Ravensbrück (aufgeschrieben 2007, aber zeitlos)
Vor Kurzem besichtigte ich zum ersten mal im Leben eine KZ-Gedenkstätte. So oft bin ich die E 96 von und nach Berlin gefahren: in der Jugend unzählige Male getrampt, in letzter Zeit immer mal mit dem Auto. Die Hinweise auf die Konzentrationslager Sachsenhausen bei Oranienburg und Ravensbrück bei Fürstenberg gab es schon immer. Allerdings, wenn man unterwegs ist, unterbricht man die Reise nicht gern, und so hatte ich nie die Gelegenheit wahrgenommen, mich dort umzuschauen.
Jetzt hatte ich genügend Zeit, und so fuhr ich zur KZ-Gedenkstätte Ravensbrück, die am Rand von Fürstenberg zwischen See und Wald gezwängt, fast malerisch da lag. Es war ein normaler Dienstag Nachmittag, kein Gedenktag weit und breit, und so befand ich mich ganz allein auf dem großen Lagerplatz. Die Insassen des einen Reisebusses, der auf dem Parkplatz stand, waren wohl irgendwo in den Ausstellungsräumen. Der Lagerplatz war vollkommen leer, einige Baracken säumten den Rand. Auf dem leeren Platz gab es Tafeln, die auf die früheren Gebäude und Gegebenheiten hinwiesen. Einige Informationsstelen und Skulpturengruppen in der Nähe des Eingangs belebten die recht eindrucksvolle Öde. In einem Nebengebäude lag das große „Buch der Toten“ aus, in dem – gut gestaltet – die Namen aller in Erfahrung gebrachten Ermordeten alphabetisch aufgezeichnet waren. Ich suchte den Namen Milena Jesenská, tatsächlich, er stand genau an der richtigen Stelle.
Um mich in den Ausstellung- und Informationsräumen im Hauptgebäude umzusehen, fehlte mir die Zeit, aber ich studierte einige Stelen und eine kleine Ausstellung über die Geschichte des Lagers nach der Befreiung. An der Gestaltung der schriftlichen Zeugnisse und Darstellungen war zu erkennen, dass man sich große Mühe gegeben hat, die Geschehnisse rund um das Lager historisch genau zu erfassen und in einen Kontext zu bringen. Ganze Kommissionen von Historikern zeichneten sich verantwortlich, man hatte den Eindruck, dass um jede Formulierung gerungen worden war. Ich dachte: Fast alles weiß man, es ist erforscht und ausgewertet worden, jeder kann erfahren und wissen was er will und sich seine Meinung bilden. Also muss es nicht Unwissenheit, sondern gesellschaftlicher Wille sein, dass man täglich Entgleisungen erlebt oder zu hören bekommt. Hier gab es keinen Hinweis von Bischof Mixa, dass es in Israel ähnliche Lager gibt. Hier hat kein Kirchenzeitungsredakteur seinen Beitrag dazu gegeben, dass er sich dafür schämt, nicht übersehen zu können, dass die Nachkommen jener Ermordeten schlimme Taten begehen.
Fast mehr berührt als das Lager der Häftlinge hat mich ein anderes Lager. Wahrscheinlich weil es in meinen Vorstellungen von einem KZ nicht vorhanden war. Das war die pompöse Siedlung der SS-Mannschaften, fast ebenso groß lag sie direkt am See auf einer leichten Anhöhe behäbig über dem Häftlingslager. Der Kontrast beider sich gegenüber liegender Lager sagte viel aus, und er führt mir auch vor Augen, wie beim heutigen Gedenken die Häftlinge zwar als Projektionsfläche für alles Mögliche genutzt werden, die Täter aber als schemenhafte und namenlose, fast nicht vorhandene Gestalten in den Schatten gerückt werden. Hier war diese andere Seite nicht zu übersehen.
Am Ausgang erblickte ich, noch auf dem Lagergelände, in eine Ecke der Umzäunung platziert, eine große leere moderne Halle, wie eine Kaufhalle sah sie aus. Das also muss der Supermarkt gewesen sein, der in den 90-ger Jahren für Schlagzeilen sorgte, und dessen Eröffnung dann wohl doch die Demonstrationen der ehemaligen Häftlinge verhindert haben. Für den die Einwohner sich so vehement eingesetzt hatten, weil genau an seiner Existenz der Aufschwung von Fürstenberg hängen würde. Die die Meinung verkündet hatten, „nur wegen dem KZ“ würde nun der Fortschritt an ihrem Städtchen vorbei gehen müssen. An dieser abgelegenen Stelle der Stadt, die rundherum viele große Flächen und Supermärkte sowieso genug hatte. Ich glaube, das war für mich der stärkste Eindruck: Häftlings- und Bewachergelände bildeten ja irgendwie eine Einheit, aber der Anblick der leeren Kaufhalle in der Zaunecke, der hatte etwas Absurdes.
Jetzt hatte ich genügend Zeit, und so fuhr ich zur KZ-Gedenkstätte Ravensbrück, die am Rand von Fürstenberg zwischen See und Wald gezwängt, fast malerisch da lag. Es war ein normaler Dienstag Nachmittag, kein Gedenktag weit und breit, und so befand ich mich ganz allein auf dem großen Lagerplatz. Die Insassen des einen Reisebusses, der auf dem Parkplatz stand, waren wohl irgendwo in den Ausstellungsräumen. Der Lagerplatz war vollkommen leer, einige Baracken säumten den Rand. Auf dem leeren Platz gab es Tafeln, die auf die früheren Gebäude und Gegebenheiten hinwiesen. Einige Informationsstelen und Skulpturengruppen in der Nähe des Eingangs belebten die recht eindrucksvolle Öde. In einem Nebengebäude lag das große „Buch der Toten“ aus, in dem – gut gestaltet – die Namen aller in Erfahrung gebrachten Ermordeten alphabetisch aufgezeichnet waren. Ich suchte den Namen Milena Jesenská, tatsächlich, er stand genau an der richtigen Stelle.
Um mich in den Ausstellung- und Informationsräumen im Hauptgebäude umzusehen, fehlte mir die Zeit, aber ich studierte einige Stelen und eine kleine Ausstellung über die Geschichte des Lagers nach der Befreiung. An der Gestaltung der schriftlichen Zeugnisse und Darstellungen war zu erkennen, dass man sich große Mühe gegeben hat, die Geschehnisse rund um das Lager historisch genau zu erfassen und in einen Kontext zu bringen. Ganze Kommissionen von Historikern zeichneten sich verantwortlich, man hatte den Eindruck, dass um jede Formulierung gerungen worden war. Ich dachte: Fast alles weiß man, es ist erforscht und ausgewertet worden, jeder kann erfahren und wissen was er will und sich seine Meinung bilden. Also muss es nicht Unwissenheit, sondern gesellschaftlicher Wille sein, dass man täglich Entgleisungen erlebt oder zu hören bekommt. Hier gab es keinen Hinweis von Bischof Mixa, dass es in Israel ähnliche Lager gibt. Hier hat kein Kirchenzeitungsredakteur seinen Beitrag dazu gegeben, dass er sich dafür schämt, nicht übersehen zu können, dass die Nachkommen jener Ermordeten schlimme Taten begehen.
Fast mehr berührt als das Lager der Häftlinge hat mich ein anderes Lager. Wahrscheinlich weil es in meinen Vorstellungen von einem KZ nicht vorhanden war. Das war die pompöse Siedlung der SS-Mannschaften, fast ebenso groß lag sie direkt am See auf einer leichten Anhöhe behäbig über dem Häftlingslager. Der Kontrast beider sich gegenüber liegender Lager sagte viel aus, und er führt mir auch vor Augen, wie beim heutigen Gedenken die Häftlinge zwar als Projektionsfläche für alles Mögliche genutzt werden, die Täter aber als schemenhafte und namenlose, fast nicht vorhandene Gestalten in den Schatten gerückt werden. Hier war diese andere Seite nicht zu übersehen.
Am Ausgang erblickte ich, noch auf dem Lagergelände, in eine Ecke der Umzäunung platziert, eine große leere moderne Halle, wie eine Kaufhalle sah sie aus. Das also muss der Supermarkt gewesen sein, der in den 90-ger Jahren für Schlagzeilen sorgte, und dessen Eröffnung dann wohl doch die Demonstrationen der ehemaligen Häftlinge verhindert haben. Für den die Einwohner sich so vehement eingesetzt hatten, weil genau an seiner Existenz der Aufschwung von Fürstenberg hängen würde. Die die Meinung verkündet hatten, „nur wegen dem KZ“ würde nun der Fortschritt an ihrem Städtchen vorbei gehen müssen. An dieser abgelegenen Stelle der Stadt, die rundherum viele große Flächen und Supermärkte sowieso genug hatte. Ich glaube, das war für mich der stärkste Eindruck: Häftlings- und Bewachergelände bildeten ja irgendwie eine Einheit, aber der Anblick der leeren Kaufhalle in der Zaunecke, der hatte etwas Absurdes.
anne.c - 24. Nov, 22:10