Donnerstag, 8. November 2012

Hirsi Ali "Ich klage an", Piper Verlag 2004/2006

Buchrezension, Teil I

1. Wer ist Hirsi Ali

Hirsi Ali ist eine Somalierin (Jahrgang 1969), die aus einer in ihrem Land oppositionellen aber wohlhabenden Familie stammt, und die nach einer Zwangsverheiratung in die Niederlande geflüchtet war. Hier erkannte sie den Wert eines freien Lebens. Sie integrierte sich schnell in den Niederlanden. Sie verdiente ihr Geld durch Dolmetschen, und in dieser Funktion kam sie sehr viel mit geflohenen und emigrierten Frauen zusammen. Sie erkannte die Diskrepanzen und Nöte im Leben der muslimischen Frauen, die ja auch ihre eigenen gewesen waren und dachte darüber nach. Sie war so aktiv, dass sie sogar ins niederländische Parlament gewählt wurde. Nach der Ermordung ihres Mitkämpfers Theo van Gogh war auch sie am Leben bedroht. Als holländische Bürgerin und Parlamentarierin bekam sie schließlich mit der holländischen Gesellschaft ebenso Probleme wie sie sie als Somalierin mit der afrikanisch-muslimischen Gesellschaft hatte. Sie wurde als Störenfried angesehen, sie saß sozusagen zwischen den Stühlen. Nach Streitigkeiten emigrierte sie in die USA, und seitdem ist es bei uns ruhig um sie geworden.

Ich selbst hatte viel verschiedenartiges über sie gehört und konnte mir kein Bild machen. Darum kaufte ich mir ihr Buch: "Ich klage an". Darin erkennt und beweist sie, dass die untergeordnete Stellung der Frau und die gewalttätige Ideologie der Männergesellschaft im Islam die Hauptursachen dafür sind, dass die schlimmen Auswüchse existieren. Sie behauptet, dass der Islam, dem sie sich weiter zugehörig fühlt, in seiner Entwicklung stecken geblieben ist. Von Seiten des Islams wird eine Auseinandersetzung mit anderen Gesellschaften strikt abgelehnt. Hirsi Ali gehört zu den wenigen Menschen aus der islamischen Gesellschaft, die der Auffassung sind, der Islam müsse sich entwickeln, und sich mit seinen eigenen Grundlagen kritisch auseinander setzen.

Durch ihr impulsives Auftreten hat sie sich Feinde in den eigenen Reihen gemacht. In ihrer Umgebung, also auch im Parlament, gab es viele Menschen, die der Meinung waren, die Muslime in der Gesellschaft sollen leben, wie sie wollen, Hauptsache es dringt nichts nach Außen. Zwangsverheiratungen und Genitalverstümmelungen - gegen beides setzte Hirsi Ali sich vehement ein - spielen in ihrem gesellschaftlichen Kampf eine große Rolle, denn beides hatte sie selbst erfahren.

Aus ihrem Buch versuchte ich heraus zu finden, warum Hirsi Ali eine zwiespältige Rolle in den Niederlanden gespielt hat. Sie scheint eine hoch intelligente aber etwas chaotische Person zu sein. Ihr Buch ist nicht "aus einem Guss". In die Abhandlungen über den Islam, sind Szenen aus ihrem eigenen Leben eingeflochten. Sie gibt aber auch Tipps für Musliminnen, die aus ihrem zu Hause flüchten wollen, sie legt die 10 christlichen Gebote ironisch in Bezug auf den moslemischen Glauben aus, vermischt alles mit Aspekten aus der holländischen Gesellschaft und mit eigenen Erlebnissen - meiner Meinung nach ein wenig konfus. Dazu kommen Schilderungen des Lebens muslimischer Frauen, die sie in ihrer Dolmetscherpraxis kennen lernte und zum Schluss noch ein Teil des Theaterstücks Submission, weswegen Theo van Gogh umgebracht wurde.

Alles enthält interessante Aspekte. Es zeigt, dass HA wohl einen sehr scharfen Verstand verbunden mit einer leicht chaotischen Lebenseinstellung hat. Sie sagt genau das Richtige, kann es aber nicht systematisch zusammenfassen. Diese etwas ungeordnete Lebenshaltung mag dazu führen, dass sie angreifbar ist. Sie wird in ihrem Kampf manchmal zu impulsiv gewesen sein, und so ihren Angreifern eine breite Fläche hingehalten haben.

Im Luftreich des Traums

gegen Ideologien

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