„Die Antwort weiß nicht allein der Wind“
Wenig kenne ich mich in der Welt des Fernsehens und anderer Medien aus, aber über die Internetberichterstattung erfahre ich immer einmal über Personen, die etwas „Falsches“ öffentlich gesagt haben oder sogar nur etwas „Falsch geliked“ haben, und dann auf Grund von Internet- oder anderen Protesten einen Auftritt abgesagt bekommen oder sogar ihre Stelle verlieren. Manchmal gibt es ein Hin und Her, es gibt Entschuldigungen, entweder vom „Delinquenten“ oder vom Veranstalter, manchmal wird eine Ausladung wieder rückgängig gemacht. Manchmal weigert sich ein Verlag, ein bestelltes Buch zu drucken, manchmal springt dann ein anderer Verlag ein (bei Tuvia Tenenboms ersten Buch war das der Fall). Es gibt immer Spannendes zu verfolgen.
`Wie können die Leute so verrückt sein?`, denke ich. `Vor ein paar Internetbemerkungen einknicken oder auch in vorbeugendem Gehorsam?` Plötzlich kam mir eine Begebenheit aus der Jugend in´s Gedächtnis. Immerhin war da DDR, und die Menschen hatten den Druck, der auf sie eingeübt wurde, verinnerlicht. Ich besuchte die Oberschule, wollte auch ein wenig gesellschaftlich aktiv sein, und so trat ich in die schulische Singegruppe ein. Das war damals die Zeit: im Westen der Liedermacher und Folkgruppen, und im Gefolge dessen wurde in der DDR der legendäre Oktoberclub installiert und entsprechend auch kleinere Gruppen über das Land verstreut. Unsere Singegruppe trat in Kulturhäusern, zu Festen oder Parteiveranstaltungen auf. Da sangen wir Lieder wie: „Hey, hey, hey, der CIA ist da. Kämpft für die ´Freiheit` in Fern und Nah, mit Kanonen und Spionen, mit Geldern und Lügen. Wer wird wohl als nächstes `Entwicklungshilfe` kriegen?“ (Ich vermute, so mancher würde heute dieses Lied auch gern singen).
Einmal traten wir in Leipzig anlässlich der Landwirtschaftsausstellung auf. Da sollten wir das Lied: „Die Antwort weiß ganz allein der Wind“ singen. Auf einmal schoss es dem Singegruppenleiter ein: Das könnte Ärger geben, wir im Sozialismus wissen doch die Antwort. Das könnte so aussehen, als wüssten wir keine Antwort, und – wer weiß -, es könnte beruflichen Ärger geben. Wir bekamen die Anweisung zu singen: „Die Antwort weiß nicht allein der Wind!“ Das verunsicherte weiter: das könnte jemand missverstehen: nicht mal der Wind weiß es und sonst auch niemand! Sollten wir uns nicht lieber absichern? Vielleicht sollte von irgendwo eine Erlaubnis zur Textänderung eingeholt werden. Ich weiß nicht, wie es ausging und welche Version wir sangen, nur dass es sich eine ganze Weile hinzog, daran kann ich mich gut erinnern. Es wird kaum jemand zugehört haben und weder diesen noch jenen Text weiter bemerkt haben. Mir erschien das damals lächerlich, aber: der Druck und die Angst hatten sich in Jahren aufgebaut. Heute gibt es so viel vorbeugenden Gehorsam, so viel Klammern an vermeintliche Sprachregelungen, und das unter viel geringerem Druck. Die Unterwerfung unter medialen und auch schon unter politischen Druck vollzieht sich langsam. Inzwischen habe ich viel mehr Verständnis für unseren Singegruppenleiter: Angst ist ein starker Lebensfaktor. Die Corona unterstreicht das nur.
`Wie können die Leute so verrückt sein?`, denke ich. `Vor ein paar Internetbemerkungen einknicken oder auch in vorbeugendem Gehorsam?` Plötzlich kam mir eine Begebenheit aus der Jugend in´s Gedächtnis. Immerhin war da DDR, und die Menschen hatten den Druck, der auf sie eingeübt wurde, verinnerlicht. Ich besuchte die Oberschule, wollte auch ein wenig gesellschaftlich aktiv sein, und so trat ich in die schulische Singegruppe ein. Das war damals die Zeit: im Westen der Liedermacher und Folkgruppen, und im Gefolge dessen wurde in der DDR der legendäre Oktoberclub installiert und entsprechend auch kleinere Gruppen über das Land verstreut. Unsere Singegruppe trat in Kulturhäusern, zu Festen oder Parteiveranstaltungen auf. Da sangen wir Lieder wie: „Hey, hey, hey, der CIA ist da. Kämpft für die ´Freiheit` in Fern und Nah, mit Kanonen und Spionen, mit Geldern und Lügen. Wer wird wohl als nächstes `Entwicklungshilfe` kriegen?“ (Ich vermute, so mancher würde heute dieses Lied auch gern singen).
Einmal traten wir in Leipzig anlässlich der Landwirtschaftsausstellung auf. Da sollten wir das Lied: „Die Antwort weiß ganz allein der Wind“ singen. Auf einmal schoss es dem Singegruppenleiter ein: Das könnte Ärger geben, wir im Sozialismus wissen doch die Antwort. Das könnte so aussehen, als wüssten wir keine Antwort, und – wer weiß -, es könnte beruflichen Ärger geben. Wir bekamen die Anweisung zu singen: „Die Antwort weiß nicht allein der Wind!“ Das verunsicherte weiter: das könnte jemand missverstehen: nicht mal der Wind weiß es und sonst auch niemand! Sollten wir uns nicht lieber absichern? Vielleicht sollte von irgendwo eine Erlaubnis zur Textänderung eingeholt werden. Ich weiß nicht, wie es ausging und welche Version wir sangen, nur dass es sich eine ganze Weile hinzog, daran kann ich mich gut erinnern. Es wird kaum jemand zugehört haben und weder diesen noch jenen Text weiter bemerkt haben. Mir erschien das damals lächerlich, aber: der Druck und die Angst hatten sich in Jahren aufgebaut. Heute gibt es so viel vorbeugenden Gehorsam, so viel Klammern an vermeintliche Sprachregelungen, und das unter viel geringerem Druck. Die Unterwerfung unter medialen und auch schon unter politischen Druck vollzieht sich langsam. Inzwischen habe ich viel mehr Verständnis für unseren Singegruppenleiter: Angst ist ein starker Lebensfaktor. Die Corona unterstreicht das nur.
anne.c - 11. Aug, 22:30