Donnerstag, 13. November 2014

Was würde Tuvia Tenenbom dazu sagen?

Angeregt durch Berichte über einen Gerichtsprozess, bei dem Tuvia Tenenbom (siehe Blogeinträge vom 1.1.13 und 24.2.13) als Zeuge auftrat, las ich das Buch "Allein unter Deutschen" dieses jüdisch-amerikanischen Schriftstellers " noch einmal.

Aus meiner Rezension vom 1.1.13:
"Das Buch erzählt, wie sein Autor, dieser beleibte, freundliche, arglose, neugierige und sich unbedarft gebende Amerikaner durch die deutschen Lande zieht und mit Menschen ins Gespräch kommt. Die Interviewten unterschiedlichsten Typus haben immer wieder eins gemeinsam: Egal, was der Anlass des Gesprächs ist, egal wie harmlos die Unterhaltung beginnt, fast wie Marionetten gelenkt kommen die Gesprächspartner bald auf ein Thema, nämlich Juden, Holocaust und Israel zu sprechen. Dabei verheddern sie sich in ihren jeweils eigenen Logiken und beim Versuch, diese zu entwirren werden ihre Statements meist immer absurder. Das Buch schildert fast ausschließlich Szenen solcher Art, so dass man sich fragt: Hat Tenenbom das wirklich alles so erlebt? Ist nicht manches doch konstruiert? Das fragte ich mich also, und dann fielen mir, je länger ich nachdachte, desto mehr ähnliche Szenen ein, die ich in verschiedenen Varianten und in verschieden Milieus selbst erlebt habe. Schließlich fragte ich mich: Woher weiß Tuvia Tenenbom das alles, ich habe ihm doch gar nichts erzählt?"

Viele Szenen könnte ich erzählen, wie bei Unterhaltungen, bei Buchbesprechungen, in Bibelstunden aus heiterem Himmel das Gespräch auf eben jene Themen kam. Die Unterschiedlichkeit zu den Szenen, die Tenenboim schildert, liegt darin, dass in jenen Unterhaltungen, die ich erlebte, das Gespräch - wenn man fast zwanghaft auf Juden, Holocaust, Israel gekommen war -, blitzschnell wieder abgebrochen wurde im Wissen, dass man sich auf ein unsicheres Terrain begibt und sich eventuell bloß stellen könnte, während Tenenboim bohrt und bohrt und den Leuten das entlockt, was sie eigentlich gar nicht haben sagen wollen.

Am Sonntag, dem 9.11., wurde im Radio des 25. Jahrestages des Mauerfalls gedacht. Während des Frühstücks hörte ich die Sendung "Am Sonntagmorgen". Die Sendung wollte zum Ausdruck bringen, welch großartige Chancen auf Grund dessen, dass die Mauer fiel, Menschen eröffnet worden sind. In diesem Fall handelte es sich um einen Mann, der als Jugendlicher Repressalien in der DDR zu erleiden hatte, und der nach dem Mauerfall dank guter Studienmöglichkeiten zum Professor für Theologie und Archäologie wurde. Sei Lebensweg war wirklich beachtlich und interessant, aber prompt landete er in Jerusalem, wo er nichts besseres zu tun hatte, als auf die dortige Mauer hinzuweisen, hinter der es schlechte Lebenschancen und wenige Arbeitsmöglichkeiten gibt. Nähere Hinweise dazu gab er nicht, das überließ er der Phantasie des Zuhörers. Gern hätte ich anschließend noch ein Gespräch Tuvia Tenenboms mit jenem Professor gehört in dem Tuvia in altbewährter Weise so wie im Buch seine hartnäckig "naiven" Fragen stellt.

Sollte jemand meinen, dass dieser Professor, der dank seiner Chancen und seiner Bildung zum Leiter bedeutender archäologischer Projekte in Jerusalem geworden ist, gar nicht umhin kann, als die dortige Mauer zu erwähnen, dann würde ich antworten: Warum muss am Tag des Mauerfalls ausgerechnet im Radio eine Sendung laufen, die prompt zur israelischen Mauer hinführt? Oder wie Tuvia bemerken würde: "Ich kann es gar nicht glauben, dass wir schon wieder bei den Juden sind!"

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