Donnerstag, 22. Januar 2015

Darf Satire wirklich alles? Die NDR-Kulturdebatte

Etwa vor einer Woche drangen aus dem Radio NDR-Kultur, ein paar Worte, die mich aufhorchen ließen. "Darf Satire wirklich alles? - Die NDR-Kulturdebatte." Im Internetprogramm stand, dass dieses die vom NDR ausgestrahlte Hörerdebatte für den Januar sei. Die Hörer wurden aufgefordert, sich schriftlich oder mündlich dazu zu äußern. Von der eigentlichen Debatte habe ich dann nicht mehr viel mitbekommen, aber der Titel war angesichts der Morde in Paris an Redakteuren eines Satiremagazins nachdenkenswert. Es wäre interessant zu erfahren, ob der Titel der Debatte vor oder nach den Morden festgelegt wurde.

Wäre die Frage schon vor den Morden gestellt worden, dann könnte man von einer tragischen Vorahnung sprechen, die sich in der Debatte wieder spiegelt. Wenn der NDR diese Frage allerdings nach den Morden aufs Tapet gebracht hat, dann impliziert er die Überlegung, was mit jemandem zu geschehen hat, der Satire in ungebührlicher Weise strapaziert. Wären die Morde in der Redaktion der Satirezeitung "Charlie Hebdo" also nicht doch zu rechtfertigen? Sind die Ermordeten nicht selber Schuld an ihrer Ermordung?

Dass Satire nicht alles darf, davor schiebt schon das Grundgesetz einen Riegel. Satire darf sicher nicht zur Gewalt oder zu Verbrechen aufrufen. Auf Gewalt und Verbrechen darf sie aber mit ihren Mitteln reagieren. Was ist eine größere Blasphemie: Sich bei Mord, ja bei Massenmord auf den Propheten Mohammed oder auf Allah höchstpersönlich zu berufen oder auf diese Morde mit satirischen Mitteln zu reagieren? Sicher gäbe es keine Karikaturen mit religiösem Inhalt, wenn nicht die Religion Anlass zum Karikieren geben würde. Eine Karikatur dient nicht dazu, jemanden beleidigen zu wollen, sondern sie soll aufzeigen, was hinter dem angeblich Beleidigten steckt. Ob eine Karikatur nun gelungen, geschmackvoll, nicht gelungen oder geschmacklos ist, das ist dann eine ganz andere Frage.

Donnerstag, 15. Januar 2015

Nach den Attentaten

Zufällig verbrachte ich die dramatischen Tage, in denen die mörderischen Attentate in Paris stattfanden, im Ausland und hatte wenig Gelegenheit, mich ausführlich darüber zu informieren. Ein paar Fernsehnachrichten, einige Absätze in der Zeitung. Vor allem aber erfuhr ich nichts über die deutsche Variante der Berichterstattung. Lediglich in einer Zeitung gab es einen Artikel über die Reaktion der "ZEIT" auf die Nachricht über die Ermordung der Mitarbeiter der französischen Satirezeitung "Charlie Hebdo". Die "ZEIT"-Redaktion habe verkündet, dass nun nichts mehr so sei wie früher, und dass man nun von einer Zeit davor und danach sprechen müsse. Ebenfalls sei in der "ZEIT" die Parole ausgegeben worden, dass dieser Terror nichts mit dem Islam zu tun habe.

Dabei dachte ich mir: „Ihr merkt aber auch gar nichts. Wer `davor´ sagt: Terror hat nichts mit Islam zu tun und `danach´ ebenso, wonach will er diese selbst erfundene Zeiteinteilung bemessen? Wenn euch wenigstens nun ein Licht aufgegangen wäre! Dass der Terror mit dem Islam zu tun hat, ist doch offensichtlich, wenn die mörderische Hinrichtung unter dem Ruf "allahu akbar" erfolgt.“ Oder wie soll man das sonst verstehen?

Dass damit nicht jeder Muslim unter Generalverdacht gestellt wird, ist selbstverständlich, und ich kann mich auch nicht erinnern, diese Meinung je von einem Menschen gehört zu haben. Wenn aber jeder Muslim eine Meinung zu den Taten seiner Glaubensgenossen hätte und sich damit auseinander setzen würde, dann wäre das schon ein Schritt vorwärts im Zusammenleben vom Muslimen und den anderen. Und wenn diese Überlegungen nicht darin resultierten, dass vor dem Hintergrund einer "abgrundtiefen Beleidigung des Islams" für die darauf folgende Bluttat oft Verständnis angesagt ist, dann wäre eine Chance da, dass Muslime und Nichtmuslime sich zumindest auf eine Plattform für die notwendige Auseinandersetzung verständigen könnten. Ob es so weit kommt, bleibt vorerst fraglich.

Mittwoch, 7. Januar 2015

Pegida

Pegida ist eine Gruppierung mit der ich überhaupt nichts zu tun habe. Weder kenne ich jemanden, der an den Pegida Aufmärschen teilnimmt, noch jemanden, der an Antipegida Demonstrationen teilnimmt. Auch wohne ich in einem Gebiet, von wo es etwas umständlich wäre, etwa aus Neugierde mich einmal unter diese Leute (ob für oder gegen Pegida) zu mischen.

Umso eifriger studierte ich im Internet, was verschiedene Menschen, deren Meinung für mich wichtig ist, zu Pegida sagen. Und siehe da: die Meinungen sind geteilt. Man könnte fast sagen, die "vernünftigen" Menschen spalteten sich auf, und es gibt zum Teil erbitterte Diskussionen. Trotzdem kristallisierte sich ein Standpunkt heraus, dem ich mich anschließe: So richtige Freude kann kaum jemand an den Pegida Kundgebungen haben, incl. aller Äußerungen, die von ihnen nach Außen dringen. Leider sind unsere Politiker samt den schon fast gleich geschalteten Medien aber nicht in der Lage, sich mit diesen Menschen auseinander zu setzen. Ihre Methode ist: Pegida mit abwertenden Attributen zu bedenken, sie zu diffamieren, sie als keiner Auseinandersetzung wert zu betrachten. Ich habe den Eindruck, es gibt eine Form der Auseinandersetzung, wobei alles, was nicht ins eigene Weltbild passt, einfach abqualifiziert wird. Dass man damit mehr über sich selbst zu erkennen gibt, als über die Gegner, wird in Kauf, ja meist nicht einmal zur Kenntnis genommen. Auch scheint es so zu sein, dass man schon fast als Pegidamitglied angesehen wird, wenn man nur die Meinung äußert, man solle diese Menschen als Menschen zur Kenntnis nehmen und sich mit ihnen auseinandersetzen.

Als Protest gegen Pegida wurde während einer Demonstration die Außenbeleuchtung des Kölner Doms abgeschaltet. Da klafft tatsächlich eine gewaltige Lücke im Bewusstsein unserer Religionsführer. Der Kölner Domkurie macht es nichts aus, dass seit Jahren auf ihrem Domvorplatz übelste antisemitische Hetze betrieben wird, über Pegida hat sie aber schon im Vorherein ein vernichtendes Urteil. Im vergangenen Sommer gab es Demonstrationen in Deutschland während derer Sätze wie: "Juden ins Gas!" gerufen wurden, und das störte weder Domkurie, noch las ich in irgendeinem kirchlichen Presseerzeugnis irgendwelche betrübten Sätze darüber.

Die Unfähigkeit zur Auseinandersetzung, die nicht zur Kenntnisnahme der Realität, sondern ein Schweben "im Luftreich des Traums", das erlebt man in Bezug auf "Pegida" sehr deutlich, und schon bin ich wieder beim Titel meines Blogs.

Samstag, 3. Januar 2015

Eine Anekdote als ein positiver Ausblick auf 2015

Es ist nur wenige Tage her, ich befand mich in einem Raum mit drei Kindern zwischen 11 und 15 Jahren, zwei Mädchen und ein Junge. Zwei der Kinder hatten einen arabischen Hintergrund, waren aber in Deutschland aufgewachsen. Sie waren unbefangen und fröhlich und blödelten, schwatzen und flirteten vor sich hin, wie es gerade so aus ihnen heraus kam. Plötzlich sagte das eine (arabische) Mädchen: "Stellt euch vor, neulich hat die Erzieherin uns in der Pause eine Kassette mit Weihnachtsmusik angemacht. Sie hat dazu gesagt, dass das ja Musik ohne Text ist, die dürften wir muslimischen Kinder auch hören". Das Mädchen kommentierte weiter: "Ich hätte sie am liebsten gefragt, ob sie nicht weiß, dass wir schon im 21. Jahrhundert angekommen sind!"

Ich dachte: Diese Kinder sind vernünftiger, als die auf indoktrinierende Weise geschulten Erzieherinnen. Warum werden nicht diese "normal" denkenden muslimischen Menschen als Maßstab dafür genommen, wie man mit ihnen umgeht. Statt dessen hält man Ausschau nach den fanatischsten unter ihnen, und setzt diese als das Maß aller Dinge nach denen wir uns zu richten haben.

Dienstag, 30. Dezember 2014

Die Stalingradmadonna II

Die Stalingradmadonna wurde 1942 von dem Künstler, Arzt und Pastor Kurt Reuber gezeichnet als er sich im Kessel von Stalingrad, eingeschlossen durch die sowjetische Armee, befand. Um sich und seinen Kameraden das Weihnachtsfest erträglicher zu machen, schuf er diese Zeichnung. Um das Bild herum laufen die Schriftzüge: "1942 Weihnachten im Kessel – Festung Stalingrad – Licht, Leben, Liebe“.

Die Stalingradmadonna mag für den einzelnen Soldaten, der mit ihr in Berührung kam, eine unmittelbare Bedeutung haben. Wenn aber Jahre später über sie gedichtet und gepredigt wird, so sollten die Umstände beschrieben werde, unter denen sie geschaffen wurde. Dazu gehört nicht nur "das Leid der deutschen Soldaten im Kessel", sondern es gehört dazu, warum diese sich im Kessel befanden und was sie dort vorhatten.

Der Pfarrer Arno Pötzsch hat es tatsächlich in seinem Gedicht erwähnt: Sie standen eidgetreu auf verlornem Posten und stritten bis zum Tod hin für das "Reich", schreibt er in seinem Gedicht "Stalingrad". Warum sie auf verlornem Posten standen, das wissen die Leser zwar immer noch nicht, Arno Pötzsch ist aber einverstanden mit dieser Tatsache und stellt sie nicht in Frage. Die andere Frage: Gab es noch andere Menschen, die hungerten, litten und froren? stellt sich für Arno Pötzsch nicht. Falls sie es gegeben haben sollte, so ward ihnen jedenfalls nicht die Gnade der Madonna teil. Denn, so heißt es in einer Strophe des Gedichtes "Die Mutter Gottes von Stalingrad"

Die Mutter Gottes von Stalingrad
Weilt heut bei den deutschen Soldaten.
Sie hat in der eisigen Winternacht
der russischen Steppe sich aufgemacht,
die Frau und die Mutter voll Gnaden

Die Mutter Gottes von Stalingrad -
so kam sie, die Mutter voll Gnaden,
zu den Ärmsten der Armen in heiliger Nacht,
weil die Mutter noch immer des Ärmsten gedacht,
sie kam zu den deutschen Soldaten.

(Man kann es natürlich auch so sehen, dass die Madonna auch bei anderen Soldaten weilen konnte, denn sie ist allmächtig und allgegenwärtig, was vom Dichter allerdings nicht erwähnt wurde. Doch hält er die deutschen Soldaten für die Ärmsten der Armen.)

Diese Gedichte über die Madonna schrieb Arno Pötzsch 1944 und veröffentlichte sie 1946.
Wie aber sah es mehr als 50 Jahre später aus? Man sollte meinen, in den Jahren sollte sich im Denken der Menschen einiges geändert haben:

Eine Predigt aus dem Jahr 2001 aus einem Ort bei Kassel ist im Internet zu finden, aus der ich einige Sätze zitiere:

In den Bunkern und in den Erdhöhlen leben, sterben, hungern und frieren deutsche Männer. Sie hoffen auf eine Erlösung.
Licht, Leben, Liebe. Was soll ich dazu noch sagen? Wenn man unsere Lage bedenkt, in der Dunkelheit, Tod und Hass umgeben - und unsere Sehnsucht nach Licht, Leben, Liebe, die so unendlich groß ist in uns.
Diese Geborgenheit kann das, weil sie selbst schwere Zeiten durchlebt hat. Damals am Kreuz. Und damals in Stalingrad. Und heute bei uns.

Der Prediger beschreibt die lang zurück liegende Vergangenheit, als wäre sie unmittelbare Gegenwart. Auch für ihn besteht Krieg aus dem Leiden deutscher Soldaten, die sozusagen aus dem Nichts in die Stalingrader Steppe gelangt sind. Und zum zweiten aus der großen Sehnsucht dieser Männer nach Licht, Leben und Liebe. Vielleicht haben die Soldaten zwischendurch auch einmal geschossen. Oder noch schlimmere Dinge getan, von denen man hört, das sie im Krieg getan wurden, die aber in erbaulichen Predigten lieber nicht erwähnt werden. Der Prediger vergisst übrigens in dieser Predigt auch nicht zu erwähnen, dass es heutzutage in Israel und Palästina sehr schlimm ist, was nun gar nichts mit der Madonna gemein hat. Die letzten Sätze der Predigt halte ich für Blasphemie: Er stellt das Sterben am Kreuz, die Schlacht um Stalingrad und unsere heutige (von 2001 ) Situation auf eine Ebene.

Nicht etwa die Madonna oder ihr Schöpfer, aber diejenigen, die diese Madonna dazu benutzen, um dem zweiten Weltkrieg samt seiner Soldaten einen madonnenartigen Schein zu verleihen, tragen zur Erfüllung eines gesellschaftlichen Auftrags bei: die Rolle Deutschlands im Krieg immer weiter herunter zu spielen und es als ein leidendes Opfer zu stilisieren.

Dienstag, 23. Dezember 2014

Die Stalingradmadonna I

Eingeweihte kenne sie. Sicher war die Stalingradmadonna genau ab 1945 ein beliebter Gegenstand für ergreifende Weihnachtspredigten. Irgendwann wurde ich das erste mal mit ihr konfrontiert. Bei einem Weihnachtsgottesdienst wurde ein vervielfältigtes Bildchen der Madonna herum gereicht. Und die entsprechende Predigt, deren Inhalt wahrscheinlich an allen Orten ähnlich ist, gab es dazu.

Als ich das gereichte Bildchen sah, dachte ich an eine Barlachfigur. Eine fast ovale Zeichnung. Die Madonna sitzt zusammen gekauert, ihr Mantel ist so um sie geschlungen, dass eine Höhle entstanden ist, in der sie und das Kind geborgen sind. Mutter und Kind sind einander zugewandt. Das Bild hat die Ausstrahlung, die auch an den Rand der Zeichnung geschrieben ist: Licht, Leben, Liebe.

Wenn man es bei diesem Bild gelassen hätte, dann hätte es seinen Wert in sich gehabt. Es wurde aber - man kann es sich vorstellen -, zum beliebten Symbol für das Leid deutscher Soldaten im Krieg. Und für die Sehnsucht deutscher Soldaten nach Licht, Leben und Liebe. Aus Interesse habe ich mich ein wenig, - nicht etwa mit der Madonna -, sondern mit der Botschaft, die man ihr entnahm, beschäftigt. Daraus ging hervor: Deutsche Soldaten waren im Osten, in Stalingrad, und sie haben dort unheimlich gelitten. Was sie dort taten, wie sie dorthin gekommen waren, das blieb im Dunklen. Der Frage, ob es außer den deutschen Soldaten noch andere Menschen gab, die hungerten, froren und litten, widmete sich in den ergriffenen Betrachtungen niemand.

Dem deutschen Pfarrer und Dichter Arno Pötzsch war die Stalingradmadonna Quelle von Inspiration. Er hat ihr mehrere Gedichte gewidmet. Hier eine Strophe eines Gedichts, das dieser Gesangbuchdichter der Stalingradmadonna widmete:

Wir waren fern, als ihr das Leid gelitten,
doch unverwandt ging unser Blick nach Osten,
wo eidgetreu ihr auf verlornem Posten
bis hin zum Tod habt für das Reich gestritten.

Dieser Vers sagt viel über die Instrumentalisierung der "Stalingradmadonna" aus.

Mittwoch, 17. Dezember 2014

Ein Kapitel über Städtebau

Auf meinem Schreibtisch fand ich ein angefangenes Blatt, das inzwischen nicht mehr aktuell ist. Im Juni hatte die Sendung "Panorama" einen Bericht gebracht, der von Mohammed Atta, dem Hauptattentäter des 11. September 2001 handelt. Dieser hatte bis zum Jahr 1999 in Hamburg das Fach Städtebau studiert. Sein ehemaliger Professor Dittmar Machule machte erst 13 Jahre nach dem Terrorattentat die Diplomarbeit von Atta publik. Aus ihr ging hervor, dass Atta außerordentlich sensibel darüber geschrieben hatte, wie man die Altstadt von Aleppo behutsam sanieren solle.

Professor Machule konnte es lange Zeit nicht fassen, dass sein Student, dessen Diplomarbeit er sehr schätzte und den er auf Grund seiner Arbeit für einen Humanisten gehalten hatte, zu einer solch grausamen Tat imstande gewesen sei. Die Journalisten von "Panorama" und von verschiedenen Zeitungen waren wiederum außer sich geraten, dass ein Massenmörder gleichsam humanistische Ansichten haben könnte. Es kam die alte Frage auf: Ist eine "Bestie" ganz und gar eine "Bestie", oder kann sie auch gute Seiten haben? (Der Titel der "Panorama"-Sendung war: "Die andere Seite der Bestie").

Es ist schlechte journalistische Angewohnheit, einen Menschen mit einem Phantasieattribut zu betiteln, ihm zusätzlich komplett dessen vermeintliche Eigenschaften zuzuordnen, nur um umgehend die Eigenschaften des Phantasieattributs in Frage zu stellen. Dieser Trick wird angewandt, wenn man den Ruf eines "rabenschwarzen" Menschen durch Aufspüren seiner "menschlichen" Seiten aufhellen möchte. Für einen Sophisten ist es kein Problem, schlimmste Menschen durch derart Aufhellung in Lichtgestalten umzudeuten.

Die Schilderung einer "schönen" arabischen Stadt, wie sie Atta durch behutsames Sanieren wieder herstellen will, passt durchaus mit seinem zerstörerischen Handeln zusammen. Atta möchte "ein verloren gegangenes orientalisches Paradies, in der ein frommes Leben möglich sei mit geschäftigem Treiben in den Bazaren, kleinen Läden, verwinkelten Höfen, freundlichen Menschen, Wasserverkäufern und Lastenträgern, fröhlich tobenden Kindern", wie es der Journalist Wolf v. Lojewski in seinem Buch "Der schöne Schein der Wahrheit" beschreibt. Ob es außer dem Islam in dem in alter Schönheit wieder erstandenen Aleppo auch andere Religionen für Atta ihren Platz hätten, kann man sich kaum vorstellen. Atta schreibt alle städtebaulichen "Sünden" wie Hochhäuser und Schnellstraßen, Supermärkte und Schnellrestaurants der Verführung durch den Westen zu, ja er meint, der Westen zwänge den Arabern seine Vorstellung von einer Großstadt auf. Da drängt sich die Vermutung, dass Atta die terroristische Zerstörung von Hochhäusern im Zentrum der "dekadenten" westlichen Welt als persönliches Anliegen ansieht, geradezu auf.

Wenn ich mir die netten Fachwerkhäuschen der Nazifamilien vor Augen halte: mit Fensterläden, roten Dächern, Holzzäunen. Drinnen fleißige Mütter, die ihre fröhlichen rotbackigen Kinder bei den Hausaufgaben betreuen - so oder ähnlich wird das Idealbild einer deutschen Familie der 30-ger Jahre beschrieben. Diese Idylle blieb natürlich den arischen Bewohnern Deutschlands vorbehalten. Ob das Deutschland von 1933-1945 sich als weniger schlimm darstellt, weil zwar die nicht arischen Bewohner in erniedrigenden bis hin zu tödlichen Umständen leben mussten, dafür aber viele arische Deutsche in einer Postkartenidylle zu Hause sein durften, wage ich zu bezweifeln. Und eins lehne ich ganz und gar ab: Dass Mohammed Atta als ein besserer Mensch anzusehen ist, weil er von einer Idylle in alten arabischen Städten träumte, während er die westliche Welt zerstören wollte.

Samstag, 6. Dezember 2014

Schon wieder Tuvia! (Teil 2)

Um zu verdeutlichen, wie Tuvia Tenenbom in seinem Buch "Allein unter Juden" Menschen und Geschehnisse beobachtet, greife ich ein beliebiges Kapitel heraus. Tuvia, der sich in Israel befindet, schließt sich einem von der (deutschen!) Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) organisierten Gruppenerlebnis an, einem gemeinsamen Ausflug von jüdischen und arabischen Lehrern nach Jordanien. Es ist der KAS ein Herzensanliegen, Israeli und Palästinenser bei gemeinsamen Unternehmungen einander nahe zu bringen, auf dass Friede im Kleinen entstehe, der sich anhand von Multiplikatoren ins Große ausbreite. Ein guter Gedanke!

Wie er in der Realität ausgeführt wird, erzählt uns Tuvia. Es beginnt damit, dass der Reisebus, in dem die Gruppe von israelischen und palästinensischen Lehrern gemeinsam reist, einen Umweg von 8 Stunden machen muss, da Isareli (welcher Religion auch immer) nur einen einzigen Grenzübergang, hoch im Norden benutzen dürfen, um von da wieder nach Süden zum Toten Meer zu fahren. An der jordanischen Grenze wird allein den Juden in der Gruppe mitgeteilt, dass sie nur mit einem Sammelvisum einreisen dürfen, d.h. sie müssen immer beieinander bleiben. Sie dürfen später ihr jordanisches Hotel nicht verlassen, der "Sicherheit" halber.

Das erste Ereignis dieser Fahrt ist ein Handyanruf der angemeldeten Hauptrednerin des Friedensevents, in dem sie mitteilt, dass sie nicht teilnehmen kann, weil ihre christlich-palästinensische Schule ihr untersagt hat, an einem Treffen mit Juden teilzunehmen. Tuvia stellt fest, dass die palästinensischen Lehrer nicht etwa aus dem Autonomiegebiet um Ramallah sind, wo man keine Gelegenheit hat, auf Juden zu treffen, sondern aus Jerusalem, wo Juden und Araber sich sowieso ständig über den Weg laufen. Und dass die jüdischen Teilnehmer von der (linken) Sorte sind, die den Palästinensern schon von vornherein zugeneigt sind. Das bewahrt sie nicht davor, dass ihnen der Händedruck von Arabern verweigert wird. Gemeinsam hörte sich die gesamte Gruppe einige Reden an, spielte fiktive Spiele (wie: sich vorstellen, dass man füreinander kocht) und versuchen sogar, miteinander zu tanzen. Ansonsten halten sich Juden und Araber auf der Reise stets unter sich auf. Selbst die so genannten Gruppengespräche halten sie getrennt ab. Kurzum, die teure Angelegenheit, die die KAS ca. 45 000 € gekostet hat, erweist sich als Mogelpackung.

Vieles in dem Buch hört sich so grotesk an, dass man es nicht glauben möchte. Solch absurde Handlungsweisen kann es doch gar nicht geben! Mir fiel ein, wie ich einmal bei einer Veranstaltung mit einem linken israelischen "Friedensabenteurer" war, der deutschen Zuhörern sein Buch vorstellte. Da saßen hinter mir einige neugierige Araber, die darüber sprachen, dass dieser Mann zwar interessant sei, ganz anders als die anderen Juden, aber sein Buch würden sie sich niemals kaufen, auch wenn sie noch so viel Geld bei sich hätten. Ob nach der von der KAS organisierten Reise die mitgereisten Palästinenser nun Juden die Hand schütteln würden, war nicht zu ermitteln. Tuvia verzichtete auf weitere Gruppenerfahrungen und organisierte sich privat eine Rückfahrt (wo er wieder auf Merkwürdiges traf).

Im Luftreich des Traums

gegen Ideologien

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Aktuelle Beiträge

400 „Kulturschaffende“...
Gerade einmal eine Woche ist vergangen, nachdem bis...
anne.c - 11. Aug, 19:27
Noch einmal über Medien
Die Welt besteht nicht nur aus Medien und das Leben...
anne.c - 29. Jul, 11:13
Noch ein Schreiben, diesmal...
12.07.2025 Infos am Morgen im DLF: „Immer wieder verzerrte,...
anne.c - 16. Jul, 17:16
Apartheit im Ökumenischen...
1 .Ein abgeschickter Brief an Bischof a.D. Bedfort-Strohm Herr...
anne.c - 8. Jul, 05:51
Reaktionen nach dem Angriff...
Dieser Beitrag wird ein wenig veraltet wirken, zu rasch...
anne.c - 1. Jul, 22:28
Presseclub
Vor der Fortsetzung der Reaktionen des Angriffs Israel...
anne.c - 24. Jun, 21:21
Reaktionen nach dem Angriff...
Die Reaktionen von offiziellen Medien und Bevölkerung...
anne.c - 21. Jun, 15:11
Nachtrag zu den Stolpersteinen
Vor Kurzem spazierte ich durch die kleine böhmische...
anne.c - 19. Jun, 23:09
Stolpersteine
Das sind diese kleinen quadratischen, messingfarbenen...
anne.c - 5. Jun, 21:28
Die Einschläge kommen...
Bis jetzt waren wir im Bekanntenkreis einigermaßen...
anne.c - 29. Mai, 14:39

Links

Suche

 

Status

Online seit 5114 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 11. Aug, 19:27

Disclaimer

Entsprechend dem Urteil des Landgerichts Hamburg vom 12.05.1998 gilt für alle Links und Kommentare auf diesem Blog: Ich distanziere mich hiermit ausdrücklich von allen Inhalten aller verlinkten Seitenadressen und aller Kommentare, mache mir diese Inhalte nicht zu eigen und übernehme für sie keinerlei Haftung.

Impressum

Anne Cejp
Birkenstr. 13
18374 Zingst