Montag, 31. August 2020

Sozialistische Provokationen

In einem tschechischen Buch, das unbekannte Schicksale zu Zeiten des Kommunismus schildert, las ich über einen jungen Mann, der 1978 - anlässlich des 10 Jahrestags der Besetzung der Tschechoslowakei durch die so genannten Bruderstaaten -, in einer mittelgroßen Stadt ein Gottwald Denkmal in die Luft sprengte. Er war Bergmann und hatte sich das Dynamit dazu von der Arbeit geschmuggelt. Der Täter wurde schnell ermittelt, und er kam 9 Jahre ins Gefängnis. (Nur etwa 2 Jahre nach seiner Entlassung wurde das wieder rekonstruierte Denkmal ein für allemal vom Sockel entfernt).

Das Besondere an der Tat dieses Mannes war, dass die Aktion nicht von langer Hand geplant war. Er war zu diesem Entschluss nicht durch Diskussionen mit anderen gelangt. Er war nicht mit Dissidenten bekannt und hatte sich für Politik nicht interessiert. Er stammte aus einer Arbeiterfamilie und hatte bis dahin ein normales, angepasstes Leben geführt. Sein Freiheits- und Unabhängigkeitsdrang und die Wut darüber, dass niemand sich für den 10. Jahrestag des Einmarsches zu interessieren schien, bewegte ihn zu dieser Tat.

Ich denke, es gab in den sozialistischen Staaten ähnliche Fälle. Junge Leute, die den permanenten Druck, unter dem besonders die Jugend stand, nicht aushielten und sich zu irgendeiner provokanten Geste hinreißen ließen. So erinnere ich mich an eine Begebenheit in unserer Schule. Drei junge Männer, bis dahin politisch nicht auffällig, hatten vorausschauend abgewartet, bis sie das Abiturzeugnis in der Hand hatten. Die Internatszeit wurde noch einige Wochen mit einem Arbeitseinsatz in der Landwirtschaft fortgeführt. Ich sehe die Jungs noch vor mir: sehr gut gelaunt, mit einer Mistgabel über die Schulter zogen sie in frisch gebügelten FDJ-Hemden los, um den Schweinestall auszumisten. (Wie es weiter ging, weiß ich nicht mehr, ich glaube sie wurden aus dem Internat geworfen, konnten die restlichen zwei Wochen aber bei einem Freund unterkommen).

Im Luftreich des Traums

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