Samstag, 26. Mai 2012

Chaim Noll

Bei einer Zusammenkunft im Literaturclub kam einmal die Sprache auf ihn. Ein Ehepaar war aus Interesse, auf den „Sohn von Dieter Noll“ zu treffen, zu einer Veranstaltung mit ihm gefahren, und sie waren entsetzt, in welchem Habitus er aufgetreten war. Er war ihnen als orthodoxer Jude mit all den dazu gehörenden Kennzeichen erschienen. Das empfanden sie als abstoßend. Mehr war dem Bericht nicht zu entlocken.

Als wir dann ebenfalls eine Lesung mit Chaim Noll besuchten, waren wir überrascht, denn dieser Mann hatte nur ein Kennzeichen des Judentums, nämlich eine Kipa. Seine runde Brille und sein gestutzter Bart konnten nicht auffällige jüdische Kennzeichen gedeutet werden, sie erinnerten nur in der Erscheinung an altertümliche Fotos einiger Juden. Der Inhalt seiner Lesung war dann höchst interessant: Welchen Weg er genommen hatte, vom Sohn eines zur Kulturelite gehörenden DDR-Schriftstellers bis zum Bewohner einer israelischen Wüstenstadt. Er schilderte seine kulturellen und sprachlichen Wandlungen interessant und nachvollziehbar. Alles in einer sehr feinen Sprache.

Wir haben uns nun mit Chaim Noll befasst und mehrere Essays von ihm gelesen. Islamismus, Stalinismus - Totalitarismus insgesamt untersucht er. Die schleichende Verbreitung der totalitären Herrschaftssysteme, die in alle Lebensbereiche eingreifen wollen. Welche die Menschen versklaven und eine kleine Elite in den Himmel heben, aber sich insgesamt selbst zerstören unter riesigen Opfern an Menschenleben, an Kultur, Natur - ja eigentlich allem, was zum Bestehen der Menschheit gehört. Wie diese Vereinahmung schleichend um sich greift und oft mit Wohlwollen und vorauseilendem Gehorsam derjenigen, die es später einmal selbst treffen wird, einhergeht.

Chaim Noll ist ein sehr interessanter Mann, sowohl hinsichtlich seines Lebenswegs als auch durch seine geistige Einstellung und sein literarisches Werk.

Im Luftreich des Traums

gegen Ideologien

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