Freitag, 17. Januar 2014

Zum Tod von Ariel Sharon (Teil II)

Fortsetzung vom 14.1.2014

Mit der Feststellung, dass Sharon polarisiert habe, führt Teichmann den Zuhörer auf eine falsche Spur. Polarisiert hat Sharon durchaus, aber innerhalb der israelischen Bevölkerung. Die Beschreibung, dass er "in Israel an vielen Stellen als ein Held verehrt würde, während er bei den Palästinensern verhasst war", lässt die Vorstellung von einem homogenen Israel, das den Kriegshelden verehrt und den Palästinensern, die verständlicherweise diesen Kriegshelden hassen, aufkommen. Dass Sharon beim Deutschlandfunk als nichts anderes als ein Kriegstreiber gesehen wird, geht aus der im Kommentar erstellten Definition hervor, er sei der "Stärkere, der sich rücksichtslos mit militärischer Gewalt durchsetzt".

Das ist eine mehr als grob verzerrende Darstellung, sowohl des Charakters Sharons, als auch des Verlaufs der Kriege in Israel. Dem Zuhörer wird die Vorstellung vermittelt, dass Kriege in Israel durch solch rücksichtslose Kriegstreiber ausgelöst wurden, die noch nichts von der "neuen Politik für eine andere Zeit" wussten und wissen wollten. In Wirklichkeit war der Jom Kippur Krieg jedoch ein reiner Überraschungsangriff der syrischen und ägyptischen Armeen auf Israel, der "stärkeren Armeen, die sich rücksichtslos mit militärischer Gewalt" hatten durchsetzen wollen, also nach "alten Denkmustern" handelten. Dank Sharons Eingreifen, das in der Tat entgegen dem Befehl seiner Vorgesetzten erfolgte, wurde Israel maßgeblich durch Sharon vor der Vernichtung bewahrt, denn den Willen, Israel zu vernichten, haben arabische Führer immer wieder kund getan und tun es bis heute. Wie die syrische Armee heute mit ihren Gegnern umgeht, erleben wir Tag für Tag, und Herr Teichmann nimmt keine Notiz davon - hier merkt man leider wenig von neuen "Denkmustern".

Wenn man es genau betrachtet, diese Charakteristika: "Rücksichtslosigkeit ist ein Teil des Spiels" und "der Stärkere setzt sich mit militärischer Gewalt durch", die angeblich das Wichtigste sind, was über Sharon zu sagen ist, dann waren das genau die Strategien, derer sich die deutsche Armee im zweiten Weltkrieg stets bediente - in welchen Maß, darüber weiß jedermann Bescheid. Mir scheint es, dass die deutsche Medienlandschaft von der der DLF ein repräsentativer Teil ist, ihren Konsumenten immer wieder den Gefallen tut, die eigene Geschichte von der eigenen Schuld rein zu waschen, indem sie die deutsche Eigenschaften aus der Vergangenheit denen zuschiebt, die damals unter den Deutschen am meisten gelitten haben, den Juden, die in ihren Gesamtheit und über die geographischen Grenzen des Landes hinaus, den jüdischen Staat Israel korporativ bilden.

Abschließend soll eine kleine, selbst erlebte Anekdote, bei der es ausgerechnet um Sharon ging, aufschlüsseln, welche Wirkung eine solche Art von Dauerberieselung letztlich an den Tag bringt: Bei einem harmlosen Kaffeetrinken fing ein netter Mensch plötzlich an, furchtbar auf Sharon zu schimpfen, es war noch zu Sharons aktiver politischer Zeit. "Der ist wie Hitler!", war seine Schlussfolgerung. Ich fragte, ob Sharon auch Gaskammern errichtet hat, in denen er Menschen zu Tausenden ermordet. Die prompte Antwort war: "Er würde es gerne, wenn er es nur könnte!" Aha, dachte ich - so funktioniert es also!

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