Donnerstag, 29. März 2012

Verkündigung

Es kommt immer einmal vor, dass in einer Unterhaltung die Frage gestellt wird, weshalb es mit den christlichen Kirchen bergab geht. Die Mitgliederzahlen sinken, das Wissen der Gemeindeglieder um Liturgie und Liedgut ist auf einem niedrigen Stand. Darauf habe ich eine einfache und prägnante Antwort parat: "Es geht herab, weil dir kirchlichen Vertreter selbst nicht glauben, was sie verkündigen". Manchem erscheint es übertrieben und ungerecht dem kirchlichen Personal gegenüber.

Es ist sogar so, dass man selbst als nicht ganz von dieser Welt angesehen wird, wenn man bei Pfarrern oder Kirchenvertretern davon ausgeht, dass sie nach ihrer Verkündigung leben. Als Herr Pfarrer Gauck zum Bundespräsidenten gewählt wurde, und ich diese und jene Anmerkung zu ihm hatte, wurde ich für nichts so ausgelacht als für meine Bemerkung: "Wer das sechste Gebot nicht hält, muss sich aus den anderen Geboten auch nichts machen." Herrn Gauck möchte ich keinen Vorwurf machen, dass er eine nicht angetraute Lebensgefährtin hat. Auch nicht, dass er zusätzlich noch eine Ehefrau hat, die wie eine persona non grata und als nicht existent angesehen wird. Dass er als Pfarrer, dessen geistige Grundlage auch wesentlich die 10 Gebote bilden, nicht einmal eine Ahnung davon zu haben scheint, dass diese auch für ihn gelten könnten und es von ihm und von der Allgemeinheit als selbstverständlich angesehen wird, muss man so hinnehmen. Man sollte dann allerdings nicht den Niedergang der christlichen Religion beklagen.

Und wenn nicht das sechste Gebot, warum dann etwa das achte Gebot? Mit der Wahrheit muss man es auch nicht genau nehmen. Dann kann Herr Gauck sich als Bürgerrechtler der DDR bezeichnen. Auch wenn er es nie war und "auf den fahrenden Zug erst aufsprang", als die DDR bereits stark im Zerfall war, im Oktober 1989, also als die echten Bürgerrechtler den Weg für die Mitläufer geebnet hatten. In dem Buch "Eine Revolution und ihre Folgen. 14 Bürgerrechtler ziehen Bilanz " lässt Herr Gauck sich widerspruchslos als Bürgerrechtler bezeichnen. Nun ist der Begriff Bürgerrechtler sowieso nicht gesetzlich geschützt, auch manch ein SED-Genosse wird inzwischen zum Bürgerrechtler mutiert sein. Aber ob schon ein echter oder ein unechter Bürgerrechtler - es ist egal, da kaum jemanden interessiert, ob das, was er sagt, der Wahrheit entspricht.

Und wie sieht es im Alltag einer Kirchengemeinde aus? Gerade gab es im Gemeindeblättchen eine kleine Predigt: Jetzt, in der Fastenzeit hätten wir die besondere Freiheit, auf etwas bewusst zu verzichten. Worin der Verzicht bestehen sollte, wurde vorsichtshalber nicht erwähnt. Unmittelbar nach Erscheinen des Blattes gab es - weil das zeitlich gerade passte -, ein üppiges Festmahl für die Gemeindehelfer. Es herrschte kein Mangel an Fleisch. Ich interpretierte das Mahl so, dass man sich eben die Freiheit genommen hat, nicht zu verzichten. Und - wie uns schon das Beispiel Herrn Gaucks gelehrt hat: So ganz genau muss man es mit der kirchlichen Verkündigung nicht nehmen.

Im Luftreich des Traums

gegen Ideologien

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