Sonntag, 16. Oktober 2016

Ja, Gott hat alle Kinder lieb

Als ich vor gut 30 Jahren mein Kind zu einem Kindergottesdienst begleitete, wurde zu meinem Entsetzen folgendes Lied mit den Kindern eingeübt:

1. Ich bin ein kleiner Eskimo, aus Schnee bau ich mein Haus.
Und kommt kling-klang ein Schlitten an, streck ich die Nase RAUS!
2. Ich habe einen langen Zopf, trag einen spitzen Hut.
Und meine Haut, die ist ganz gelb, das steht mir aber GUT!
3. Bei uns im weiten Afrika, da scheint die Sonne heiß.
Ich bin ganz schwarz, hab krauses Haar, die Zähne blitzeweiß!
4. In meinem bunten Federschmuck, schleich ich mich durch den Wald ganz leis auf meinen
Mokassins – wenn´s knistert, schrei ich „Halt“!
5. Europa heißt der Teil der Welt, wo ich zu Hause bin.
Und mein Gesicht, das ist ganz weiß, die Nase mittendrin!
6.Ja, Gott hat alle Kinder lieb, jedes Kind in jedem Land.
Er kennt alle unsre Namen, Hält uns alle, alle in der Hand.

Ich enthielt mich eines Kommentars, nahm aber den Liederzettel mit nach Hause und sortier-te ihn in einen Hefter unter dem Titel: Rassismus in der Kirche.

Die Jahre gingen darüber hinweg, und ich dachte: ´ Es ist manches an der Kirche zu kritisieren, aber solche blöden Lieder werden heutzutage nicht mehr gesungen, dafür wird die Globalisierung gesorgt haben. Ost- und Westdeutschland sind vereint, in der ehemaligen DDR hat man vom Westen gelernt und singt solch hinterwäldlerische Lieder nicht mehr. Der „linke Geist“, der 68-ger, der ja in der Kirche Einzug gehalten hat - mag man ihn mögen oder auch nicht -, wird verhindern, dass Kindern ein Bild von gelben Chinesen mit spitzem Hut und Zopf oder durchs Gras robbenden Indianern oder Eskimos, die im Iglu wohnen, oder Schwarze mit krausem Haar und blitzeweißen Zähnen´ eingetrichtert wird.

Aber nein, man musste nicht vom Westen lernen, der Westen hat selbst diese hinterwäldlerischen Lieder. Haargenau dieses Lied, über das ich mich vor 30 Jahren aufregte, hörte ich vor einigen Tagen von herzigen kleinen Kindern gesungen in einem Erntedankgottesdienst. Die Kinder hatten sogar liebevolle Schilder angefertigt, die sie an entsprechender Stelle hoch hiel-ten : einen kleinen gelben, bezopften und spitz behuteten Chinesen, einen schleichenden Indianer in Filmmontur, einen aus dem Iglu schauenden Eskimo. Nur den Zigeuner, der laut Internet politisch unkorrekt im Lied auch erwähnt wird, hat man weggelassen, weil Sinti und Roma, die Gott offensichtlich auch lieb hat, sich rhythmisch schlecht in die Zeilen einpassen. Zu diesem Lied hätte es gut gepasst, wenn am Ausgang der „nickende Missionsneger“ (Geldbüchse mit einem Schwarzen, der bei einer Spende mit dem Kopf nickt) um eine Spende geworben hätte.

Samstag, 8. Oktober 2016

Seid misstrauisch gegenüber Liebe und Hass! Teil IV (Schluss)

Am 6.10. erhielt ich freundlicherweise vom DLF eine Antwort mit folgendem Inhalt:

danke für Ihre Mail. Der Deutschlandfunk hat in den „Informationen am Morgen“ am 29.9.2016 ein Interview mit Lamya Kaddor geführt, in dem es um ihre Beurlaubung vom Schuldienst ging und um die Drohungen, die sie erhalten hat

Die auf Blogs vertretene Vermutung, es gebe einen Zusammenhang zwischen diesem Interview und einer familiären Verbindung von Frau Kaddor zu einem Kollegen im Hause, ist absolut unzutreffend. Der Deutschlandfunk war nicht das erste Medium, das das Thema aufgegriffen hat. Die Tageszeitung „Die Welt“ etwa berichtete schon am Abend vorher. Die Redaktion der „Informationen am Morgen“ hat daraufhin entschieden, dass dies in die Sendung gehört. Frau Kaddor ist eine exponierte Vertreterin eines Teils des Islams in Deutschland und eine Person des öffentlichen Lebens. Das Interview stand also in völligem Einklang mit unserem Programmauftrag, das Thema zu übergehen wäre kaum begründbar gewesen. Die Entscheidung, das Thema zu kommentieren, fiel auf einer allgemeinen Redaktionssitzung und auf Vorschlag unserer Chefredakteurin Birgit Wentzien und ist genauso gut begründet wie das Interview.

Bitte beachten Sie auch, dass die Vorgänge um Frau Kaddor nahezu alle Medien in Deutschland beschäftigt haben. Viele von ihnen haben Frau Kaddor interviewt, so wie wir es getan haben. Sogar die internationale Presse hat berichtet. Auch dies spricht klar gegen Verschwörungstheorien, die den Deutschlandfunk zum Kern haben.

Mit freundlichen Grüßen K S


Ich schloss die Korrespondenz ab:

Sehr geehrter Herr S.,

haben Sie Dank, dass Sie mir auf meine kritische E-Mail schnell und offen geantwortet haben. Es ist wahr, dass mehrere Medien sich an den Tagen um den 29.9. den Morddrohungen an Frau Kaddor und ihrer Beurlaubung aus dem Schuldienst gewidmet haben. Auch in der Sendung "Anne Will" konnte man sie sehen und hören. So bleibt in mir weniger der Eindruck einer Verschwörungstheorie, dafür umso mehr einer Gleichschaltung der öffentlichen Medien, denn bis auf eine Ausnahme, galt die große Anteilnahme der Frau Kaddor. Eine kriti-sche Auseinandersetzung mit ihr und ihrem Werk fand nicht statt.

Dass diese Frau journalistische Kollegen denunziert (Tichy, Broder - ich habe deren Artikel gelesen und es scheint mir, dass nach der Auffassung von Frau K. demnach jede kritische Auseinandersetzung als Hetze zu bezeichnen wäre), könnte einem investigativen Journalisten schon zu denken geben. Falls Sie Zeit und Lust dazu finden, können Sie meine Überlegungen dazu in meinem Internetblog vom 1., 2. und 5. Oktober lesen.

Mit freundlichen Grüßen

Und damit soll Schluss sein mit dem Austausch von Gedanken, denn ich fürchte, der DLF wird mir bald wieder zu einem Schreiben Anlass geben.

Mittwoch, 5. Oktober 2016

Seid misstrauisch gegenüber Liebe und Hass! Teil III

Als ich die beiden Teile „Seid misstrauisch gegenüber Liebe und Hass“ schrieb, ahnte ich nicht, dass ich noch einen dritten Teil anhängen werde. Ich beschwerte mich in Teil I und II darüber, dass der DLF auf das Buch der Islamlehrerin Lamya Kaddor durch Interviews, die keinen Anlass haben, aufmerksam macht. Aber erst jetzt habe ich erfahren, dass der Ehemann von Lamya Kaddor Redakteur beim Deutschlandfunk ist. Ich wusste es doch: „Seid misstrauisch!“ Dass der DLF sich als Verkaufsmaschine für seine eigenen Redakteure hergibt, ohne der Hörerschaft davon Kenntnis zu geben, zeigt, dass der DLF sehr tief gesunken ist.


Zum Abschluss ein Brief an den DLF:
n den Informationen am Morgen am 29.9. hörte ich ein Interview von Tobias Armbrüster mit Lamya Kaddor, weil diese Ihre Lehrertätigkeit wegen "Hassmails" eingestellt hat. Zufällig ist in der gleichen Zeit ein neues Buch von Lamya Kaddor auf den Markt gekommen, zufällig erfuhr ich, dass der Mann von LK, Thorsten Gerald Schneiders, Redakteur beim Deutschlandfunk ist. http://www.tichyseinblick.de/meinungen/familienbetrieb-kaddor-public-private-partnership-oeffentlich-rechtlicher-rundfunk/ Als eine Hörerin, die gezwungen ist, Ihren Sender mit meinen Rundfunkgebühren mit zu finanzieren, möchte ich gegen diese Verquickung von Information, Kommerz und privaten Interessen energisch protestieren, und ich fordere, dass der Deutschlandfunk in Zukunft auf derartige unseriöse Machenschaften verzichtet.

Sonntag, 2. Oktober 2016

Seid misstrauisch gegenüber Liebe und Hass! Teil II

Aber um Frau Kaddor geht es nicht, sondern um die völlige Ignoranz und die ehrfürchtige Untertänigkeit des Interviewers. Immerhin ist der DLF ein seriöser staatsnaher Sender. Bisher war ich der Meinung, dass ein journalistischer Fragesteller sich auf sein Interview vorbereitet, kritische Nachfragen stellt, aus dem Interviewten etwas Unerwartetes zum Vorschein bringt. Warum fragte der Redakteur nicht, was Frau Kaddor damit gemeint hat, dass sie bei facebook Herrn Broder folgendermaßen charakterisiert hat:
„Und das von einem Mann, dessen Ideen vom Massenmörder Breivik reflektiert wurden.“

Weiterhin hätte er fragen können, wie sie sich die von ihr geforderte „Bringschuld“ der Deutschen den Einwanderern gegenüber vorstellt, nachdem die deutsche Bevölkerung gut eine Million von ihnen, vorwiegend Muslime, aufgenommen, verpflegt, unterrichtet und mit Geld ausgestattet hat. Frau Kaddor sagt im Interview, dass sie nach 15 Jahren kritischer Arbeit über die Muslim-Comunity, nun endlich auch die „andere Seite“ - wer immer das sein möge -, kritisieren dürfen solle. Der Redakteur hätte sofort fragen müssen, worin ihre Kritik an der „Muslim-Comunity“ bestand. Er hätte sie über den von ihr gegründeten Bund liberaler Muslime befragen können. Auch hätte er wissen sollen, dass der Verein, dem Frau Kaddor vorsteht, einst einen Nachruf auf Fatima Grimm veröffentlichte, eine Konvertitin, die Jugendliche zum Dschihad aufforderte.

Vor allem aber hätte er die Frage stellen sollen: Warum macht eine Autorin mit der Klage über Morddrohungen genau in dem Augenblick auf sich aufmerksam, wenn ihr eigenes Buch erscheint?

Warum macht sich der Deutschlandfunk zum Promoter für eine Schriftstellerin und stellt sich offensichtlich auf deren Seite? Hat er noch nie den Spruch von Hans-Joachim Friedrichs gehört: ´Einen guten Journalisten erkennt man daran dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten Sache`?

Mag Frau Kaddor sein wie sie will, wenigstens diesen Ausspruch von H-J. Friedrichs hätte der Redakteur Armbrüster beherzigen sollen.

Samstag, 1. Oktober 2016

Seid misstrauisch gegenüber Liebe und Hass! Teil I

Die eine wie der andere sind starke Gefühle, es ist nicht ihnen abzusprechen, dass sie existieren. Beide sollten denjenigen, die von ihnen beherrscht werden, vorbehalten sein. Sie gehören ins Private, und auf der literarischen Szene können sie gern als Sujet für Prosa und Lyrik dienen. Schon früher wunderte ich mich darüber, mit welcher Leichtfertigkeit in kirchlichen Kreisen die Liebe als das „Höchste“ auserkoren worden ist, und wenn man näher hinschaute, diente die Liebe einfach als Begriff, um andere ihrem Fehlen dessen zu delegitimieren. Als ich bei einer kirchlichen Diskussion die Meinung aussprach, dass Liebe sprachlich mit Beliebigkeit zusammen hängt, und dass in der Praxis das Reden über die Liebe ebenso beliebig angewendet zu werden pflegt, erntete ich - ganz ohne Liebe - nur Unverständnis.

Von der Liebe soll nicht die Rede sein, sondern ausschließlich vom Hass. Der hat an Konjunktur gewonnen, allgegenwärtig scheint er zu sein, und die Anwendung des Begriffs dient als Beweis für „alles und nichts“. So horchte ich auf, als morgens im DLF ein Gespräch mit der „Lehrerin und Buchautorin Lamya Kaddor“ angekündigt wurde (Info am Morgen am 29.09.), die sich wegen „Hass-Mails“ vom Schuldienst hat beurlauben lassen. Zufällig hatte ich mich am Abend zuvor mit Lamya Kaddor beschäftigt, und hatte sogar eine Reihe jener E-Mails gelesen, die sie wohl als „Hass-Mails“ bezeichnete.
Sie lauteten u. a. so: (+)
- Religionsschüler der Frau Kaddor betätigen sich heute als Schlächter für den Islamischen Staat
- Habe selbst Migr. Hintergrund + kenne "verschiedene Ausländer", aber dieses Gemache + Selbstverherrlichung nur bei Muslimen.
- Naja, Ihre Ideen werden bestimmt noch v. mindestens 5 Islamisten "reflektiert". So erfolgreich waren Sie ja auch nicht
- Ich frage mich sowieso, warum eine Lehrerin, die ihre Schüler an den IS verliert, als Islamexpertin so hofiert wird.
- Dumm nur, dass Broder recht hat. Moslems sind die einzigen Migranten die Probleme machen und auf Extrawürste bestehen.
- Wie traurig, wenn eine "Wissenschaftlerin" den Vorwurf der Dummheit zurückweist und dabei mit jedem Satz bestätigt.

Das waren Mails, die von Fr. Kaddor als Hassmails bezeichnet worden waren. Ob es vielleicht noch bösere Mails auf ihrer Facebook-Seite gegeben hat, weiß ich nicht, darauf kommt es nicht an, denn das Risiko von „Hassmails“ hat jeder, der sich im Internet öffentlich positioniert. Im Interview mit dem DLF (Tobias Armbrüster) nannte Frau Kaddor einen einzigen Namen für jemanden, der ihr Böses will, und das war der Schriftsteller Henryk Broder. Sie berichtete von weiteren „Hassmails“, die Menschen ihr mit vollen Namen schreiben würden. Die Artikel von Henryk Broder über sie hatte ich gelesen, und sie erfüllen, selbst bei beliebigster Auslegung nicht das Kriterium für Hass. Da hätte Frau Kaddor doch in diesem Interview die Gelegenheit gehabt, den Namen eines „hasserfüllten“ und, wie sie es sagte „völlig enthemmten“ Schreibers der Öffentlichkeit preis zu geben.
Fortsetzung folgt

Freitag, 26. August 2016

Eine Wahlprognose für die Landtagswahlen in M/V

kann man anhand der Wahlplakatierung nicht stellen. Doch eine 75 km lange Autofahrt quer durch Vorpommern kann, wenn man kriminalistisches Gespür einsetzt, Interessantes zutage fördern. Vorausgesetzt man entschließt sich ungern dazu, den Blick von der Landschaft und den Dörflein zu lösen.

Tief im Land, das ist nicht zu übersehen, muss die NPD eine treue Anhängerschaft haben, vital, kletterfreudig, mit hohen Leitern ausgestattet, denn ihre Plakate hängen seit eh und je ganz oben auf den Masten. Anhand der Prognosen und starker Konkurrenz nebenan im Parteienspektrum scheint es so etwas wie das letzte Aufgebot zu sein. Aber aktiv sind sie. Die SPD spart mit Plakaten, die CDU ist ein wenig potenter. In Stadtnähe sind beide, wenngleich zaghaft, häufiger vorhanden. An großen Kreuzungen lächelt der Landesvater von der SPD milde von übergroßen Billboards herunter. Sein CDU-Mitregent ebenso. Leicht verschämt ist auf den Plakaten der jeweilige Parteienname vermerkt. Die FDP gibt sich nicht allzu große Mühe oder sie kann es nicht. Nur zwei Typen von ihren Plakaten bemerkte ich, und sie verlangt auf ihnen nicht etwa Bildung, sondern Bildungsbeschleunigung. In Dörfern mischen sich eindeutig NPD und Grün. Oft kann man im Voraus am Aussehen des Dörfchens schon erahnen, wie die Wahlplakate gemischt sein werden. Einträchtig sah ich sie nebeneinander zu Beginn eines Grundstücks und an dessen Ende. Die NPD wünscht sich Kinderreichtum der Urbevölkerung im Lande. An Werktagen sind Kinder in Dörfern kaum zu entdecken, auch nicht in den Ferien. Spielplätze auf Grundstücken weisen darauf hin, dass sie wohl irgendwo doch verborgen sind. Die meisten Parteien halten sich mit Programmatischem zurück. Andererseits gibt es unbekannte Parteien, die sich umso mehr abmühen. In M/V nennt sich eine davon ALFA (anscheinend der intellektuelle Ableger der AfD). Als Kuriosum sah ich, dass die DKP hier und da auch plakatiert hat. Ihre schwesterliche Partei „Die Linke“ wirbt flächendeckend, verlässlich und solide. Aber wo bleibt die große und unbekannte Neue? Fast nicht vorhanden. Lange hielt ich sie für ein Phantom, bis ich bemerkte, dass die AfD recht gezielt an markanten Stellen präsent ist. Allerdings in fast mausgrauem Plakat-Gewand bzw. blaugrau. Kein parteieneigenes Gesicht konnte ich entdecken, die Wahlwerbung war einfallslos und unauffällig. Durch die Effektivität ihrer Postwurfsendungen scheint eine ausufernde Plakatwerbung überflüssig zu sein. Vielleicht verweigern sich aber auch Gestaltungs- und Plakatierungsfirmen „mit Haltung“. Wer weiß?

Weitere Betrachtungen ersparte ich mir. Die Landschaft war viel zu schön, die spärlich vorhandenen Menschen viel zu angenehm und interessant, als dass ich allzu lange meine Aufmerksamkeit der Wahlwerbung widmen wollte.

Samstag, 20. August 2016

Bemerkenswert

Dieses Wort benutze ich nicht allzu oft. Doch die Stunde mit dem 8-jährigen Nachbarsenkel Kalle könnte ich mit diesem Begriff bezeichnen. Schon im vorigen Jahr war dieser Junge zu mir gekommen und webte auf einem Kinderwebstuhl „das längste zusammenhängende Stück“, das je ein Kind bei mir gewebt hat, nämlich 4,20 m lang. Ich hatte ihn als kindlich, hoch intelligent und humorvoll in Erinnerung und willigte gern ein, als er sich wünschte, in diesen Ferien nun in gleicher Breite in gleichen Schussfarben eine Verlängerung die möglichst nicht erkennbar ans erste Stück genäht werden soll, zu weben. Die Umstände drum herum wären eine Geschichte für sich, ich beschränke mich auf das, was ich als „atemberaubend“ empfand.

Wir hatten uns auf „täglich eine Stunde“ geeinigt, was er gewissenhaft einhielt. Er sprach wie viele Jungen in diesem Alter fast ununterbrochen und konnte sich dabei recht gut auf seine Arbeit konzentrieren. Er erzählte unter anderem, dass sein Großvati gesagt hätte, Fernsehen mache dumm, aber das stimmte nach Auffasung des Jungen nicht. Denn er und seine Brüder schauen immer „Galileo“ und daraus wird man schlau. Abgesehen davon, dass er sehr intelligente „Nebenbemerkungen“ machte - ich bekomme sie kaum noch zusammen -, fing er dann zu erzählen an, wie er: "Fritz gestern mit Erlaubnis von dessen Vater über Hitler und Stalin aufgeklärt hat". Es begann damit, dass diese kleinen Burschen sich darüber unterhielten, dass es noch viel Schlimmeres geben könne, als das was im „Herz“ möglich ist (ich fragte ungläubig: Wie meinst du das?, und er zeigte auf seine Brust), und dann hatte Kalle dem Cousin erklärt: Das Schlimmste, was es je auf der Welt gegeben hätte, sei ´Hitler´ gewesen, aber seit vorvorgestern (er war gerade mit seinen Eltern aus Lettland zurück gekommen) weiß er, dass es noch einen gegeben habe, der fast ebenso schlimm gewesen sei, nämlich Stalin. Ich befürchtete, dass er sich Wissen auf „Galileo“ angeeignet hätte - was auch immer das sein möge - und fragte ihn danach, aber er sagte, er habe das von verschiedenen Seiten erfahren. Und dann äußerte er seine Verbitterung darüber, dass Stalin wohl an Altersschwäche gestorben sei, Hitler dagegen habe sich eine Kugel in den Kopf gejagt. Diese Vorstellung fand er noch einigermaßen erträglich. Danach ging es zum Glück mit eifrigen Betrachtungen über Web-Dauer pro cm und Minute usw. weiter. Pünktlich um 7 Uhr als ich ihm anbot noch einige Minuten weiter zu machen, weil wir uns zu sehr verplaudert hatten und nicht alles geschafft war, was er sich vorgenommen hatte, eilte er davon, weil sein Cousin auf ihn wartet. Ich war zu nichts mehr fähig, außer um das aufzuschreiben.

Und ich dachte. ´Auf dass so viel „Herz“ und Intelligenz nicht in die falschen Hände geraten und er bitte eine gute Grundlage dafür finden möge!´. Und ich war beeindruckt davon, wie das Denken "daran" noch über Generationen die Menschen - so oder so – in Atem hält.

Geschrieben am 19.8.2016
Gewidmet Henryk Broder zum 70. Geburtstag am 20.8.2016

Nach kurzer Diskussion habe ich meine ursprüngliche Überschrift berichtigt. Dass Jungen in diesem Alter Gesprächsthemen und -inhalte haben, von denen wir Erwachsenen nichts ahnen, weiß ich aus langjähriger Arbeit mit Kindern. Man sollte sie bemerken, und bemerkenswert sind sie auf jeden Fall.

Mittwoch, 17. August 2016

Reaktionen zum Thema „Lügenpresse“

In diesem Blog schrieb ich zwei Berichte über NDR-Beiträge, die sich damit auseinander setzen, dass Medien hierzulande als „Lügenpresse“ geschmäht werden. (07.5. und 17.7.) Dass der NDR gleich zwei verschiedene lange Beiträge zu diesem Thema gesendet hat, spricht für sich. Nun schickte ich meinen zweiten Beitrag vom 17.07. – spaßenshalber – an den NDR. Ich traute meinen Augen nicht, als ich am 01.08. ein längeres Antwortschreiben erhielt, auf dem systematisch Antwortpunkte aufgelistet waren: Das kann doch nicht sein, dass jemand beim NDR sich so viel Mühe wegen mir macht! Schnell war zu erkennen, dass es eine allgemeine Antwort auf alle diesbezüglichen Zusendungen war, in der der NDR säuberlich auf Kritiken auf den Film einging, indem er sich auf Nebenschauplätze begab, die Zuschauer als ein wenig dumm darstellte und unbedarfte oder drastische Zuschauerzitate anführte, die als Beweis wofür auch immer gelten sollten. Im Übrigen könnte man nicht in 45 Minuten dieses komplexe Thema abarbeiten und es hätte auch viel Lob gegeben. Gedankt wurde allen, die teilnahmsvoll durch ihre Reaktion an dieser Sendung teilgenommen haben.

Die wirkliche Überraschung kam drei Tage später, am 04.08., denn ich erhielt ein echt an mich gerichtetes Antwortschreiben von einem namhaften NDR-Redakteur persönlich. Aus verschiedenen Gründen möchte ich es nicht einfügen, es lohnt sich auch nicht. Eine Überlegung darüber, warum er das „Binnen I“ mal verwandte, bei „Hartz IV-Empfängern“ jedoch nicht, ersparte ich mir. Den sinngemäßen Hinweis des Redakteurs an mich, dass sogar im gesamten Land Hinterwäldler leben, die Groteskes über Flüchtlinge weiter tragen, und die ich wohl wegen des Films nur auf der schwäbischen Alb vermuten würde, könnte man in Nichtigkeit dem zuvor Genannten gleich setzen. Und Anja Reschke und Dunja Hayali, die ich als „wackere Kämpferinnen aus dem Fernsehen“ bezeichnet hatte, wären in Wirklichkeit Journalistinnen mit Haltung. Und so weiter….. Das Schreiben brach mit folgendem Satz ab: „Kritik an Medien muss und sollte sein. Hass und Hetze allerdings sollten nicht zum Regelfall werden. Und dies sollte man doch noch fordern dürfen“.

Die Botschaft wurde verstanden, und ich werde die gesamte Angelegenheit mit einer kurzen Antwort an den Redakteur abschließen in der ich ihn auf meine entsprechenden Blogbeiträge hinweise. So hat er die Möglichkeit, sich noch einmal damit zu befassen oder auch nicht.

Im Luftreich des Traums

gegen Ideologien

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