Zum Tod von Ariel Sharon (Teil I)
In den letzten Jahren kam es immer einmal vor, dass mir der Gedanke durch den Kopf schoss: "Lebt Ariel Sharon eigentlich noch?" und weiter: "Das kann ja gar nicht sein, dass er nach den zwei Schlaganfällen immer noch im Koma liegt! Aber wenn er gestorben wäre, hätte man es doch gehört?"
Nun ist er, nachdem er acht Jahre lang im Wachkoma gelegen hat, gestorben. Man könnte sich Gedanken machen, was es bedeutet, wenn ein Mensch im Koma liegt - dass er da ist und auch wieder nicht da ist. Ob sein Geist noch über allem schwebt, ob er das, was seine Familie ihm erzählt, mitbekommt? Ob es von öffentlicher Bedeutung war, dass Sharon am Leben und im Verborgenen anwesend war? Sicher ist, dass erst die Tatsache seines endgültigen Todes öffentliche Aufregung, Bestürzung, Gedenken und Trauer hervor gerufen hat. Schwer kann ich beurteilen, ob die Aufregung in Israel genauso groß war wie in Deutschland. In den Nachrichten und Kommentaren hier wurde diesem Tod viel Aufmerksamkeit gewidmet. Ähnlich große Aufmerksamkeit widmete ich den Nachrichten und Kommentaren selbst, da ja hinter diesen immer verborgene Botschaften heraus zu hören und zu lesen sind.
Der Grundton der Berichterstattung lautete, dass Sharon ein Mann war, der polarisierte, der einen großen Einfluss in und auf Israel hatte, der einer der letzten "Gründerväter" der Nation war. Von seinen "Taten" wurden immer wieder drei erwähnt - seine Passivität während der Massaker von Sabra und Shatila (wobei diese Passivität oft so überhöht geschildert wurde, dass es den Zuhörenden so erschien, als wäre er für diese Massaker verantwortlich), sein "Gang auf den Tempelberg", der - so zumindest der Anschein - die zweite Intifada ausgelöst habe und die Räumung der Siedlungen im Gazastreifen, die auf seine Veranlassung und durch seinen Willen erfolgte. Immer blieb für den Zuhörer eine Diskrepanz zwischen der Sharon zugedachten großen Rolle für die Nation und seinen geschilderten "Taten". Wahrscheinlich liegt das daran, dass seine wirklich großen Taten für sein Volk fast immer unterschlagen wurden, z. B. seine überragende Rolle bei der überraschenden Wende zugunsten Israels im Jom-Kippur-Krieg 1973, die wahrscheinlich die Existenz Israels bewahrte.
Der Kommentar von Torsten Teichmann im DLF am 12.01. in der Abendberichterstattung erscheint mir so aussagekräftig für das Bild, das die Kommentare übermitteln, dass ich ihn kurz schildern möchte:
Teichmann gab zuerst bekannt, dass Sharon polarisierte: In Israel wird er an vielen Stellen als ein Held verehrt, bei den Palästinensern ist er verhasst, weil er als "Vater der Siedlungen" gilt". Seine Entscheidungen waren nicht immer richtig (ohne nähere Angaben). Die Zusammenfassung von Sharons Verhaltensweisen wurde brav aufgeschlüsselt:
1. Der Stärkere setzt sich durch militärische Gewalt durch und 2. Rücksichtslosigkeit ist ein Teil des Spiels.
Weiterhin erwähnte Teichmann Sabra und Shatila, "wofür ihm nie der Prozess gemacht wurde", und den Gang auf den Tempelberg, der Stärke hätte demonstrieren sollen. Die Räumung der Siedlungen von Gaza wären nur eine scheinbare Ausnahme seines Verhaltens, denn die bezweckten nur die Stabilisierung der Macht im Westjordanland.
Das Resümee des Kommentars war: Israel solle seine Denkmuster überprüfen und das Land brauche eine neue Politik für eine andere Zeit.
(Fortsetzung folgt)
Nun ist er, nachdem er acht Jahre lang im Wachkoma gelegen hat, gestorben. Man könnte sich Gedanken machen, was es bedeutet, wenn ein Mensch im Koma liegt - dass er da ist und auch wieder nicht da ist. Ob sein Geist noch über allem schwebt, ob er das, was seine Familie ihm erzählt, mitbekommt? Ob es von öffentlicher Bedeutung war, dass Sharon am Leben und im Verborgenen anwesend war? Sicher ist, dass erst die Tatsache seines endgültigen Todes öffentliche Aufregung, Bestürzung, Gedenken und Trauer hervor gerufen hat. Schwer kann ich beurteilen, ob die Aufregung in Israel genauso groß war wie in Deutschland. In den Nachrichten und Kommentaren hier wurde diesem Tod viel Aufmerksamkeit gewidmet. Ähnlich große Aufmerksamkeit widmete ich den Nachrichten und Kommentaren selbst, da ja hinter diesen immer verborgene Botschaften heraus zu hören und zu lesen sind.
Der Grundton der Berichterstattung lautete, dass Sharon ein Mann war, der polarisierte, der einen großen Einfluss in und auf Israel hatte, der einer der letzten "Gründerväter" der Nation war. Von seinen "Taten" wurden immer wieder drei erwähnt - seine Passivität während der Massaker von Sabra und Shatila (wobei diese Passivität oft so überhöht geschildert wurde, dass es den Zuhörenden so erschien, als wäre er für diese Massaker verantwortlich), sein "Gang auf den Tempelberg", der - so zumindest der Anschein - die zweite Intifada ausgelöst habe und die Räumung der Siedlungen im Gazastreifen, die auf seine Veranlassung und durch seinen Willen erfolgte. Immer blieb für den Zuhörer eine Diskrepanz zwischen der Sharon zugedachten großen Rolle für die Nation und seinen geschilderten "Taten". Wahrscheinlich liegt das daran, dass seine wirklich großen Taten für sein Volk fast immer unterschlagen wurden, z. B. seine überragende Rolle bei der überraschenden Wende zugunsten Israels im Jom-Kippur-Krieg 1973, die wahrscheinlich die Existenz Israels bewahrte.
Der Kommentar von Torsten Teichmann im DLF am 12.01. in der Abendberichterstattung erscheint mir so aussagekräftig für das Bild, das die Kommentare übermitteln, dass ich ihn kurz schildern möchte:
Teichmann gab zuerst bekannt, dass Sharon polarisierte: In Israel wird er an vielen Stellen als ein Held verehrt, bei den Palästinensern ist er verhasst, weil er als "Vater der Siedlungen" gilt". Seine Entscheidungen waren nicht immer richtig (ohne nähere Angaben). Die Zusammenfassung von Sharons Verhaltensweisen wurde brav aufgeschlüsselt:
1. Der Stärkere setzt sich durch militärische Gewalt durch und 2. Rücksichtslosigkeit ist ein Teil des Spiels.
Weiterhin erwähnte Teichmann Sabra und Shatila, "wofür ihm nie der Prozess gemacht wurde", und den Gang auf den Tempelberg, der Stärke hätte demonstrieren sollen. Die Räumung der Siedlungen von Gaza wären nur eine scheinbare Ausnahme seines Verhaltens, denn die bezweckten nur die Stabilisierung der Macht im Westjordanland.
Das Resümee des Kommentars war: Israel solle seine Denkmuster überprüfen und das Land brauche eine neue Politik für eine andere Zeit.
(Fortsetzung folgt)
anne.c - 14. Jan, 17:54