Freitag, 16. Mai 2025

Gedenken: 80 Jahre seit Kriegsende (Teil 2)

In unserer Nachbarstadt fand eine große Veranstaltung zum 80. Jahrestag des Kriegsendes statt. Es war ein fulminantes Zusammentreffen von Bürgern der Stadt und Nachkommen von ehemaligen Insassen von verschiedenen Kriegslagern, die dort existiert hatten. Das bedeutendste Lager war ein Stalag-Lager, in dem Kriegsgefangene der alliierten Luftwaffe gefangen gehalten wurden. Ein Glück für die Stadt, die aus diesem Grund von Bombardierung verschont worden war.

Dazu gab es ein berüchtigtes Außenlager des KZ Ravensbrück, weiterhin ein separates Lager für sowjetische Kriegsgefangene und verschiedene Unterkünfte für Zwangsarbeiterinnen. Vor gut 20 Jahren hatte schon einmal so ein Treffen stattgefunden, nachdem in den 90-ger Jahren eine sehr engagierte Archivarin viele Schicksale und die Geschichte der Lager recherchiert hatte und mit so vielen ehemaligen Häftlingen wie möglich in Kontakt getreten war. Ein entsprechender Verein stand ihr zur Seite. Damals dachte man, dass das Treffen eine Art Abschluss des Geschehens wäre, denn die Zeitzeugen werden in Zukunft schwieriger reisen können und zu alt werden. Aber nein – das Interesse ist genauso groß, denn die Kinder der Zeitzeugen bekunden ebenso großes Interesse wie ihre Väter und Mütter. Sie waren aus allen Teilen der Erde gekommen, bis hin aus Australien. Die Umgangssprachen waren englisch und manchmal deutsch, es gab Simultanübersetzerinnen, und man sah viele Leute mit kleinen Empfängern und Kopfhörern.

Stalag-4

Es gab Kranzniederlegungen, Besichtigungstouren, Kulturprogramm. Am interessantesten war ein intensiver Erzähltag über die Schicksale in den Lagern. Die Nachkommen der Gefangenen wussten sehr gut über die Erlebnisse ihrer Eltern Bescheid und hielten Vorträge darüber. Die Eloquenz der Vortragenden war bewundernswert. Ein Sohn einer Frau, die den Todesmarsch aus dem KZ überlebt hatte, erzählte über die Zwangsarbeit seiner Mutter, den Todesmarsch und die Zustände im KZ. Ein farbiger Westafrikaner, dessen Vater unbedingt Flieger bei der französischen (?) Luftwaffe hatte sein wollen, es mit einigen Hindernissen auch geschafft hatte und später im Stalag Lager gelandet war, hielt einen Vortrag über das Leben seines Vaters. Das „Sahnestück“ der Erzählungen wie schon vor 20 Jahren war der Bericht eines Sohnes darüber, wie der einzige von vielen Tausend Gefangenen, ein Flieger mit dem Spitznamen „Dead shore“, es geschafft hatte, durch einen selbst gegrabenen Tunnel aus dem Lager zu fliehen und in Nächten bis zur Schwedenfähre marschierte (ca. 85 km) , mit der er als blinder Passagier nach Schweden gelangte (also mitten im Krieg verkehrten Fähren zwischen Deutschland und Schweden!)

Stalag-3

Sehr berührend ist es auch immer wieder, wenn über die Erschütterung erzählt wird, die die Stalag-Soldaten empfanden, als sie nach ihrer eigenen Befreiung Streifzüge durch die Gegend machten und auf das fast verlassene KZ-Lager stießen und viele Schwerkranke und Tote dort auffanden, bei deren Bergung sie halfen.

Die Stadt hatte sich für dieses Treffen sehr großzügig erwiesen. Schüler aus dem Gymnasium erledigten alle möglichen Dienstleistungen. Es herrschte eine schöne Atmosphäre beim sich gegenseitig wahrnehmen, kennenlernen und austauschen. Die ausländischen Besucher waren sichtlich berührt. Ich sehe in solchen Veranstaltungen nicht etwa ein „Bewältigen“ der Vergangenheit, sondern eine Möglichkeit, Vergangenheit lebendig zu erhalten und Leiden und Erlebnisse der damals Lebenden zu würdigen.

Samstag, 10. Mai 2025

Gedenken: 80 Jahre seit Kriegsende (Teil 1)

Wer in der DDR aufgewachsen ist, hat den 8. Mai als „Tag der Befreiung“ kennengelernt. Im Westdeutschland mag dieser Tag einen anderen Namen gehabt haben. Vielleicht Tag des Kriegsendes, Tag der Kapitulation? Inzwischen ist dieser 8. Mai 1945 so lange her, dass die Feiern zu den runden Jahrestagen immer pompöser werden, aber auch, dass die Erinnerung nach dem jeweiligen Geschmack zelebriert wird.

So haben wir in der Schule gelernt: die Siegermächte, das waren USA, die Sowjetunion, Frankreich und Großbritannien. Nun ist mit Erstaunen festzustellen, dass die Sowjetunion (die es ja auch nicht mehr gibt, aber das die größte Last getragen habende Land: Russland), das Land, das die meisten Kriegstoten in diesem von Deutschland angezettelten Krieg hatte, das Land, das unter der Bezeichnung „verbrannte Erde“ unglaublich verwüstet und niedergebrannt wurde, dass dieses Land nun nicht mehr zu den Siegermächten gezählt wird. Es hat auf der Gedenkfeier nichts zu suchen. Wegen des gerade stattfindenden Ukrainekriegs. Eine andere Tatsache ist, dass die Sowjetunion tatsächlich nicht nur als Befreier kam, sondern dass sie die „befreiten“ Länder über Jahrzehnte geknechtet und bevormundet hat.

Stalag

Aber darum geht es nicht. Es geht um die unzähligen sowjetischen Menschen, die in dem Krieg ihr Leben lassen mussten. Und die nach Definition der Deutschen Untermenschen waren. Die sowjetischen Kriegsgefangenen wurden wie Sklaven behandelt, ein großer Teil von ihnen starb an Hunger. In unserer Umgebung gab es Kriegsgefangenenlager sowohl der Allierten, als auch von russischen Soldaten. Letztere wurden zu schwersten und schmutzigsten Arbeiten herangezogen, Hunger war allgegenwärtig. Die Schicksale der alliierten Gefangenen konnte man später recht gut recherchieren, während die Spur aller russischer Gefangenen sich im Dunklen verliert. (was auch daran liegen mag, dass Stalin die zurückgekehrten Soldaten als „Vaterlandsverräter“ nach Sibirien deportieren ließ).

So schlimm der Ukrainekrieg ist, so schlimm in ihm gehandelt wird, aber dieses Gedenken gilt einem geschichtlichen Ereignis, dass vor 80 Jahren stattfand! Und da haben die Staaten der Sowjetunion einen ganz furchtbaren Blutzoll erbracht. Und diese vielen Toten haben Nachkommen, die sich genauso mit den Taten und dem Leid ihrer Vorfahren beschäftigen, wie es auch in anderen Ländern üblich ist. Sie bekommen von Deutschland die Botschaft übermittelt: ´Das war alles nichts`. Dass man Putin nicht einlädt, dafür habe ich Verständnis. Man hätte sich etwas einfallen lassen müssen, damit man den russischen Opfern gerecht wird. Und wären es Abordnungen von Nachkommen von im Krieg umgekommenen Russen.

Doch, dass Russland auf der Feier ausgesperrt wird, dass man damit der gesamten Bevölkerung Russlands ihr Nichtvorhandensein im Krieg bescheinigt. Das bedeutet ein Umschreiben dessen, was im Krieg geschah. Deutschland gesellt sich zu den Siegermächten, Russland wird ausgesperrt.

Freitag, 2. Mai 2025

Filme über den Holocaust

1978 lief im Fernsehen der inzwischen berühmte Film „Holocaust“. Vor Kurzem kam, ebenfalls im Fernsehen, eine Reportage über diesen Film. Über die Erinnerungen von einigen inzwischen gealterten Darstellern aus dem Film, dem Produzenten, über Umstände seiner Entstehung und der Aufführung, von der Wirkung auf die deutsche Bevölkerung. Garniert mit verschiedenen Szenen aus dem Film. Nun habe ich den Film „Holocaust“ damals nicht gesehen – in der DDR wurde er nicht gezeigt -, aber die ausführliche Berichterstattung im Radio verfolgte ich. Ich war schon damals gespalten in meiner Einstellung zu dem Film, ebenso wie ich es heute bin.

Erst die Serie „Holocaust“ hätte einem großen Teil der Deutschen die Augen über diese schrecklichen Geschehnisse geöffnet. Wenn man sich den Verlauf der Geschichte vor Augen hält, ist das verständlich. Durch die Zerstörung der deutschen Städte, die Flucht und Vertreibung eines Teils der Bevölkerung, durch die Teilung des Landes hatte man genug mit sich selbst zu tun, als sich mit der Vergangenheit zu beschäftigen. (Insofern kann man den Niedergang Deutschlands als Glücksfall ansehen, denn hinter dem Niedergang verschwand alles bzw. wurde in die Versenkung verschoben). Dass es 33 Jahre dauerte, bis man wahrnahm, was man verbrochen hatte, wie man versucht hatte, ein ganzes Volk auszurotten und dazu die Länder zerstörte, in denen dieses Volk seit Jahrhunderten gelebt hatte, ist dann eher ein Armutszeugnis. Dazu die Tatsache, dass dieser Film aus weiter Ferne, aus den USA, kam. Vielleicht ist es trotzdem gut, dass die Serie gelaufen ist, angeblich hat sie sich ja die Hälfte der Bevölkerung angesehen und war erschüttert. Und daraus mögen gedeihliche Initiativen entstanden sein, menschlich Beziehungen, die dazu beitrugen, dass man sich mit den Juden und auch mit dem Land Israel befasste. Dass man ein Gefühl dafür bekam für die Schrecklichkeit des Geschehens. Nachdem ich nach über 40 Jahren durch die Doku etwas über die Entstehungsgeschichte erfuhr, über die Ergriffenheit der Protagonisten, über die Sorgfalt, mit der die Serie produziert wurde, hatte ich etwas mehr Verständnis dafür als am Anfang.

aber trotzdem……. Ein Spielfilm ist ein Spielfilm, der für die Zuschauer mehr Unterhaltung ist als Wissensvermittlung. Da ist so viel Grün zu sehen, zurechtgestylte Kleidung, auch wenn es Häftlingskleidung ist, sentimentale Szenen, denen man die Anweisungen des Regisseurs ansieht, Menschen, denen man ansieht, dass sie in Häftlingskleider gesteckte Schauspieler sind. So grausam manche Szenen sind, der Film trägt doch dazu bei, den Holocaust zu verniedlichen. (Ähnlich wie in dem Film „The Zone of Interest“, den ich für einen desinformierenden Film halte, einen Film, bei dem man merkt, wie ein Regisseur, in seinen eigenen Ideen schwelgt). Allerdings stellt die „Holocaust“-Serie nicht den Anspruch, eine Übersicht über alles Geschehen zu geben, aber die Zuschauer empfinden es so. Jetzt wissen wir, wie es war!

Was es mit Filmen jener Art auf sich hat, kann man erkennen, wenn man sich ihre Wirkung ansieht. So richtig aufgerüttelt haben sie die deutsche Bevölkerung nicht. (Wenn ich dem Film „Holocaust“ auch viele positive Tendenzen zugestehe). Aufgerüttelt hat die deutsche Bevölkerung die Rede von Martin Walser bei der Friedenspreisverleihung 1998. In unzähligen Leserbriefen und Kommentaren konnte man lesen, wie die Saat aufgegangen war, die er mit seiner Rede gesät hat. Da gaben sich viele Leute zu erkennen, und das oft mit heißem Herzen. Das Fazit ihrer Erkenntnisse war: „Ich bin es leid!“ Vielleicht war es so, dass es vom Erschrecken über den Holocaust bis man des Erschreckens leid war, genau 20 Jahre gewährt hat.

Donnerstag, 24. April 2025

Vier ehemalige Diplomaten in der FAZ

Vier ehemalige Diplomaten haben in der FAZ einen Artikel unter der Überschrift „Deutschland darf nicht länger schweigen“ veröffentlicht, der zum Inhalt hat, dass die Bundesrepublik Deutschland viel zu zögerlich mit Israel umgeht, und dass dieses Verhalten so nicht weitergehen kann. Deutschland wäre ein Land das, gerade wegen seiner Geschichte, sowohl dem Staat Israel verpflichtet wäre, aber auch dem Humanismus. Und da Israel nun mal gegen den Humanismus verstoße, müsse man seinem Handeln im Gaza Krieg energisch entgegentreten. Dass nach dem 7. Oktober überall in der Gesellschaft sehr viel Antisemitismus zum Vorschein gekommen ist, wäre der Tatsache geschuldet, dass in der deutschen Politik und in den Medien nur sehr undeutlich Stellung genommen wurde zu den Geschehnissen in Israel (was immer das bedeuten soll).

In der „jüdischen Allgemeine“ schrieb Daniel Neumann eine Replik darauf, in der er auf die Anschuldigungen gegen Israel einging und viele Tatsachen benannte, die – wie es üblich ist -, im FAZ-Artikel verschwiegen wurden, weil sie zugunsten Israels sprechen bzw. den Leser verstehen lassen könnten, warum Israel so und so handelt.

Nicht, dass der Artikel in der FAZ besonders aufregend wäre. So ähnlich schrieb der Bischof im Gemeindeblatt, ja fast könnte man meinen, die Diplomaten hätten von ihm abgeschrieben: „Die Verhältnismäßigkeit“ zwischen den Toten auf der einen und auf der anderen Seite wird ausgespielt und als Beweis für „völkermörderisches Vorgehen“ Israels herangezogen, wobei sich bezeichnenderweise auf Zahlen bezogen wird, die ihre Quelle in der Hamaszählung haben. Das überzeugt natürlich einen unbedarften Leser. Das Weglassen jeglicher „für“ Israel sprechender Argumente ist Prinzip.

Auch das Argument, Israel dürfe sich nicht so und so verhalten, denn das potenziere den Hass, gehört zu den Routineargumenten. Da schwingt immer mit, wenn Israel sich anders verhielte, dann wäre der Hass nicht da. Es provoziere also den Hass. Dazu kann man nur die Frage stellen: ´Womit haben die Juden in der Nazizeit (und in anderen Zeitaltern) bei den Deutschen den Hass produziert, so dass sie so handeln mussten, wie sie handelten?“

Und dann noch etwas: Wo war uns ist die „bedingungslose Unterstützung“ Deutschlands gegenüber Israel? War „bedingungslose Unterstützung“ das Aussetzen von Waffenlieferungen an Israel? Waren es die Moralpredigten, die Frau Baerbock immer wieder an Israel hielt? Waren es die Resolutionen gegen Israel in der UNO bei jeder Gelegenheit, denen Deutschland zugestimmt hat?

Diplomaten sind gebildete Menschen, die einen weiten politischen Überblick haben. Sie müssen wissen, was sie schreiben und warum sie es schreiben. Was wollten sie mit ihrer einseitig verzerrten Darstellung bezwecken? Wollten sie erreichen, das Deutschland jegliche Beziehungen zu Israel abbricht oder eine Entführung Netanjahus veranlassen oder gar in Israel einmarschieren? Sie müssten wissen, dass dieses alles im Bereich der Utopie liegt. Vielleicht wollten sie den „Kreis des Hasses“ schüren, den Hass also bei Lesern hervorrufen, der angeblich die natürliche Einstellung zu Israel und den Juden sein soll, den diese selbst hervorrufen. So etwas nennt man Antisemitismus. Und der ist bekanntermaßen unabhängig vom Bildungsstand und der politischen Übersicht.

Samstag, 19. April 2025

Karfreitag

Karfreitag – Kreuzigung Jesu. Da fällt mir eine Begebenheit von vor ein paar Jahren ein. Ich nahm an einem Seminar mit der (inzwischen verstorbenen) jüdischen Religionswissenschaftlerin Ruth Lapide teil. Sie sprach über Frauen in der Bibel. Eine junge Pastorin – gerade mit dem Studium fertig – mischte sich ins Gespräch ein, und sie hatte keine Scheu, zu Frau Lapide zu sagen: „Aber die Juden haben Jesus gekreuzigt“. Ich war konsterniert: so etwas hatte ich auch schon gehört, aber von einer viel älteren Tante, nicht von einem studierten jungen Menschen. Aber Ruth Lapide, eine energische und schlagfertige Frau entgegnete: „Die Römer waren es, die Jesus gekreuzigt hatten, aber Juden wurden 2000 Jahre dafür verfolgt, vertrieben und umgebracht“. Die Pastorin schwieg. Die Antwort war zu überzeugend und war nicht für eine Rechtfertigung geeignet.

Donnerstag, 10. April 2025

Wiederbegegnung

Vor acht Jahren berichtete ich darüber, wie ein Bischof in einer Kirche einen Vortrag hielt unter dem Titel: „Wem gehört das Heilige Land?“ Der Inhalt war, dass Juden nicht unbedingt im Heiligen Land zu Hause sein sollten (Dass deutsche Christen aus dem „Jerusalemverein“, dem er vorstand, schon Jahrzehnte im Heiligen Land wirkten, hat er nicht beanstandet). Aus dem Vortrag war zu schließen, dass es nicht so sehr darum geht, ob Juden im Heiligen Land leben dürfen und wem das Land gehört, sondern dass der Bischof etwas gegen Juden hat. Sein Vortrag beinhaltete präzise und nach allen Seiten abgesicherte Angaben. Wichtiger für mich als Zuhörerin war, was der Bischof nicht sagte und welche Angaben er unterließ.

Nach einigen Jahren bin ich dem Bischof, inzwischen a.D., wieder begegnet, in Form eines Artikels in einem Gemeinde-Infoblatt. Das hatte ich bei einem Besuch auf dem Tisch vorgefunden, und da ein Beitrag des besagten Bischofs darin stand, las ich ihn mir mit Interesse durch. Sujet des Artikels war Dietrich Bonhoeffer, dessen Todestag sich in diesem Monat zum 80. Mal jährt. Dietrich Bonhoeffer wäre ein Theologe gewesen, der ganz auf Gewaltlosigkeit gebaut hat, so war geschrieben, aber angesichts der durch nichts zu stoppenden Gräultaten, die im „3. Reich“ begangen wurden, war er für die Tötung des Diktators Hitler.

Dann machte sich der Bischof darüber Gedanken, wie Bonhoeffer auf heutige Konflikte reagieren würde. Er schob sozusagen Bonhoeffer verschiedene Ansichten in die Schuhe. Er meint, dass Bonhoeffer den Ukrainekrieg selbstverständlich als Angriffskrieg bezeichnen würde, meinte aber dass der Preis des Krieges, die Zerstörung und Vernichtung zu groß wären. Hitler hätte man auch nur durch Inkaufnahme der Zerstörung Europas mit 70 Millionen Toten stoppen können. Da bleibt die Frage, ob die Zerstörung Europas und die 70 Millionen Toten etwa von den späteren Siegermächten ausgegangen sind. Mir erschienen diese Sätze als Kauderwelsch.

Nun ging es aber auf Israel los, und da wusste der Bischof bestens Bescheid. Er wusste, wie wenige Kleinkinder ins Israel getötet wurden, welche große Zahl von Kleinkindern dagegen in Gaza. Er hielt 21 getötete israelische Kinder (!) gegen 17 000 (!) in Gaza getötete Kinder. Er stellte Zahlen von Getöteten gegeneinander, die er durch ´amnesty international` belegte, welche aber mit den Zahlen der Hamas etwa identisch sind. Die Zahlen sollten beweisen, dass es keine Verhältnismäßigkeit gibt, und dass Israel ungleich mehr Menschen getötet hat als die Hamas. Er sprach von Völkermord gegenüber den Palästinensern und wusste genau, dass Bonhoeffer sehr dafür gewesen wäre, Netanjahu vor den internationalen Gerichtshof zu stellen.

Was fehlte, war ein Hinweis auf die Geiseln, auf das System von Tunneln, auf die immer wiederholten Drohungen, dass sich der 7. Oktober sehr oft wiederholen wird, dass Israel ausgelöscht werden soll, von der ständigen Bedrohung durch Raketen aus vielen Ländern.

Was der Bischof schreibt, ist nicht besonders aufregend. Man kann Ähnliches aus allen möglichen Medien erfahren. Interessant daran ist, dass sowohl die Vorgehensweise im Aufbau seines Artikels als auch seine unverhohlene Haltung Israel gegenüber sich seit dem Vortrag 2016 nicht geändert hat.

Genau genommen verleugnet er sein Christentum, da er Israel dämonisiert. Jenes Land also, in dem der christliche Glaube seinen Ursprung hat und von dem Christentum nicht zu trennen ist, wie es Paulus in Römer 11/18 schreibt: „Nicht du trägst die Wurzel, sondern die Wurzel trägt dich“.

Mittwoch, 2. April 2025

Diskrepanz oder Kooperation ?

Schon zu lange dauert der Krieg zwischen Israel und der Hamas im Gazastreifen. Anfangs fieberten wohlwollende Menschen bei allen Aktionen mit, bewunderten Einfallsreichtum und Kriegskunst der Israeli, wie sie die höchstrangigen Terroristen zur Strecke brachten. Aber inzwischen hat man die Übersicht verloren, immer wieder und aus allen Richtungen wird Israel mit Raketen beschossen, dann gibt es eine Waffenruhe, dann wieder nicht. Und was soll mit den vielen Menschen aus dem Gazastreifen geschehen? Immer wieder aber muss man sich vor Augenhalten, dass die Ursache des ganzen Verderbens im Angriff der Hamas und in der Gefangenschaft von vielen Geiseln in den Tunneln der Hamas liegt. Auch in den Tunneln selbst. Wie schafft es eine Bevölkerung, die angeblich arm, hilflos und auf Versorgung vom Ausland angewiesen ist, den Untergrund des Landes, das sie bewohnt, mit einem hunderte kilometerlangen Netz von Tunneln zu durchziehen? Warum wird im Ausland nicht danach gefragt, woher das Geld dafür kommt? Und das Geld fließt weiter, aus Deutschland und aus vielen anderen Ländern. In zwei Jahren zahlte Deutschland 913 Millionen Euro an Gaza.

Es scheint, dass es gewollt ist, dass Hamas Tunnel baut und dass Hamas hoch gerüstet ist. Wenn das vielleicht auch nicht ausgesprochen wird, so sprechen doch die Tatsachen, also die Tunnel und Waffen von gespendetem Geld für sich. Auch spricht für sich, auf welche Weise in den öffentlichen (von unserem Geld bezahlten) Medien über den Krieg berichtet wird. Nicht, dass über tote Zivilisten und Kriegsschäden in Gaza nicht berichtet werden sollte, aber es werden Ursachen ausgelassen, man beruft sich konsequent auf Zahlen, die die Hamas selbst in die Welt setzt, man verniedlicht die Gefahr, der Israel von allen Seiten ausgesetzt ist. Man bringt Berichte über tote Kinder aus Gaza, lässt aber die getöteten israelischen Kinder aus.

Man berichtet konsequent so, dass Israel in einem möglichst schlechtem Licht da steht. Und dazu ambivalent das große Jammern über Antisemitismus. Ja, in den Nachrichten wurde manchmal über den heroischen Kampf gegen Antisemitismus berichtet, und unmittelbar darauf folgte ein Bericht, wie schlimm es in Gaza zugeht. Diese Widersprüche in der öffentlichen Berichterstattung sind so frappierend, dass man sie eigentlich schon nicht mehr für Widersprüche halten kann, sie scheinen gezielt zu sein. Antisemitismus ist eigentlich schlimm, aber seht, er hat auch seine Ursachen! Jede verzerrte Berichterstattung gibt Lesern/Hörern den Anlass zu sagen: „Ja, es ist doch wirklich etwas dran!“ Und man gibt dem Antisemitismus allerhand Verkleidungen wie: Zionismus, Kritik an Israel, Siedler oder etwa Netanjahu.

Diese Dissonanz: Antisemitismus - öffentliches Bewusstsein, was man eben auch als Kooperation bezeichnen kann, ist nicht den vielen Menschen – und ich kenne eine Menge von ihnen – anzulasten, die wirklich und aus vollem Herzen sich für Verständigung und Kooperation mit Israel, mit den Juden einsetzen. Aber es gibt Menschen - in der Politik und in den Medien sind sie besonders häufig vertreten-, die sagen, dass sie gegen Antisemitismus kämpfen und sich so verhalten, dass dieser gefördert wird. (Ich denke daran, wie sich die deutsche Regierung im Gaza-Krieg verhält und an manche sehr seltsamen Antisemitismusbeauftragten).

Dienstag, 25. März 2025

Das hätte ich mir nie vorstellen können.

Diesen Ausspruch hört man oft. Manchmal sind es die belanglosesten Dinge, die man sich nicht vorstellen konnte. Morgens keinen Kaffee trinken, sich im Wald verirren, einen Autounfall haben.

Wenn man sich geschichtliche Ereignisse vor Augen hält, dann passierten in der gesamten Menschheitszeit Dinge, die sich die betreffenden Menschen niemals hätten vorstellen können. Oft von einer Minute auf die andere. Wenn man sich diese geschichtlichen Ereignisse näher betrachtet, stellt man hinterher fest: manches hätte man sich doch vorstellen können, doch die Phantasie dazu und auch das Wissen fehlten.

So lese ich gerade von Alfred Döblin „Schicksalsreise“. In dem Buch schilderte er, der bereits Flüchtling war und sich in Frankreich schon gut eingelebt hatte, wie er vom deutschen Einmarsch 1940 überrascht worden war und von Paris aus eine strapaziöse, abenteuerliche Flucht durch Frankreich zu einem Fluchtpunkt in Südfrankreich unternahm und dabei unzählige groteske und aufregende Situationen erlebte. Zu jedem Erlebnis hätte er sicher sagen können: „Das hätte ich mir niemals vorstellen können!“

Hätten unsere deutschen Flüchtlingslandleute sich vor ihrer Flucht (bzw. Vertreibung) je vorgestellt, dass sie den Rest ihres Lebens außerhalb ihrer Heimat werden leben müssen? Vieles lag außerhalb des Vorstellungsvermögen, aber es fehlte auch die Phantasie, was alles geschehen kann. Das Bewusstsein für geschichtliche Zusammenhänge könnte das Vorstellungsvermögen schärfen.

So war es in Israel am 7. Oktober 2023. Ich stelle mir die Leute vor, die unbefangen zu dem großen Musikfestival aufbrachen, und die Bewohner der südlichen Kibbuzim, die ihr tätiges und friedliches Leben führten. Und dann, mit einem Schlag, passierten Dinge, die sich niemand hatte vorstellen können (Nein, die Dinge passierten nicht, sie wurden grausam ausgeführt). Nach langen Recherchen und Untersuchungen kam man hier aber auch zu dem Schluss: Eigentlich hätte man hier manches voraussehen können. Das Vorstellungsvermögen, zu welch schrecklichen Dingen Menschen in der Lage sind, das Bewusstsein für List, Grausamkeit, Willen zur Brutalität der Nachbarn hinter der Grenze, vielleicht war es sogar vorhanden, aber eingeschlafen. (Dazu muss man sich noch vorstellen, dass gerade in diesen Kibbuzim Menschen lebten, die sich bewusst den Palästinensern zuwandten).

Und hätte man sich vorstellen können, dass die Welt, repräsentiert von der UNO, nach all dem schrecklichen Geschehen sich ziemlich unverhüllt auf die Seite der Barbaren stellt? Mir fehlt dazu die Phantasie, aber mein Vorstellungsvermögen wird durch diese Einsicht geschärft. Die Vorstellung, dass die UNO nicht ein hehres Gremium ist, sondern Partikularinteressen und Eigennutz auch diese Institution antreiben. Möge Israel zu dem Schluss kommen, dasss es nichts gibt, „was man sich nicht vorstellen kann“ und sein Handeln danach ausrichten.

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