Mittwoch, 27. März 2013

Verspätete Todesanzeige

Es ist schon eine Weile her, als ich eine der hinteren Seiten der Zeitschrift "konkret" aufschlug und einen Schrei ausstieß, während ich schnell die Worte überflog: Frau Marianne R. in M. Irgendwie hatte ich auch noch eine nebenstehende Todesanzeige wahrgenommen, und ohne überhaupt weiteres zu lesen, war mir schon alles klar, was sich dann auch bestätigte: Meine Bekannte Marianne hatte in einer Anzeige in der FAZ den Soldatentod ihrer Brüder betrauert . Mit eisernem Kreuz darauf, es wurde von Russland- und Frankreichfeldzug geschrieben und „ihr Tod war nicht umsonst“, ja noch Absurderes, "ihr Anliegen war Völkerverständigung", "konkret" übte dann entsprechned herbe Kritik. Schon früher hatte ich erfahren, dass Anzeigen dieser Art inzwischen immer mehr gesetzt werden. Über diese Anzeige dachte ich nach, versuchte die persönliche Ebene herauszufinden und auch die politische und gesellschaftliche, um dann alles miteinander zu verbinden und in mein Gesellschaftsbild zu integrieren.

Solche Anzeigen, unabhängig davon von wem sie stammen, setzen geradezu den Nazigeist frei. Eisernes Kreuz - Symbol des Krieges, ohne jegliche Distanzierung davon. Russland- und Frankreichfeldzug als Völkerverständigung, und das war sie ja auch - nur hat man sich mit den Völkern eben auf die „deutsche Art“ verständigt. So ist es dann keine Lüge. Wenn ich mir bloß vorstelle, dass diese Anzeige von einer Theologin veröffentlicht wurde!

Und wenn ich mir weiterhin vorstelle, wie Mariannes Mann zum Pazifisten wurde, gegen Atombomben kämpfte, an Sitzblockaden teilnahm, wofür er sogar einmal verurteilt wurde, aber auch wie für ihn das jährliche Treffen seiner einstigen Flieger Staffel immer ein Höhepunkt war, was ich ihm nie übel nahm, denn man weiß wie gemeinsame Zeit unter extremen Bedingungen zusammen schweißen kann. Aber trotzdem fragte ich mich manchmal, ob es bei diesen Treffen wohl zu Diskussionen über den Sinn dieser Flieger-Einsätze gekommen sein mag).

Und wie die beiden immer so nett zu mir waren: Sie haben bei Weitem das meiste Geld gespendet, als ich einmal eine Sammlung für einen in Not geratenen, ihnen völlig unbekannten Ausländer machte. Zwei ihrer Kinder sind mit Ausländern verheiratet, ihre Tochter lebte ihr halbes Leben in einem französichen Dorf am Mittelmeer, und die gesamte Familie hat unzählige Urlaube dort verbracht, sie war in dem Dorf wie zu Hause. Sie haben wirklich Völkerverständigung gelebt, aber warum müssen sie ihren im Krieg umgekommenen Brüdern, die freiwillig oder gezwungen an einem Krieg teilnahmen, von dem klar ist, mit welch ungeheuren Verbrechen er verbunden war, bescheinigen: Was sie machten, war auch etwas in diesem Sinne von Verständigung?

Letztlich kann ich es mir nur so erklären, dass die Geschehnisse des Krieges wie bei vielen anderen Deutschen auch, so wenig mit ihrem Weltbild zu vereinbaren ist, dass sie sich ihre eigene „schöne Welt“ zurecht malten, wo sogar ein barbarischer Krieg zum Sinnbild für Völkerverständigung wurde. Und ein Zweites: Ein Krieg ist nicht zu Ende, wenn Friedensvertrag oder Kapitulation unterschrieben sind, denn die Kriegsschatten bleiben, generationenlang.

Im Luftreich des Traums

gegen Ideologien

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