Buchrezension "In Zeiten des abnehmenden Lichts" von Eugen Ruge
"In Zeiten des abnehmenden Lichts" von Eugen Ruge
(Deutscher Buchpreis und Alfred-Döblin-Preis)
Der Roman schildert eine Familiengeschichte im Zeitraum von vier Generationen und spielt in der DDR, teilweise auch in Mexiko. Er scheint viele autobiografische Bezüge aufgenommen zu haben. Ebenso wie Eugen Ruge hat seine Romangestalt Alexander (Sascha) Eltern, die ins Exil in die Sowjetunion gingen und dort auch zeitweise deportiert waren. Er selbst und auch die Hauptperson wurden in der SU geboren. Ebenso reisten beide Ende der 80-er Jahre nach Westdeutschland aus. Die Eltern gehörten der DDR-Nomenklatura an, was keinen Widerspruch zum Arbeitslager in der SU bedeutete. Der Vater Wolfgang Ruge war in der DDR Historiker, ebenso wie Saschas Vater Kurt. Man kann im Roman viel vom Leben der DDR-Führungsschicht erfahren: Wie sie dachten, wie abgehoben sie im Vergleich zur Bevölkerung lebten, aber andererseits auch was für normale Menschen sie waren und wie schwer sie die Veränderungen am Ende der DDR auch nur begreifen konnten.
Der Roman hat einen eigenartigen Aufbau, weil er konsequent und unchronologisch zwischen den Zeitabschnitten und zwischen den Generationen hin und her osziliert. So sind die Handelnden einmal alt, einmal mittelalt, einmal jung und halten sich an verschiedenen Orten auf. Der Protagonist Alexander lebt gegen Ende der Handlung in Mexiko. Er ist krebskrank und möchte den Ort kennen lernen, an dem seine Großeltern (Charlotte und Ehemann Wilhelm) einst im Exil gelebt haben. Der Vater dagegen war im Exil in der SU gewesen und hatte dort seine Frau Irina, eine Russin, kennengelernt und sie mit in die DDR gebracht. Sie selbst holt später ihre alte Mutter nach, als diese sich nicht mehr allein versorgen kann.
Die Handlung: Eigentlich ziemlich "normales Leben": Man nimmt an Familienfesten teil, erlebt die Freundinnen des Sohns, die Geburt der "4. Generation" Marcus, Scheidung, Fremdgehen, Rückerinnerungen und besonders das Altwerden der ersten und zweiten Generation. Die beiden älteren Generationen leben sehr selbstverständlich in der DDR.
Wilhelm und Charlotte halten sich anfangs noch in Mexiko auf, ihr Leben ist ganz auf die Partei ausgerichtet. Sie scheinen sich mit der Partei ganz und gar eins zu fühlen. Ein einziger Tag durchzieht übrigens den gesamten Roman. Es ist der 1. Oktober 1989, Wilhelms 90. Geburtstag, ein Tag, an dem sich die DDR voll in Auflösung befindet, was aber von den Protagonisten nicht zur Kenntnis genommen wird. Dieser Tag wird aus allen möglichen Perspektiven von 6 verschiedenen Personen geschildert. Wilhelm ist schon recht senil, vielleicht stirbt er sogar. Alexander ist gerade auf einer Besuchsreise im Westen geblieben. Diese Tatsache steht über dem gesamten Tag, aber keiner wagt es richtig, darüber zu sprechen.
Die Sprache: Viel wörtliche Rede, viele Gedanken und Erinnerungen, sehr konkret, wenig Reflexionen oder Gedankentheorie. So kann man recht gut am Leben der Personen teil haben. Trotzdem bleiben sie eigenartig uncharakteristisch. Da besagte Zeitsprünge stattfinden, muss man sich sehr hineindenken: Wer ist wer, wie alt, in welcher Situation? Das hat aber auch seinen Reiz. Für meinen Geschmack ist die Sprache manchmal gewollt vulgär. Zu diesem feinsinnigen Mann Eugen Ruge passt die Schilderung mancher groben Sexszenen nicht. Man hat den Eindruck, dass er damit nur zeigen möchte, dass er nicht nur so feinsinnig ist, wie er erscheint. Das wirkt komisch, weil man es ihm nicht abnimmt.
Da der Roman überwiegend aus Sprechpartien und Handlung ohne Reflexion besteht, bleiben manche Vorgänge nicht ganz nachvollziehbar. Ein wenig scheint mir das Buch mit dem "Turm" von Uwe Tellkamp verwandt zu sein, weil dieser Roman die gleiche Zeit und ein ähnliches wenn auch anders gelagertes Milieu, sowie viel DDR-Schilderung beinhaltet.
(Deutscher Buchpreis und Alfred-Döblin-Preis)
Der Roman schildert eine Familiengeschichte im Zeitraum von vier Generationen und spielt in der DDR, teilweise auch in Mexiko. Er scheint viele autobiografische Bezüge aufgenommen zu haben. Ebenso wie Eugen Ruge hat seine Romangestalt Alexander (Sascha) Eltern, die ins Exil in die Sowjetunion gingen und dort auch zeitweise deportiert waren. Er selbst und auch die Hauptperson wurden in der SU geboren. Ebenso reisten beide Ende der 80-er Jahre nach Westdeutschland aus. Die Eltern gehörten der DDR-Nomenklatura an, was keinen Widerspruch zum Arbeitslager in der SU bedeutete. Der Vater Wolfgang Ruge war in der DDR Historiker, ebenso wie Saschas Vater Kurt. Man kann im Roman viel vom Leben der DDR-Führungsschicht erfahren: Wie sie dachten, wie abgehoben sie im Vergleich zur Bevölkerung lebten, aber andererseits auch was für normale Menschen sie waren und wie schwer sie die Veränderungen am Ende der DDR auch nur begreifen konnten.
Der Roman hat einen eigenartigen Aufbau, weil er konsequent und unchronologisch zwischen den Zeitabschnitten und zwischen den Generationen hin und her osziliert. So sind die Handelnden einmal alt, einmal mittelalt, einmal jung und halten sich an verschiedenen Orten auf. Der Protagonist Alexander lebt gegen Ende der Handlung in Mexiko. Er ist krebskrank und möchte den Ort kennen lernen, an dem seine Großeltern (Charlotte und Ehemann Wilhelm) einst im Exil gelebt haben. Der Vater dagegen war im Exil in der SU gewesen und hatte dort seine Frau Irina, eine Russin, kennengelernt und sie mit in die DDR gebracht. Sie selbst holt später ihre alte Mutter nach, als diese sich nicht mehr allein versorgen kann.
Die Handlung: Eigentlich ziemlich "normales Leben": Man nimmt an Familienfesten teil, erlebt die Freundinnen des Sohns, die Geburt der "4. Generation" Marcus, Scheidung, Fremdgehen, Rückerinnerungen und besonders das Altwerden der ersten und zweiten Generation. Die beiden älteren Generationen leben sehr selbstverständlich in der DDR.
Wilhelm und Charlotte halten sich anfangs noch in Mexiko auf, ihr Leben ist ganz auf die Partei ausgerichtet. Sie scheinen sich mit der Partei ganz und gar eins zu fühlen. Ein einziger Tag durchzieht übrigens den gesamten Roman. Es ist der 1. Oktober 1989, Wilhelms 90. Geburtstag, ein Tag, an dem sich die DDR voll in Auflösung befindet, was aber von den Protagonisten nicht zur Kenntnis genommen wird. Dieser Tag wird aus allen möglichen Perspektiven von 6 verschiedenen Personen geschildert. Wilhelm ist schon recht senil, vielleicht stirbt er sogar. Alexander ist gerade auf einer Besuchsreise im Westen geblieben. Diese Tatsache steht über dem gesamten Tag, aber keiner wagt es richtig, darüber zu sprechen.
Die Sprache: Viel wörtliche Rede, viele Gedanken und Erinnerungen, sehr konkret, wenig Reflexionen oder Gedankentheorie. So kann man recht gut am Leben der Personen teil haben. Trotzdem bleiben sie eigenartig uncharakteristisch. Da besagte Zeitsprünge stattfinden, muss man sich sehr hineindenken: Wer ist wer, wie alt, in welcher Situation? Das hat aber auch seinen Reiz. Für meinen Geschmack ist die Sprache manchmal gewollt vulgär. Zu diesem feinsinnigen Mann Eugen Ruge passt die Schilderung mancher groben Sexszenen nicht. Man hat den Eindruck, dass er damit nur zeigen möchte, dass er nicht nur so feinsinnig ist, wie er erscheint. Das wirkt komisch, weil man es ihm nicht abnimmt.
Da der Roman überwiegend aus Sprechpartien und Handlung ohne Reflexion besteht, bleiben manche Vorgänge nicht ganz nachvollziehbar. Ein wenig scheint mir das Buch mit dem "Turm" von Uwe Tellkamp verwandt zu sein, weil dieser Roman die gleiche Zeit und ein ähnliches wenn auch anders gelagertes Milieu, sowie viel DDR-Schilderung beinhaltet.
anne.c - 20. Mai, 14:16