Freitag, 28. Dezember 2012

Israelkritiker

Vor einigen Tagen las ich einen Artikel über die Preisverleihung der Stadt Bremen an Yfaad Weiss, jüdische "Israelkritikerin" aus Israel. Hier in Deutschland sind Israelkritiker, besonders wenn sie aus Israel kommen, außerordentlich beliebt, und sie werden gern mit Preisen bedacht. Die Tatsache, dass es ein großes Arsenal an jüdischen Israelkritikern gibt, wird als Beweis dafür angesehen, dass das, was sie verkünden, die reine Wahrheit sein muss.

Wenn man einen Artikel von ihnen liest, wenn man die Gelegenheit hat, einen von ihnen an Ort und Stelle zu erleben, dann ist man hauptsächlich verblüfft, wie ähnlich sie sich und ihre Schlussfolgerungen sind. Mag der Anlass des Israelkritikers zum Kritisieren ein Ereignis in Israel sein, die Kritik ist trotzdem nur Anlass, und sie führt zielbewusst zur Delegitimierung Israels. Oft bin ich erstaunt, dass das, was die Kritiker fordern, eindeutig zu einer Selbstaufgabe Israels führen müsste. Oder man böte sich den Palästinensern direkt zum Ins-Meer-Treiben an. Das tut der Meinung der Israelkritiker keinen Abbruch, sie haben auf alles eine entwaffnende Antwort, die mit der Realität wenig, mit einem gewichtigen Steinchen aus dem Konstruktionsbaukasten des Friedensforschers aber viel gemeinsam hat.

Wenn ich das Phänomen der jüdischen Israelkritiker auf einfache Weise erklären sollte, würde ich sagen: Sie wissen, dass den Juden von vielen Seiten Unheil droht - das wurde in der Geschichte oft genug belegt -, und sie wollen sich schon vorbeugend in Sicherheit bringen. Diese Erklärung wäre verständlich, aber wohl zu einfach. Möglicherweise sind diese Israelkritiker eine Spielart der Hysterie. Ein Hysteriker: ein Mensch, der beharrlich eine Rolle spielt, die seiner eigenen Realität vollkommen widerspricht, der aber auf jede Frage eine überzeugende Antwort hat (es ist eine persönliche Definition).

Vor einer Weile hörte ich den anglikanischen Geistlichen Paul Oesterreicher in einem DLF-Interview. Es stellte sich heraus, dass P. O. ursprünglich ein deutscher Jude war, und er gebärdete sich in dem Interview dermaßen "israelkritisch", dass selbst dem beflissenen DLF-Redakteur etwas unwohl zu Mute wurde, weshalb er die Frage stellte (vielleicht war es auch eine für so einen Fall vorprogrammierte Frage): "Haben sie nicht Sorge, dass Rechtsradikale sich ihre Positionen zu Eigen machen können"?, und P.O. erwies sich als jemand, der auf jede Frage die passende Antwort parat hat: "Damit muss ich leben, wenn die Rechten diese Positionen übernehmen!"

Am Rande bemerkt: Es gibt tatsächlich viele sehr israelkritische Juden, aus welchen Gründen auch immer, die von ihren deutschen Bewunderern, ebenfalls aus welchen Gründen auch immer, hoch geachtet werden. Wo gibt es aber dieses Phänomen vice versa, also einen strengen deutschen Deutschlandkritiker, der von Juden hofiert wird?

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