Geschichte: In einer kleinen Stadt in Mähren (Teil 3)
Der bedeutendste Sohn der Stadt
aus dem letzten Jahrhundert war der Maler Miroslav Tichý. Lange war er nur ein in dieser Stadt bekannter Einzelgänger, ein „Stadtstreicher“, ein „schwarzer Mann“, der manchmal den Kindern, die sich nicht waschen wollten, von Müttern als abschreckendes Beispiel gezeigt wurde. Die Geschichte ist wahrlich nicht spurlos an ihm vorbei gegangen, ja sie hat ihn wohl zu dem gemacht, der er dann geworden ist. Ein akademisch ausgebildeter Maler, der abrupt aufgehört hatte zu malen, und der wegen seines Einzelgängertums sowohl im kommunistischen Gefängnis als auch wiederholt in der Psychiatrie gelandet war.
Als ich ihn kennen lernte, vor mehr als 40 Jahren, war er bereits in einer Phase, wo er sich nie wusch und immer die gleiche, vor Schmutz starrende, mit Draht geflickte Kleidung trug und in einem Schuppen auf dem Hof seines Elternhauses wohnte. Er war dafür bekannt, dass er aus Materialien aus dem Müll selbst Kameras bastelte und damit Frauen im Schwimmbad oder auf dem Sportplatz fotografierte. Er hatte ein sehr angenehmes Wesen und freundliche, intelligente Gesichtszüge. Seine Zeit verbrachte er außer mit Fotografieren damit, dass er in der Stadt mit einigen ihm gut bekannten Menschen philosophierte. Ich habe ihn oft besucht. Seine Mutter servierte in der blitzsauberen Küche schwarzen, süßen Kaffee und Herr Tichý saß wie ein Wesen aus einer anderen Welt, aber nicht wie ein Fremdkörper dabei, und wir plauderten meist über die aktuelle Weltlage.

Vor jedem staatlichen Feiertag wurde Herr Tichý in die Psychiatrie eingeliefert, damit etwa verirrte Österreicher nicht bei einer 1. Mai-Feier entdecken, was für „verwahrloste“ Menschen es in der Tschechoslowakei gibt. Immer bangte ich, ob er nicht nach dem Tod der Mutter aus seinem Haus vertrieben und für immer eingesperrt werden wird. Die Mutter hielt durch bis zum Jahr 1989, und danach wurde Herr Tichý nicht mehr behelligt.
Ja, und im Jahr 2004 schlug ich eines Tages die „Zeit“ auf und stieß einen Schrei aus: Ein ganzes Dossier war Herrn Tichý gewidmet, er war „entdeckt“ und über Nacht weltberühmt geworden! Nicht seine Gemälde, sondern seine originellen, verschwommenen Fotografien hatten ihn berühmt gemacht, und es gab Ausstellungen in New York, Mailand, Paris, Berlin, Peking, Tokyo, um nur einige zu nennen..
Den späten Ruhm hat er kaum noch genießen können. In den letzten Jahren war durch Krankheit und durch seine Lebensweise geschwächt. Und so ist Herr Tichý, einst ein Stadtoriginal, nun ein Mensch der Stadtgeschichte, über den Bücher in der Stadtinformation angeboten werden.

Herrn Tichýs Betreuerin, die sich um ihn seinen letzten Jahren kümmerte und seine Erbin wurde, möchte, dass Herr Tichý ein würdiges Denkmal bekommt. Genauso möchte es sein Förderer, der für seine Entdeckung sorgte, ein Schweitzer mit Wurzeln in dieser Kleinstadt. Die Betreuerin ließ Herr Tichýs Haus, wo sein Vater eine Schneiderwerkstatt hatte, aufwändig reparieren und die Inschrift Salon daran anbringen. Der Schweitzer richtete gleich nebenan, in seinem Elternhaus, ein Schaufenster ein, das schon etwas verwahrlost ist und Herrn Tichý authentisch präsentieren soll.

Beide Würdigungen werden ihm nicht gerecht.
aus dem letzten Jahrhundert war der Maler Miroslav Tichý. Lange war er nur ein in dieser Stadt bekannter Einzelgänger, ein „Stadtstreicher“, ein „schwarzer Mann“, der manchmal den Kindern, die sich nicht waschen wollten, von Müttern als abschreckendes Beispiel gezeigt wurde. Die Geschichte ist wahrlich nicht spurlos an ihm vorbei gegangen, ja sie hat ihn wohl zu dem gemacht, der er dann geworden ist. Ein akademisch ausgebildeter Maler, der abrupt aufgehört hatte zu malen, und der wegen seines Einzelgängertums sowohl im kommunistischen Gefängnis als auch wiederholt in der Psychiatrie gelandet war.
Als ich ihn kennen lernte, vor mehr als 40 Jahren, war er bereits in einer Phase, wo er sich nie wusch und immer die gleiche, vor Schmutz starrende, mit Draht geflickte Kleidung trug und in einem Schuppen auf dem Hof seines Elternhauses wohnte. Er war dafür bekannt, dass er aus Materialien aus dem Müll selbst Kameras bastelte und damit Frauen im Schwimmbad oder auf dem Sportplatz fotografierte. Er hatte ein sehr angenehmes Wesen und freundliche, intelligente Gesichtszüge. Seine Zeit verbrachte er außer mit Fotografieren damit, dass er in der Stadt mit einigen ihm gut bekannten Menschen philosophierte. Ich habe ihn oft besucht. Seine Mutter servierte in der blitzsauberen Küche schwarzen, süßen Kaffee und Herr Tichý saß wie ein Wesen aus einer anderen Welt, aber nicht wie ein Fremdkörper dabei, und wir plauderten meist über die aktuelle Weltlage.

Vor jedem staatlichen Feiertag wurde Herr Tichý in die Psychiatrie eingeliefert, damit etwa verirrte Österreicher nicht bei einer 1. Mai-Feier entdecken, was für „verwahrloste“ Menschen es in der Tschechoslowakei gibt. Immer bangte ich, ob er nicht nach dem Tod der Mutter aus seinem Haus vertrieben und für immer eingesperrt werden wird. Die Mutter hielt durch bis zum Jahr 1989, und danach wurde Herr Tichý nicht mehr behelligt.
Ja, und im Jahr 2004 schlug ich eines Tages die „Zeit“ auf und stieß einen Schrei aus: Ein ganzes Dossier war Herrn Tichý gewidmet, er war „entdeckt“ und über Nacht weltberühmt geworden! Nicht seine Gemälde, sondern seine originellen, verschwommenen Fotografien hatten ihn berühmt gemacht, und es gab Ausstellungen in New York, Mailand, Paris, Berlin, Peking, Tokyo, um nur einige zu nennen..
Den späten Ruhm hat er kaum noch genießen können. In den letzten Jahren war durch Krankheit und durch seine Lebensweise geschwächt. Und so ist Herr Tichý, einst ein Stadtoriginal, nun ein Mensch der Stadtgeschichte, über den Bücher in der Stadtinformation angeboten werden.

Herrn Tichýs Betreuerin, die sich um ihn seinen letzten Jahren kümmerte und seine Erbin wurde, möchte, dass Herr Tichý ein würdiges Denkmal bekommt. Genauso möchte es sein Förderer, der für seine Entdeckung sorgte, ein Schweitzer mit Wurzeln in dieser Kleinstadt. Die Betreuerin ließ Herr Tichýs Haus, wo sein Vater eine Schneiderwerkstatt hatte, aufwändig reparieren und die Inschrift Salon daran anbringen. Der Schweitzer richtete gleich nebenan, in seinem Elternhaus, ein Schaufenster ein, das schon etwas verwahrlost ist und Herrn Tichý authentisch präsentieren soll.

Beide Würdigungen werden ihm nicht gerecht.
anne.c - 5. Jun, 17:51