„Der Sozialismus ist allmächtig, weil er wahr ist“
Am Ende des kleinen Parks in unserer Nähe stand über viele Jahre ein Schild mit dieser Aufschrift. Warum es gerade an dieser unauffälligen Stelle stand, kann wohl niemand erklären. Ein Plakatmaler hatte es gemalt, es wurde aufgestellt, und danach wurde es von niemanden mehr beachtet. Von mir auch nicht, obwohl ich fast täglich an ihm vorbei ging. Ich hätte es wenigstens fotografieren sollen, damit man in späterer Zeit einen Beweis hätte, dass es einmal vorhanden war. Man hätte sich Gedanken machen können, was das Schild für eine Aussage hat: ´allmächtig, weil wahr´, scheint mir gedanklich nicht schlüssig. Ob Sozialismus oder auch nicht. Ich denke, Schilder jener Art sollten die Leute darauf hinweisen, dass man an vielen Stellen in diesem „allmächtigen und darum wahren“ Sozialismus mit Absurdem konfrontiert wurde, worüber man einfach nicht nachdenken sollte.
Auch stelle ich mir vor, dass im Laufe der Jahre einige Millionen Kinder mindestens einmal in der Woche, meistens öfter, laut ausgerufen hatten: „Immer bereit!“, wenn ihnen zuvor die Formel „Für Frieden und Sozialismus seid bereit!“ vorgesagt, meistens vorgebrüllt, wurde. Ob diese jetzt Erwachsenen noch einmal daran denken? Und die vielen Jungs, damals in der vierten Klasse, die sich im Alter von 9 Jahren verpflichtet hatten, mit 18 Jahren für drei Jahre in die Nationale Volksarmee einzutreten. Ob sie manchmal an diese Verpflichtung denken? Um die Verpflichtung von Kindern für die Nationale Volksarmee wurde ein ungeheures Theater veranstaltet. Jedes Jahr auf´s Neue mussten Klassenlehrerinnen Eltern aufsuchen, um sie zu überreden, ihrem 9-jährigen Jungen die spätere 3-jährige Verpflichtung zur Armee abzuringen. Sowohl Lehrer als auch Eltern nahmen die Prozedur ernst. Die Klassenlehrerin musste nachweisen, dass ein gewisser Prozentsatz der Jungs sich verpflichtet hatte. (Ich denke, so 20 % waren angepeilt). Die Eltern schafften es meist erfolgreich, sich dagegen zu wehren, entweder mit Ausreden, Hinhalten oder auch mit einer heftigen Auseinandersetzung. Dass so eine Verpflichtung selbst im allmächtigen Sozialismus rechtlich nicht bindend sein konnte, wussten sowohl Lehrer als auch Eltern, trotzdem wurde das Spiel von den meisten mitgespielt. Ein gewisser Prozentsatz derjenigen, deren Eltern unterschrieben hatten, fühlte sich vielleicht später für eine Armeeverpflichtung genötigt. Und wenn nicht: der Klassenlehrerin war es vollkommen egal, sie war ja nicht mehr zuständig. Trotzdem war es ein wichtiges Ritual, pünktlich zu Ende der vierten Klasse eine gewisse Anzahl Armeeverpflichtungen nachweisen zu müssen.
Die Armeeverpflichtung 9-jähriger Jungs war ebenso absurd wie das Aufstellen von Schildern mit leeren Parolen. Das Leben in der DDR war durchzogen von absurden und leeren Ritualen und Parolen. Sinnlos waren sie nicht, denn sie hatten den Zweck, unbotmäßige Menschen auszusortieren. „Feinde des Sozialismus“ gaben sich etwa zu erkennen, indem sie ein Schild abmontierten oder beschmierten (in solchen Fällen lief die Fahndung auf höchsten Touren), und wenn man den Feind entdeckte, so hatte man wieder einmal beweisen können, dass der Sozialismus allmächtig ist.
Auch stelle ich mir vor, dass im Laufe der Jahre einige Millionen Kinder mindestens einmal in der Woche, meistens öfter, laut ausgerufen hatten: „Immer bereit!“, wenn ihnen zuvor die Formel „Für Frieden und Sozialismus seid bereit!“ vorgesagt, meistens vorgebrüllt, wurde. Ob diese jetzt Erwachsenen noch einmal daran denken? Und die vielen Jungs, damals in der vierten Klasse, die sich im Alter von 9 Jahren verpflichtet hatten, mit 18 Jahren für drei Jahre in die Nationale Volksarmee einzutreten. Ob sie manchmal an diese Verpflichtung denken? Um die Verpflichtung von Kindern für die Nationale Volksarmee wurde ein ungeheures Theater veranstaltet. Jedes Jahr auf´s Neue mussten Klassenlehrerinnen Eltern aufsuchen, um sie zu überreden, ihrem 9-jährigen Jungen die spätere 3-jährige Verpflichtung zur Armee abzuringen. Sowohl Lehrer als auch Eltern nahmen die Prozedur ernst. Die Klassenlehrerin musste nachweisen, dass ein gewisser Prozentsatz der Jungs sich verpflichtet hatte. (Ich denke, so 20 % waren angepeilt). Die Eltern schafften es meist erfolgreich, sich dagegen zu wehren, entweder mit Ausreden, Hinhalten oder auch mit einer heftigen Auseinandersetzung. Dass so eine Verpflichtung selbst im allmächtigen Sozialismus rechtlich nicht bindend sein konnte, wussten sowohl Lehrer als auch Eltern, trotzdem wurde das Spiel von den meisten mitgespielt. Ein gewisser Prozentsatz derjenigen, deren Eltern unterschrieben hatten, fühlte sich vielleicht später für eine Armeeverpflichtung genötigt. Und wenn nicht: der Klassenlehrerin war es vollkommen egal, sie war ja nicht mehr zuständig. Trotzdem war es ein wichtiges Ritual, pünktlich zu Ende der vierten Klasse eine gewisse Anzahl Armeeverpflichtungen nachweisen zu müssen.
Die Armeeverpflichtung 9-jähriger Jungs war ebenso absurd wie das Aufstellen von Schildern mit leeren Parolen. Das Leben in der DDR war durchzogen von absurden und leeren Ritualen und Parolen. Sinnlos waren sie nicht, denn sie hatten den Zweck, unbotmäßige Menschen auszusortieren. „Feinde des Sozialismus“ gaben sich etwa zu erkennen, indem sie ein Schild abmontierten oder beschmierten (in solchen Fällen lief die Fahndung auf höchsten Touren), und wenn man den Feind entdeckte, so hatte man wieder einmal beweisen können, dass der Sozialismus allmächtig ist.
anne.c - 5. Nov, 11:30