Samstag, 1. Juli 2017

Bericht über eine Tagung: „Antisemitismus in den Medien“ (Teil 2)

Erste Eindrücke

Die Tagung bestand in der Hauptsache aus 4 Referaten, die jeweils mit einer Diskussionsrunde beendet wurden. Am Anfang gab es eine thematische Einführung des Tagungsleiters, später eine Gruppenarbeit der Teilnehmer, die allerdings aus Zeitgründen nicht ausgewertet wurde. Ein Vortrag des Tagungsleiters über das Wirken von Uwe Johnson, der in dieser Stadt zur Schule gegangen war, ergänzte die Tagung. Dieser Vortrag befasste sich speziell mit Ereignissen, die Johnson rund um den 9. November literarisch verarbeitet hatte. Gut fand ich, dass es keine Antisemitismusveranstaltung ohne Juden war, sondern dass am Sonntag Vormittag sowohl der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Rostock Juri Rosov und der Redakteur der „Jüdischen Allgemeinen“ Michael Wuliger anwesend waren.

Ein Soziologe und Kulturwissenschaftler, der am Zentrum für Antisemitismusforschung an der TU Berlin forscht, hielt einen Vortrag über "…Gegenwart, öffentliche Thematisierung und Behandlung von Antisemitismus“ - ein sperriger Oberbegriff. Ebenso sperrig war sein Referat, das zwar kompetent, aber sehr Allgemein gehalten wurde. Viele Debatten und Protagonisten der letzten Jahrzehnte wurden gestreift, aber kaum im Einzelnen analysiert: Grass, Walser, Elsässer. Und Jakob Augstein spielte im Lauf der Tagung immer wieder eine Rolle.

Der Referent des Abends meinte, dass „rechter“ Antisemitismus der häufigste sei, dass aber die Gesellschaft von „rechts nach links“ nicht gefeit dagegen sei. Er gab Beispiel für Redensarten und Denkmuster, die antisemitische Haltungen kennzeichnen. Er sprach über die Tabuisierung des Antisemitismus nach 1945, der danach in anderer Form, aber im Grunde ähnlichen Geistes, wieder zu Tage kam. Muslimischer Antisemitismus wurde nicht verschwiegen, doch weitgehend marginalisiert. Dass heutiger Antisemitismus unter Muslimen oft mit dem Nahostkonflikt zusammen hängt, und überhaupt, dass fälschlicherweise europäische Juden sehr oft für das vom Dozenten vermeinte Unrecht des Nahostkonfliktes verantwortlich gemacht werden, war eine seiner Thesen. Das sehe ich - analog zu der Beurteilung des aktuellen Antisemitismusfilms, der übrigens mehrmals erwähnt wurde – als „handwerklichen Fehler“. Wer sich ernsthaft mit Antisemitismus befasst, sollte sich die Frage stellen, warum in vielen Teilen der Bevölkerung manisch und besessen auf den Nahostkonflikt gestarrt wird. Diese Überlegungen ergaben sich im Verlauf der Tagung von selbst. Überhaupt kam in den Tagen – sicher nicht beabsichtigt, aber zwangsläufig – immer wieder das Thema Israel zur Sprache.

Die Meinung des jungen Wissenschaftlers, dass es in Bezug auf Antisemitismus eine Vermengung verschiedener Faktoren gäbe, die mit der Lebenserfahrung des einzelnen Menschen zusammenhinge, und die man sozusagen aufbrechen und in die Bestandteile zerlegen solle, hätte ich nicht akzeptiert. Wie ist es möglich, was im Einzelnen und was in der Gesellschaft schlummert, mit Wahrhaftigkeit auseinander zu dividieren? Antisemitismus ist etwas, was von den äußeren Bedingungen nicht abhängt, die ewigen Stereotype und Grundmuster wurden uns ja im Laufe der Vorträge recht gut dargelegt.
(Fortsetzung folgt)

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