Begegnung mit Ruven Moskovic (Teil 5)
Dann las er in nicht zusammenhängender Abfolge Passagen aus seinem Buch vor. Hauptsächlich Abschnitte biografischer Art, weniger die geschichtlichen Abrisse. Dafür um so eindrücklicher seine Gedanken und Ansichten über den Staat Israel und dessen Verhältnis zu den Palästinensern und nicht zuletzt einen Lobgesang auf das deutsche friedensbewegte Volk.
Da ich das Buch gründlich gelesen hatte, fiel es mir schwer zu beurteilen, wie diese isolierten Ausschnitte auf einen unvoreingenommenen Menschen wirken mussten. Für mich war es weniger interessant, was uns Ruven vorlas, sondern vielmehr wie es auf die Besucher wirkte, wie sie reagierten. Das kam besser in der anschließenden Fragestunde zum Vorschein. Meine Augen gingen ständig in der Runde herum. Die Leute hielten sich bedeckt, vielleicht konnte man Verwunderung in ihren Blicken lesen, sie konnten Ruven nicht einordnen. Vergeblich suchte ich nach skeptischen Blicken oder nach Empörung oder wenigstens jemanden, der sich lustig machen würde. In der Runde fand ich niemanden, der mir gleichgesinnt schien, und das hatte zur Folge, dass ich selbst an meinem Verstand zu zweifeln begann. So schrieb ich Fragen und Antworten auf.
Wenn Ruven sich nicht ganz in der Kontrolle hatte, kamen teilweise absurde Dinge zutage wie: „Uns (den Israeli) hätte das gleiche passieren können wie den Deutschen, d. h. der Holocaust ist etwas, was den Deutschen „passiert“ ist und könnte den Israeli mit den Arabern genauso „passiert“ sein, wenn nicht einige friedensliebende Menschen wie er das Schlimmste verhindert hätten. Hierzu muss man anmerken, dass aus Ruvens Buch hervorgeht, dass er sich in Israel mit allen Gruppen und Bewegungen einschließlich der Friedensbewegung verkracht hat. Den ehemaligen Bürgermeister von Jerusalem, Teddy Kollek bezeichnete er als „Einäugiger unter den Blinden“, und es gab keinen Zweifel daran, dass es in ganz Israel nur einen „Zweiäugigen“ gab, nämlich Ruven selbst…
Die Fragen der Zuhörer waren brav, beeindruckt und ehrfurchtsvoll: „Nennen sie uns Beispiele, wie man den ewigen Teufelskreis der Schuldzuweisung durchbricht.“, „Sind sie auch schon einmal auf unverbesserlich „Böse“ zugegangen?“ - „Wie begegnet man Hass und Menschen, die davon überzeugt sind, ausschließlich im Besitz der Wahrheit zu sein?“ - „Spielt nicht die Angst im israelisch-arabischen Konflikt eine Rolle?“ - "Wie konnte aus so einer harten Kindheit ein „Mann des Friedens“ hervorgehen?“
Die Antworten schüttelte Ruven leicht aus dem Ärmel. Es war eine Sammlung von wohltönenden Bekenntnissen, die die Realität vergessen lassen, dafür aber irgendwie wonnevoll und unbestimmt in die Herzen fallen, die sich nach dem Guten, nach Versöhnung und vor allem nach Frieden sehnen. Aber selbst bei diesen rhetorischen Bekenntnissen fand ich keinen einzigen Satz, der mich gefesselt hätte. Hinter allem, was von Ruven kam, spürte ich eine Leere, bzw. dass das Gesagte eigentlich etwas ganz anderes meinte. Vermutlich etwas Triviales, Persönliches wie: „Seht, was für einen wunderbareren Menschen Sie vor sich haben!“ Ruven bezeichnete sich gern als einen „verrückten Träumer“.
So fragte ich meine Freundin, was das wohl für Menschen im Publikum seien. Sie hatte mehrere Leute aus evangelischen Kreisen erkannt, einige Lehrer, Leute aus dem christlich-jüdischen Forum und aus Friedenskreisen. Die Sympathisanten der palästinensisch-deutschen Gesellschaft waren heraus zuerkennen. Sie hatten einen deutlich anderen Gesichtsausdruck und blieben allesamt stumm. Die Fragen und das Auftreten der ergriffenen Zuhörer ließen keine Abneigung gegen Juden oder gegen Israel erkennen. Es herrschte einfach ein beeindrucktes Staunen. Ruven hatte schnell erkannt, dass keiner von den lästigen „Schwärmern“ im Publikum war. Solche Menschen gibt es nämlich auch in Deutschland. Besonders oft war er ihnen auf Kirchentagen begegnet, wenn er seine privaten „Friedensforen“ abhielt, in denen er die Leute über den Unrechtsstaat Israel aufklärte, und die hatten ihm mit „unkritischer Schwärmerei für Israel“ manchmal hart zugesetzt. Doch er hatte sie immer eines Besseren belehren können.
Die Veranstaltung fand einen krönenden Abschluss. Ein arabisch aussehender Mann saß im Publikum, er hatte etwas auf dem Herzen, und das sprach er nun aus: Er sei ein in Deutschland lebender Palästinenser, und habe kürzlich versucht, von Amman aus eine Einreiseerlaubnis in den Gaza-Streifen zu bekommen. Das sei ihm aus formellen Gründen verweigert worden. Mein Eindruck war, dass der Mann Ruvens Anliegen gar nicht durchschaut hatte, dass er einfach einem Israeli sein Unrecht klagen wollte. Es war ein guter Anlass und genau das richtige Stichwort, um Ruven in eine solche Empörung ausbrechen zu lassen, dass er jede Vorsicht vergaß und sich in eine regelrechte Hasstirade gegen Israel steigerte, wobei ch merkte, dass das nicht gespielt war. Er endete mit einer Anekdote, die von einem stinkenden Fisch handelte, und dieser Fisch war für ihn das Symbol für die Gerechtigkeit im Staat Israel.
Tief beeindruckt schwiegen die Zuhörer. Gleich darauf wurde es aber lebhaft, denn die Leute beeilten sich, um ein Exemplar von Ruvens Buch zu erwerben. Ein Mann lief besonders schnell zum Rednertisch. Der Zuhörer, der neben mir gesessen hatte, wollte eine witzige Bemerkung machen und sagte zu mir: „Das ist einer von denen, die auf der Autobahn immer rechts überholen“. Ich fragte ein wenig provokativ: „Meinen sie, er will Herrn Moskovic rechts überholen?“ Der Mann konnte mit dieser Bemerkung gar nichts anfangen und sagte: „Wie meinen sie das, das ist doch ein wunderbarer Mensch, wenn es bloß recht viele von dieser Sorte gäbe.“
Es war mir klar, dass ich in dieser Runde keine Chance habe, und so machte ich mich schnellstens auf den Weg nach Hause. Meinem Mann konnte ich bis in alle Details, die ihn nicht besonders überraschten, die Begebenheiten des Abends erzählen.
Fortsetzung folgt
Da ich das Buch gründlich gelesen hatte, fiel es mir schwer zu beurteilen, wie diese isolierten Ausschnitte auf einen unvoreingenommenen Menschen wirken mussten. Für mich war es weniger interessant, was uns Ruven vorlas, sondern vielmehr wie es auf die Besucher wirkte, wie sie reagierten. Das kam besser in der anschließenden Fragestunde zum Vorschein. Meine Augen gingen ständig in der Runde herum. Die Leute hielten sich bedeckt, vielleicht konnte man Verwunderung in ihren Blicken lesen, sie konnten Ruven nicht einordnen. Vergeblich suchte ich nach skeptischen Blicken oder nach Empörung oder wenigstens jemanden, der sich lustig machen würde. In der Runde fand ich niemanden, der mir gleichgesinnt schien, und das hatte zur Folge, dass ich selbst an meinem Verstand zu zweifeln begann. So schrieb ich Fragen und Antworten auf.
Wenn Ruven sich nicht ganz in der Kontrolle hatte, kamen teilweise absurde Dinge zutage wie: „Uns (den Israeli) hätte das gleiche passieren können wie den Deutschen, d. h. der Holocaust ist etwas, was den Deutschen „passiert“ ist und könnte den Israeli mit den Arabern genauso „passiert“ sein, wenn nicht einige friedensliebende Menschen wie er das Schlimmste verhindert hätten. Hierzu muss man anmerken, dass aus Ruvens Buch hervorgeht, dass er sich in Israel mit allen Gruppen und Bewegungen einschließlich der Friedensbewegung verkracht hat. Den ehemaligen Bürgermeister von Jerusalem, Teddy Kollek bezeichnete er als „Einäugiger unter den Blinden“, und es gab keinen Zweifel daran, dass es in ganz Israel nur einen „Zweiäugigen“ gab, nämlich Ruven selbst…
Die Fragen der Zuhörer waren brav, beeindruckt und ehrfurchtsvoll: „Nennen sie uns Beispiele, wie man den ewigen Teufelskreis der Schuldzuweisung durchbricht.“, „Sind sie auch schon einmal auf unverbesserlich „Böse“ zugegangen?“ - „Wie begegnet man Hass und Menschen, die davon überzeugt sind, ausschließlich im Besitz der Wahrheit zu sein?“ - „Spielt nicht die Angst im israelisch-arabischen Konflikt eine Rolle?“ - "Wie konnte aus so einer harten Kindheit ein „Mann des Friedens“ hervorgehen?“
Die Antworten schüttelte Ruven leicht aus dem Ärmel. Es war eine Sammlung von wohltönenden Bekenntnissen, die die Realität vergessen lassen, dafür aber irgendwie wonnevoll und unbestimmt in die Herzen fallen, die sich nach dem Guten, nach Versöhnung und vor allem nach Frieden sehnen. Aber selbst bei diesen rhetorischen Bekenntnissen fand ich keinen einzigen Satz, der mich gefesselt hätte. Hinter allem, was von Ruven kam, spürte ich eine Leere, bzw. dass das Gesagte eigentlich etwas ganz anderes meinte. Vermutlich etwas Triviales, Persönliches wie: „Seht, was für einen wunderbareren Menschen Sie vor sich haben!“ Ruven bezeichnete sich gern als einen „verrückten Träumer“.
So fragte ich meine Freundin, was das wohl für Menschen im Publikum seien. Sie hatte mehrere Leute aus evangelischen Kreisen erkannt, einige Lehrer, Leute aus dem christlich-jüdischen Forum und aus Friedenskreisen. Die Sympathisanten der palästinensisch-deutschen Gesellschaft waren heraus zuerkennen. Sie hatten einen deutlich anderen Gesichtsausdruck und blieben allesamt stumm. Die Fragen und das Auftreten der ergriffenen Zuhörer ließen keine Abneigung gegen Juden oder gegen Israel erkennen. Es herrschte einfach ein beeindrucktes Staunen. Ruven hatte schnell erkannt, dass keiner von den lästigen „Schwärmern“ im Publikum war. Solche Menschen gibt es nämlich auch in Deutschland. Besonders oft war er ihnen auf Kirchentagen begegnet, wenn er seine privaten „Friedensforen“ abhielt, in denen er die Leute über den Unrechtsstaat Israel aufklärte, und die hatten ihm mit „unkritischer Schwärmerei für Israel“ manchmal hart zugesetzt. Doch er hatte sie immer eines Besseren belehren können.
Die Veranstaltung fand einen krönenden Abschluss. Ein arabisch aussehender Mann saß im Publikum, er hatte etwas auf dem Herzen, und das sprach er nun aus: Er sei ein in Deutschland lebender Palästinenser, und habe kürzlich versucht, von Amman aus eine Einreiseerlaubnis in den Gaza-Streifen zu bekommen. Das sei ihm aus formellen Gründen verweigert worden. Mein Eindruck war, dass der Mann Ruvens Anliegen gar nicht durchschaut hatte, dass er einfach einem Israeli sein Unrecht klagen wollte. Es war ein guter Anlass und genau das richtige Stichwort, um Ruven in eine solche Empörung ausbrechen zu lassen, dass er jede Vorsicht vergaß und sich in eine regelrechte Hasstirade gegen Israel steigerte, wobei ch merkte, dass das nicht gespielt war. Er endete mit einer Anekdote, die von einem stinkenden Fisch handelte, und dieser Fisch war für ihn das Symbol für die Gerechtigkeit im Staat Israel.
Tief beeindruckt schwiegen die Zuhörer. Gleich darauf wurde es aber lebhaft, denn die Leute beeilten sich, um ein Exemplar von Ruvens Buch zu erwerben. Ein Mann lief besonders schnell zum Rednertisch. Der Zuhörer, der neben mir gesessen hatte, wollte eine witzige Bemerkung machen und sagte zu mir: „Das ist einer von denen, die auf der Autobahn immer rechts überholen“. Ich fragte ein wenig provokativ: „Meinen sie, er will Herrn Moskovic rechts überholen?“ Der Mann konnte mit dieser Bemerkung gar nichts anfangen und sagte: „Wie meinen sie das, das ist doch ein wunderbarer Mensch, wenn es bloß recht viele von dieser Sorte gäbe.“
Es war mir klar, dass ich in dieser Runde keine Chance habe, und so machte ich mich schnellstens auf den Weg nach Hause. Meinem Mann konnte ich bis in alle Details, die ihn nicht besonders überraschten, die Begebenheiten des Abends erzählen.
Fortsetzung folgt
anne.c - 5. Aug, 11:27