in die Klasse: „Eine Glühlampe“. Denn es ist tatsächlich das allgemeine Symbol für die Glühlampe. Und ich schwöre, dass ich an nichts anderes gedacht hatte, weil ich mir nicht hatte vorstellen können, dass in der Mathematikstunde Propaganda stattfinden könnte, was zwar in vielen Fächern üblich war, aber nicht in den naturwissenschaftlichen. Da ich in der Schule als „renitent“ eingestuft war, konnte sich der Lehrer wieder nichts anderes vorstellen, als dass ich provozieren wollte. Ein typisches Beispiel von Konfusion. Es gab ein ungeheures Donnerwetter von dem sonst eigentlich netten Mathelehrer, auch er wurde wohl innerlich konfus über die renitente Schülerin, der er aber zumindest unbewusst Recht geben musste.

(eine Betrachtung in drei Teilen)

Im Luftreich des Traums

gegen Ideologien

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