Normal war es, dass man Kinder sehr früh, nach Ablauf des Mutterschutzes, in die Kinderkrippe gab, um schnell wieder arbeiten zu können. Die Gründe dazu waren verschieden, meistens waren es finanzielle Gründe. Eine gestylte Karriere hatten die wenigsten Frauen im Sinn. Studium war oft ein Grund, das Baby in die Krippe zu geben oder auch Alleinerziehung. Es gab Kinder, die sich als „nicht krippen fähig“ erwiesen, was oft eine familiäre Katastrophe war, die Omas waren ja fast immer selbst im berufstätigen Alter.
Aber egal – eigenständige Frauen, zu denen ich mich zählte, hielten sich viel darauf zugute, ihre Kinder n i c h t in die Krippe zu bringen. „Niemals würde ich mein Kind in die Krippe geben!.....“, ein oft ausgesprochener Satz. (Der Meinung wäre ich heute ebenfalls, auch wenn die „Krippe“ eine liebevolle Tagesmutter sein sollte - aber mir scheint es, dass die getaktete durchstrukturierte Lebensweise dem Kind in seiner Entwicklung viel nimmt).
Trotzdem – auch wenn ich die Krippe für meine Kinder gemieden habe (wie der Teufel das Weihwasser), verbrachte ich mein Arbeitsleben ohne jegliche Unterbrechung. Mir war es immer am wichtigsten, eine Lebensweise zu haben, bei der ich frei über meine Zeit verfügen kann. Meine sehr kleinen Kinder wuchsen in einer privaten bzw. später meiner selbständigen Arbeitsstelle auf, oder bei der geliebten Oma bzw. der „Uroma“ im Haus, auf dem Hof, spielend mit anderen Kindern. Und ehe ich mich´s versah, war die potentielle Krippenzeit vorüber, und meine beiden Kinder konnten nun endlich in die staatliche Obhut des Kindergartens kommen.
Es muss wohl in der DDR als Makel empfunden worden sein, wenn jemand eine Lebensweise ausübte, die nicht mit der angestrebten „gewollten“ übereinstimmte. So war eine Familie, die ihre Kleinkinder sehr unbekümmert ohne staatliche Hilfe aufzog, schon eine Art Außenseiterfamilie. Man gab sich große Mühe, dem entgegen zu wirken, und ich möchte mir gar nicht ausmalen, was h i n t e r unserem Rücken gewispert und überlegt wurde. Um einige Ecken herum drang dieses oder jenes an mein Ohr, was mich nicht beeindruckte.
Eines Tages trat beim Anstehen am Bäcker eine Kindergärtnerin an mich heran: „Sie haben doch eine Tochter, die drei Jahre ist. Ich will sie nur darauf hinweisen, dass das Kind jederzeit zu uns in den Kindergarten kommen kann. Sie bekommen auf jeden Fall einen Kindergartenplatz!“. Ich war ehrlich von dieser Fürsorge gerührt und sagte, dass ich mir das auch schon überlegt hätte, und dass ich meine Tochter, wenn es so weit ist, anmelden werde.
Ich ließ mir trotzdem noch fast ein Jahr Zeit für diesen Schritt, aber eines Tages im Sommer – das Kind war 4 Jahre alt – kam der große Tag: der erste Gang in den Kindergarten.
Dieser Tag ist mir in heftiger Erinnerung geblieben. Das Kind war angemeldet. Auf die Idee, mit einer Kindergärtnerin über die Prozedur des „Ankommens“ und des Eingewöhnens zu sprechen, war ich in meiner Naivität nicht gekommen. Ich war davon ausgegangen, dass ich in den ersten Tagen eine Weile des Vormittags im Kindergarten dabei sein werde, um das Kind mit den anderen Kindern bekannt zu machen (so praktizierte es dieses Kind ca. 25 Jahre später mit den eigenen Kindern), und um ihm so das Eingewöhnen zu erleichtern. Die Idee, dieses im Kindergarten zu besprechen und Abmachungen zu treffen, lag meinem Denken leider fern, und ich hatte keine andere Frau an meiner Seite, die mir ihre Erfahrungen mitteilen konnten.
(Fortsetzung folgt)
anne.c - 1. Jan, 12:37
In den Weihnachtstagen, trafen ein paar verwandte Frauen aus verschiedenen Generationen, ´Halbgenerationen` und sogar aus verschiedenen Ländern Europas zusammen. Das Kindlein in der Krippe animierte sie zum Thema: `Wie war es damals, als unsere Kinder in der Krippe oder auch nicht in der Krippe waren, was erlebten sie später im Kindergarten? Die jüngeren Frauen hörten voller Ehrfurcht zu, mit welchen Problemen Frauen, die ihre Kinder in der DDR groß gezogen hatten, konfrontiert gewesen sind.
Das Thema wäre zu weit reichend, um alle Aspekte der beschriebenen Unterhaltung zu erläutern, so dass ich mich auf meine eigenen Erlebnisse beschränken werde.
„Das hat uns allen nicht geschadet“, das war nach der Wende so ein viel ausgesprochener Satz, und fast immer war es auch so. Spuren hinterlassen haben die Erziehungsmethoden des Kommunismus in den Menschen durchaus. Was man sich eigentlich nicht vorstellen, aber sich heute auch schon wieder ein wenig vorstellen kann, ist, dass der Staat es sich vorbehielt, den Menschen „von der Wiege bis zur Bahre“ bevormunden, erziehen, indoktrinieren und beherrschen zu wollen. Warum? Ja, das ist die Frage, die ich mir immer wieder stelle, und die ich inzwischen besser begreife, wenn ich auf Methoden stoße, wie Menschen auf verschiedenste Weise „geformt“ werden sollen.
So war es Ziel der DDR, die Erziehung der Menschen als auch die gesamte Lebensweise so zu gestalten, dass die Menschen zu einer einförmigen Masse werden sollten. Auch das würde zu weit führen, es in die Details zu belegen.
- Ein E i n s c h u b: Immer wieder hörten wir von Verwandten, die hier zu Besuch waren, von den vielen Leuten, die auf die eine oder anderer Weise der DDR die „Treue“ hielten, dass ihnen das Land anfangs sehr grau und trist erschien, dass sie aber selten so eindrückliche und lebendige Begegnungen und Erlebnisse hatten, wie gerade hier. Das lag daran, dass die Menschen sich gerade gegen die Vereinnahmung und die Vereinheitlichung zur Wehr setzten, und eine spezielle – vom Staat nicht gewollte – Gegenkultur schufen, die manchen Menschen aus dem „kapitalistischen Ausland“ als verlockend und lebendig erschien. Selbstverständlich war die „Gegenkultur“ kein erklärtes Staatsziel, im Gegenteil, sie war Anlass ständiger Verunsicherung der Behörden und Aufklärungsziel eines ausgeklügelten Spitzelwesens.
Um nicht zu sehr abzuschweifen, konzentriere ich mich jetzt auf das „Kind in der Krippe“ und im Kindergarten. Möglichst sollten die Kinder sehr früh der staatlichen Beaufsichtigung und Beeinflussung ausgesetzt werden. Eine Weile gab es sogar das System der Wochenkrippen, d.h. Frauen gaben ihre Kinder am Montag früh ab, wurden „krippenklinisch“ betreut und am Freitag nachmittag (bzw. am Sonnabendmittag)abgeholt, um dann am Wochenende ein „liebevolles, sozialistisches Familienleben“ zu führen. Das sollte einerseits die Schichtarbeit von Frauen erleichtern, andererseits zur Frühstindoktrination der Kinder helfen. Mangels Kapazitäten und Unwillen der Frauen gab man diese Einrichtung bald wieder auf.
(Fortsetzug folgt)
anne.c - 29. Dez, 15:52

Quelle: Sabine Bruckner
Anne Frank – das Mädchen aus dem Hinterhaus -, so kann man es manchmal hören, und diese Bezeichnung ist nicht abwertend, sondern eine Zusammenfassung davon, was man über sie weiß in eine Metapher zusammenfasst. Sollte man eine der heutzutage üblichen statistischen Erhebungen machen, wieviel Prozent der Bevölkerung etwas mit dem Namen anfangen kann, dann - schätze ich -, wären es gar nicht so wenige Menschen, die zumindest etwas darüber wissen.
In den 60-ger Jahren – wie wahrscheinlich immer noch -, war es üblich, anhand des Tagebuchs der Anne Frank Jugendliche mit dem Thema Judenvernichtung und Antisemitismus bekannt zu machen. Auch ich las in der Zeit das Tagebuch, das ich allerdings - damals etwa im gleichen Alter wie die Verfasserin zu ihrer Zeit -, eher als das Tagebuch einer Gleichaltrigen las. So richtete ich mein Augenmerk eher auf die Dinge, die Gleichaltrige interessieren. Wenn ich in meinem jungen Alter eine Aufklärung über Krieg und Holocaust erhalten habe, dann war es für mich das Buch
„Im Schatten der Gewalt“ von Anne de Vries.
Anne Franks Lebenslauf ist bekannt. Zwei Jahre lang verbrachte sie mit ihrer Familie und vier anderen Juden versteckt und von nichtjüdischen Holländern versorgt in einem verdeckten Hinterhaus in Amsterdam bis alle verraten, entdeckt und deportiert wurden. Von den acht Personen überlebten - obwohl die Zeit der Massendeportationen sich schon dem Ende zuneigte – nur der Vater von Anne Frank und: ihr Tagebuch. Das wurde ähnlich wie im vorherigen Blogbeitrag von einer Nichtjüdin, fast zufällig gefunden, aufbewahrt und konnte dadurch vielen Menschen zugänglich gemacht werden. Wahrscheinlich ist es das am weitest verbreitete Buch über das Schicksal der Juden im Holocaust. Aus meiner Sicht ist es gut geeignet, Menschen an das Thema heranzuführen. Denn die wirklich schlimmen Dinge werden nur angedeutet, weil für Anne Frank und die Familie in den Tagen des Tagebuchschreibens das Schlimmste noch nicht geschehen war. Bücher von
Primo Levi, Richard Glazar oder
Ana Novac könnten einen unvorbereiteten Menschen so schockieren, dass er sich des Themas ein für alle Mal entledigt.
Doch es gibt nicht nur die „Anne Frank aus dem Hinterhaus“. Anne Frank ist nicht tot. Aus der ganzen Welt strömen Menschen nach Amsterdam, um sich das „Anne-Frank-Haus“ anzusehen und sich mit ihrem Leben bekanntzumachen. Wie ich erfuhr ist das Interesse an Anne Frank so gewaltig, dass man sich zwei Monate im Voraus (vor Corona!) überhaupt anmelden muss, um hinein kommen zu können.
Sabine Bruckner, die sehr viel von der Welt kennengelernt hat, meinte, wohl noch nie so eine lange Schlange gesehen zu haben. Die Menschen warten stundenlang darauf, das Anne-Frank-Haus zu besuchen, um über Anne Frank mehr zu erfahren.
In diesen Tagen wird in der christlichen Religionsgemeinschaft das Weihnachtsfest gefeiert. Der christlichen Religion gemäß erfolgt nach Reue, Vergebung der Sünden und Tod die Auferstehung der Toten. In diesem Sinne kann man durchaus die Behauptung aufstellen: Anne Frank lebt! Sie ist auferstanden, sie lebt und gibt Zeugnis!

Quelle Sabine Bruckner
(Ende)
anne.c - 25. Dez, 17:23
Im
jüdischen Kalender las ich - nebenbei - eine Notiz über die „Anne Frank von Polen“,
Rutka Laskier, die 14-jährig in Auschwitz ermordet wurde. Bevor man sie mit ihrer Familie ins Todeslager deportierte, hatte sie einige Monate in einem Ghetto gelebt, dort Tagebuch geschrieben (nur 12 Wochen lang!) und dieses ihrer nichtjüdischen polnischen Freundin Stanislawa Sapinska anvertraut. Erst im Jahre 2006 kam dieses Tagebuch ans Tageslicht und konnte an die Öffentlichkeit gelangen.
Im „
Rutkas Tagebuch“ kann man erfahren, unter welch barbarischen Bedingungen Juden in der Nazizeit vegetieren und leiden mussten, bevor sie unter grausamsten Umständen in den Tod getrieben wurden. Ebenso wie im Buch von Anne Frank erlebt man, wie ein „normaler Teenager“ unter diesen entsetzlichen Umständen zu einem Menschen von großer menschlicher Reife und Weisheit gelangt, ja gelangen muss: um Zeugnis abzulegen, um die Menschheit zu warnen, um die Menschen aufzuklären, damit sie erkennen, was tief in ihnen schlummert, im Bösen und auch im Guten.
Von einem ähnlichen Schicksal wie dem Anne Franks und Rutka Laskiers weiß ich auch noch, es ist aufgeschrieben im „Das gerettete Buch des Simcha Gutermann“. Und sicher gibt es weitere Zeugnisse. Jedes davon blieb nur durch Verkettungen von unwahrscheinlichen Zufällen erhalten. Das sind aber nur die Zeugnisse, von denen wir erfahren konnten. Der größere Teil von Zeugnissen ist wohl unwiederbringlich verloren.
Rutka Laskier wird als die „polnische Anne Frank“ bezeichnet. Wie viele „Anne Franks“ muss es gegeben haben und in wie vielen Ländern! Wenn es auch nur ein Bruchteil des Ganzen ist, was wir durch sie erfahren konnten, so wird ihr Name und ihre Botschaft - im Gegensatz zu allerhand an „hochtrabenden“ Namen und Botschaften - Bestand haben, wenn wir es wollen!
(Fortsetzung folgt)
anne.c - 23. Dez, 09:53
Wie immer in der Adventszeit leuchtet auch in diesem Jahr im Rosettenfenster unserer Kirche in Zingst der Adventsstern. Manchmal sage ich: „Kuckt da denn jemand hin?“ Durch die Allee, von der aus man ihn am besten sieht, geht doch sowieso kaum jemand. Und wollen die Leute den Stern überhaupt sehen? Für viele bedeuten doch diese Tage „Weihnachtszeit“ mit Glühwein und Einkaufen.
So dachte ich auch in diesem Jahr, und kaum kam es mir in den Sinn, da bekam ich Post von einer Frau aus Bayern, mit der ich in einem losen E-Mail-Kontakt stehe. Sie war hier vor einigen Jahren zur Kur und schrieb, dass sie jetzt, im Advent, so oft an den schönen Herrnhuter Stern in der Zingster Kirche denkt, ob wir ihr ein Foto davon schicken könnten.
Das Foto bekam sie umwendend. Für mich war es ein Zeichen, dass die scheinbar nebensächlichen Dinge doch ihre Wirkung entfalten und in diesem Fall sogar weit bis nach Bayern reichen können. Auch war es eine Bestätigung für den Sinn der Adventszeit. Und dass es Menschen gibt, denen Advent wichtig ist, die seinen Sinn erkennen.
Ist diese Episode nicht ein Symbol dafür, was Advent und Weihnachten bedeuten? Das Licht, das fast unbemerkt in der Dunkelheit leuchtet, wahrgenommen wird und seinen Schein über die Welt verbreitet.

anne.c - 19. Dez, 13:21
Schon im
Jahr 2012 und lange zuvor war ich zu der Erkenntnis gekommen, dass man sich nicht dafür schämen muss, ein Deutscher zu sein. Im ähnlichen Sinne kann ich eine Episode aus dem Jahr 1988 interpretieren.
In der DDR-Zeit hörten wir fast den ganzen Tag lang den Sender Deutschlandfunk. Er hat uns wirklich viel gegeben. Das ging für mich so weit, dass ich die 2 Stunden Aufenthalt in Köln, die ich damals anlässlich eines Verwandtenbesuchs verbrachte, nicht dazu nutzte, um den Kölner Dom anzuschauen, sondern zum Raderberggürtel fuhr, um mir ehrfurchtsvoll das Gebäude des DLF von außen und von innen zu beschauen.
Wenn ich jetzt, selten, eine Sequenz aus dem DLF höre – über den ich zwischenzeitlich die Redewendung benutzte ´Der Deutschlandfunk macht seinem Namen alle Ehre!` (stimmt bis heute), dann kommt mir in den Sinn, dass ich eine Zeit lang gesagt habe: ´eine Deutsche zu sein schäme ich mich nicht, aber dass ich damals in den zwei Stunden den DLF besuchte, dafür schäme ich mich´. Inzwischen schäme ich mich nicht mehr, das war damals noch ein ganz anderer DLF, gute Leute gab es bei ihm immer.
(Manchmal mache ich die Bemerkung: Früher berichtete DLF (u.a.) in Nachrichten in 5 Minuten, was auf der Welt passierte. Danach bekamen sie es schon fertig, in 5 Minuten die Geschehnisse auf der Welt zu interpretieren. Jetzt wollen sie in 5 Minuten die Welt gestalten – in ihrem Sinne)
Den Kölner Dom hätte ich mir sicher in den zwei Stunden auch sonst nicht angeschaut.
Möglicherweise wäre ich spazieren gegangen und hätte mir die Leute betrachtet. Wenn es damals allerdings schon
die „Kölner Klagemauer“ gegeben hätte, dann hätte ich sehr genau hingesehen und vielleicht auch etwas unternommen. Das hat zum Glück Gert Buurmann erledigt.
anne.c - 17. Dez, 09:29
Mein Leben lang habe ich von Juden gelernt. Nebensächliches, Wesentliches; oft beiläufig, ein wenig in Gesprächen; bei Vorträgen, Diskussionen, in Büchern; beim Lesen des Alten Testaments, wenn man es genau nimmt auch des Neuen Testaments.
Die kleine Begebenheit, die ich schildern möchte, erlebte ich auf meiner ersten Israelreise 1993. Im Norden, in einem Kibbuz bei Kirjat Shmona, war unsere Reisegruppe gelandet. Ich hatte vor, meinen Freund Yakov, den ich schon in der DDR-Zeit kennen gelernt hatte, ca. 100 km weiter südlich in seinem Kibbuz zu besuchen. Mit einem Kibbuzbus, der Leute in die Stadt beförderte, war ich in Kirjat Shmona angekommen und wollte nun mit einem Überlandbus nach Süden fahren. Leider hatten meine schon welterfahrenen Pfarrfrauenbegleiterinnen mich vorher mehrmals davon abgehalten, D-Mark in Schekel umzutauschen, weil immer, wenn ich es versuchen wollte, der Umtauschkurs ungünstig gewesen wäre. In Jerusalem war es mit D-Mark kein Problem gewesen, deshalb wollte ich im Bus jetzt mit D-Mark bezahlen. Hier aber wusste der Fahrer damit nichts anzufangen. Mit mir war in den Bus eine Gruppe junger Soldaten eingestiegen, die ich nicht beachtet hatte. Auf einmal hörte ich ein Klimpern, und der Bus fuhr samt mir ab. Pünktlich traf ich an der Kibbuzhaltestelle ein. Ich sehe noch den kleinen, nicht jungen Yakov vor mir, wie er da stand um mich abzuholen und dazu extra aus seinem baumbeschattenen Kibbuz in die pralle Sonne zur Landstraße gegangen war.
Später erzählte ich ihm von meiner Verlegenheit im Bus, und er sagte streng: „Etwas Geld muss man immer bei sich haben, für das Allernotwendigste“. Viel später erst wurde mir bewusst, dass das Klimpern im Bus daher rührte, weil die Gruppe der Soldaten blitzschnell eine kleine Sammlung für mich veranstaltet hatte; um einer in Ungelegenheit geratenen Passagierin zu helfen. Nachdem ich das erkannt und Yakov mir auch schon seinen Ratschlag geben hatte, dachte ich: ´Um Himmelswillen, dann hätte ich ja dieses schöne Erlebnis in Kirjat Shmona nicht gehabt!´ Aber ein bisschen Kleingeld habe ich doch jetzt immer bei mir.
anne.c - 14. Dez, 15:32
Von dieser Frau, die uns mit ihrer sehr einfachen robusten Lebensweisheit viel für unsere junge Ehe mitgegeben hat, und in deren Stube unsere Kinder sozusagen aufgewachsen sind, möchte ich noch eine Geschichte erzählen.
Areligiös war sie, wie hier in dieser spätchristianisierten Gegend fast jeder - Kirchenmitglied selbstverständlich. Die Nachmittage verbrachte sie oft mit ihrer „Feindfreundin“, wobei sie plattdeutsch miteinander sprachen und Ereignisse aus dem Ort austauschten. Später sprachen sie nicht mehr miteinander, und einmal nannte sie sie sogar ´die Kanallje!`
Nur noch einmal habe ich sie außer im vorher geschilderten Blogbeitrag weinend angetroffen: Nachdem "die Kanallje“ gestorben war, saß unsere Hausbewohnerin weinend auf ihrem Sessel. Sie hatte erfahren: die Söhne der „Kanallje“ hatten sie nicht im Sarg begraben, sondern einäschern lassen, und sie wusste, dass diejenige das auf keinen Fall so gewollt hatte. Dass es ihr später ebenso ergangen ist, konnte sie zum Glück damals noch nicht wissen.
anne.c - 11. Dez, 15:27