Sonntag, 22. November 2020

Kinder in die NVA! (Antwort auf eine Kommentarfrage)

Die Erlebnisse, die ich in diesem Blog schildere, sind aus dem eigenen Erleben oder aus dem meiner Bekannten. D.h., ich kann sie nicht wissenschaftlich belegen, ich bin keine Historikerin und habe keinen Zugang zu Akten und Archiven. Allerdings glaube ich, dass vieles, was in der DDR geschah, nicht in Gesetzesform gegossen war, vielleicht auch regional verschieden gehandhabt wurde.

Meine Bekannte erzählte mir vor Kurzem sehr anschaulich, wie ihr Sohn (Jahrgang 1975) in der dritten oder vierten Klasse für die NVA (Nationale Volksarmee) geworben wurde. „Zwei Lehrerinnen kamen zu uns, und wie die uns bearbeitet haben! Er hätte dann viel schlechtere Bildungschancen oder keinen Zugang zum Hochschulstudium. Und er müsse, wenn er studieren will, ja sowieso 3 Jahre zur Armee, da könnten sie doch schon jetzt die Entscheidung treffen“. Die Familie hat sich geweigert, die Entscheidung war ihnen zu weit reichend, und später wurde sie sowieso obsolet.

Die Hypothese, dass man nur studieren darf, wenn man sich für eine 3-jährige Dienstzeit bei der NVA verpflichtet (im Gegensatz zum nur 1 1/2 -jährigen Pflichtwehrdienst), war allgemein verbreitet und wurde auch allgemein angewandt, jedenfalls für begehrte Studienrichtungen. Aber nicht immer. Ich kenne sogar Leute, die Medizin studiert hatten, trotz nur 1 ½ Jahre Armee. Es hing sehr vom Einzelnen ab, von seiner Durchsetzungsfähigkeit und Hartnäckigkeit. Manchmal hing der Zugang zum Studium auch nicht von der Wehrdienstdauer ab, sondern von der Bereitschaft, sich für bestimmte Dinge zur Verfügung zu stellen. Aber auch das musste nicht sein, man sollte immer den Einzelfall kennen.

Das übergroße Interesse, junge Leute in die Armee zu pressen, war allumfassend in der DDR. Da war der Wehrkundeunterricht, der ab 1978 allgemein und für jeden verbindlich in die Schulen eingeführt wurde. Auch da gab es einige Hartnäckige, oft aus christlichen Elternhäusern, die sich weigerten, daran teilzunehmen, und jeder hat dabei seine eigene, besondere Geschichte erlebt.

Studenten erzählten mir, mit welch Methoden Theologiestudenten genötigt worden waren, an der vormilitärischen Studentenausbildung teilzunehmen. Die Theologiestudenten, die damals für ihre Haltung „Friedenschaffen, ohne Waffen“ bekannt waren, wurden durch eine raffinierte Methode unlösbar mit den jahrgangsmäßig gleichen Studenten anderer Fachrichtungen verquickt, und nicht nur dass, sondern auch mit deren Karrierechancen, so dass ein anständiger Theologiestudent die vormilitärische Ausbildung nicht verweigern konnte, weil er anderen, ihm unbekannten Studenten damit schadete.

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