Meine Reise in die Ukraine vom 14. bis zum 23. Juni 2019 (Teil 6)
Die ukrainische Reiseleiterin hat uns oft darauf hingewiesen, wie friedlich jetzt die verschiedenen Religionen zusammen leben. Wichtig war es ihr zu betonen, dass es in der Ukraine keinen Antisemitismus gibt. Vor jüdischen Einrichtungen müsste hier keiner Wache halten, wovon wir uns überzeugten. Wir erlebten Franziskanermönche in einer Franziskanerkirche, die hauptsächlich von Polen besucht wird. Die römisch Katholischen haben wenige Mitglieder, die aber außerordentlich eifrig im Kirchenbesuch sind, so dass oft 3 Gottesdienste am Sonntag stattfinden. Wir hörten, dass auf der Klosterkirche der Franziskaner eine Jesusfigur steht, die die Sowjets zerstören wollten, und Juden hielten „Jesus“ die Sowjetzeit über bei sich versteckt, bis er nach dem Umbruch wieder ans Tages-licht durfte. Die Franziskaner haben jüdische Sterne in ihren Kirchenbänken eingeschnitzt. Auch retteten sie während der deutschen Besatzung mehrere Gegenstände aus der Synagoge.
Wir sprachen mit Juden aus den hiesigen Gemeinden und sahen chassidische Juden aus dem Ausland. Es hätte mich interessiert, welche Berührungspunkte die heutigen ukrainischen Juden mit den auf uns folkloristisch wirkenden Chassiden haben, die alte jüdische Traditionen wie Singen, Tanzen, Rabbinerverehrung wieder beleben. Das erfuhr ich nicht. Ein paar Geheimnisse ließ uns die Ukraine. Orthodoxe und Orthodoxes sahen wir viel. Hierbei ist interessant, dass es zwei rivalisierende orthodoxe Strömungen gibt, die einen halten sich strikt an die Zentrale der Orthodoxie – Moskau. Die anderen lehnen alles Russische ab und werben darum, dass sich in der Ukraine eine eigene Zentrale bildet. Aber ich glaube, die Beziehungen zwischen den Religionen, den religiösen Strömungen unter sich, den Atheisten, die sind zu kompliziert, um sie zu durchschauen. Ob Antisemitismus vorhanden ist, das könnte man erst in Krisenzeiten erkennen, aber als wir da waren, wirkte die Ukraine obwohl sie im Kriegszustand ist, außerordentlich friedlich. Nur vor dem Bahnhof Kiew sahen wir junge Männer in Uniform, die wahrscheinlich an die Front abfuhren.
Das Motto unserer Reise hieß übrigens: „Kosakisch, Chassidisch, Adlig“ Unter „Adlig“ waren die Spuren der Polen zu verstehen, die über lange Zeit Besatzungsmacht in der Ukraine waren, und deren Oberschicht, die Adligen, auf Burgen und Herrensitzen die Macht ausübte.

heutiges Bild aus dem jüdischen "Schtetl" Shagorod
alte Synagoge von Shagorod im heutigen Zustand
Auf den jüdischen Spuren bewegte sich die Reisegruppe bewusst, aber ich glaube, man könnte sich einige Wochen in der Ukraine aufhalten, ohne Jüdisches zu entdecken. Wir aber sahen diese Spuren an diesem Nachmittag in einer Straße des Städtchen Shagorod, das uns als „malerisches ehemaliges Schtetl“ vorgestellt wurde. Nun, es war eine normale Dorfstraße, aber wahrscheinlich standen dort besonders viele altertümliche Häuser. Die Straße wurde früher vollständig von Juden bewohnt und soll sogar Hauptstraße von Shagorod gewesen sein. Vielleicht war der Baustil auch etwas anders als in rein ukrainischen Straßen. Ohne seine Bewohner ist es kein Schtetl mehr, bzw man musste viel Vorstellungskraft aufbringen und viele Geschichten aus dem Schtetl gelesen haben (für die folkloristischen Freunde des Schtels wäre das wohl ein Besuch bei „Anatevka“), trotzdem war es eine emotionale Begegnung. Vielleicht auch, weil die Straße sich nicht folkloristisch darstellte. Es gibt immer noch eine kleine jüdische Gemeinde in Shagorod. Das Schicksal der Synagoge ist beispielhaft: Als einmal die Tataren/Türken das Land besetzten, wurde sie zur Moschee, sie war auch schon einmal Schule und Gericht. Vor dem Krieg wurde sie von den Sowjets als Getreidelager umfunktioniert, die deutsche Besatzung überstand das Gebäude, um anschließend unter den Sowjets als Wein- und Saftfabrik zu fungieren. Nach dem Umbruch wollte eine Firma dort weiter Wein produzieren, aber die jüdische Gemeinde meldete ihre Ansprüche an und erreichte, dass sie das umfunktionierte Gebäude zurück bekamen und müssen es nun aber Stück für Stück selbst wieder in Stand setzen.
In Shagorod besuchten wir eine kleine Redaktion einer privaten Wochenzeitung. Die Zeitung hat eine Auflage von 3000 Stück und hat die Intention, das Besondere im Alltäglichen zu finden und den Menschen nahe zu bringen. Weiterhin lernten wir ein Haus kennen, in dem Kinder mit Behinderung leben und gefördert werden, kennen, eine Einrichtung die vom Kolpingwerk betrieben wird. Die Leiterin erzählte, wie es zur Gründung des Hauses kam. Wir sahen Kinder im Rollstuhl sitzend, und ein Junge sagte fröhlich einige englische Worte zu mir. Gerade war eine kleine Gruppe Deutscher aus Czernovitz (?) angekommen, die Hilfsgüter brachte. Vorher, in Tarnopol, hatte ich schon einen Rot-Kreuz-Wagen gesehen, ein Hilfstransport aus dem Emsland. „Das machen wir schon seit 25 Jahren“, sagte mir der Fahrer.
/Fortsetzung folgt)
Wir sprachen mit Juden aus den hiesigen Gemeinden und sahen chassidische Juden aus dem Ausland. Es hätte mich interessiert, welche Berührungspunkte die heutigen ukrainischen Juden mit den auf uns folkloristisch wirkenden Chassiden haben, die alte jüdische Traditionen wie Singen, Tanzen, Rabbinerverehrung wieder beleben. Das erfuhr ich nicht. Ein paar Geheimnisse ließ uns die Ukraine. Orthodoxe und Orthodoxes sahen wir viel. Hierbei ist interessant, dass es zwei rivalisierende orthodoxe Strömungen gibt, die einen halten sich strikt an die Zentrale der Orthodoxie – Moskau. Die anderen lehnen alles Russische ab und werben darum, dass sich in der Ukraine eine eigene Zentrale bildet. Aber ich glaube, die Beziehungen zwischen den Religionen, den religiösen Strömungen unter sich, den Atheisten, die sind zu kompliziert, um sie zu durchschauen. Ob Antisemitismus vorhanden ist, das könnte man erst in Krisenzeiten erkennen, aber als wir da waren, wirkte die Ukraine obwohl sie im Kriegszustand ist, außerordentlich friedlich. Nur vor dem Bahnhof Kiew sahen wir junge Männer in Uniform, die wahrscheinlich an die Front abfuhren.
Das Motto unserer Reise hieß übrigens: „Kosakisch, Chassidisch, Adlig“ Unter „Adlig“ waren die Spuren der Polen zu verstehen, die über lange Zeit Besatzungsmacht in der Ukraine waren, und deren Oberschicht, die Adligen, auf Burgen und Herrensitzen die Macht ausübte.

heutiges Bild aus dem jüdischen "Schtetl" Shagorod

alte Synagoge von Shagorod im heutigen Zustand
Auf den jüdischen Spuren bewegte sich die Reisegruppe bewusst, aber ich glaube, man könnte sich einige Wochen in der Ukraine aufhalten, ohne Jüdisches zu entdecken. Wir aber sahen diese Spuren an diesem Nachmittag in einer Straße des Städtchen Shagorod, das uns als „malerisches ehemaliges Schtetl“ vorgestellt wurde. Nun, es war eine normale Dorfstraße, aber wahrscheinlich standen dort besonders viele altertümliche Häuser. Die Straße wurde früher vollständig von Juden bewohnt und soll sogar Hauptstraße von Shagorod gewesen sein. Vielleicht war der Baustil auch etwas anders als in rein ukrainischen Straßen. Ohne seine Bewohner ist es kein Schtetl mehr, bzw man musste viel Vorstellungskraft aufbringen und viele Geschichten aus dem Schtetl gelesen haben (für die folkloristischen Freunde des Schtels wäre das wohl ein Besuch bei „Anatevka“), trotzdem war es eine emotionale Begegnung. Vielleicht auch, weil die Straße sich nicht folkloristisch darstellte. Es gibt immer noch eine kleine jüdische Gemeinde in Shagorod. Das Schicksal der Synagoge ist beispielhaft: Als einmal die Tataren/Türken das Land besetzten, wurde sie zur Moschee, sie war auch schon einmal Schule und Gericht. Vor dem Krieg wurde sie von den Sowjets als Getreidelager umfunktioniert, die deutsche Besatzung überstand das Gebäude, um anschließend unter den Sowjets als Wein- und Saftfabrik zu fungieren. Nach dem Umbruch wollte eine Firma dort weiter Wein produzieren, aber die jüdische Gemeinde meldete ihre Ansprüche an und erreichte, dass sie das umfunktionierte Gebäude zurück bekamen und müssen es nun aber Stück für Stück selbst wieder in Stand setzen.
In Shagorod besuchten wir eine kleine Redaktion einer privaten Wochenzeitung. Die Zeitung hat eine Auflage von 3000 Stück und hat die Intention, das Besondere im Alltäglichen zu finden und den Menschen nahe zu bringen. Weiterhin lernten wir ein Haus kennen, in dem Kinder mit Behinderung leben und gefördert werden, kennen, eine Einrichtung die vom Kolpingwerk betrieben wird. Die Leiterin erzählte, wie es zur Gründung des Hauses kam. Wir sahen Kinder im Rollstuhl sitzend, und ein Junge sagte fröhlich einige englische Worte zu mir. Gerade war eine kleine Gruppe Deutscher aus Czernovitz (?) angekommen, die Hilfsgüter brachte. Vorher, in Tarnopol, hatte ich schon einen Rot-Kreuz-Wagen gesehen, ein Hilfstransport aus dem Emsland. „Das machen wir schon seit 25 Jahren“, sagte mir der Fahrer.
/Fortsetzung folgt)
anne.c - 24. Aug, 09:53