Lesen nach Weihnachten: Wolf Biermann „Warte nicht auf bessre Zeiten“

Das Buch, 524 Seiten stark, lag zwischen den Weihnachtsgeschenken. „Viel zu dick, um es zu lesen, und außerdem lese ich keine Bücher, die das Foto des Autors groß auf dem Cover haben. Sie sollen schreiben, was sie erlebt haben, und nicht darstellten, wer sie sind! Und Biermann ist wirklich ein großer Selbstdarsteller.“ Einen Blick warf ich aber hinein und noch einen Blick. Alles erschien mir bekannt und vertraut. Ja, das ist die DDR in der ich aufgewachsen bin, so war es, so haben die Leute gesprochen und sich verhalten. Mir wurde bewusst, dass Biermann ein integraler Bestandteil meines Lebens war. Wenn ich in Berlin die Friedrichstraße hinunter ging, warf ich einen Blick auf das Haus Ecke Chausseestraße: „Ach ja, da wohnt Biermann“. Seine Lieder waren bekannt. Immerzu traf ich auf Leute, die Biermann kannten, die etwas mit ihm zu tun gehabt hatten. Einige sind in dem Buch erwähnt. Aber ich geriet auch in Kreise, wo niemand mit dem Namen Wolf Biermann etwas anzufangen wusste, wo die Jugendlichen mit 18 Jahren aus eigenem Entschluss in die Partei eintragen, wo man erschüttert war, als 1971 Walter Ulbricht „abgesetzt“ wurde („das hat er nicht verdient!“, sagten viele meiner Mitschüler). Auch das war die DDR.

Wer etwas vom Lebensgefühl in der DDR in den 60-ger und 70-ger und auch den 80-ger Jahren wissen möchte, der kann in diesem Buch sehr viel erfahren. Die einzelnen Kapitel, schon beginnend bei der Familiengeschichte und den Schrecken des Krieges, sind zeitlich geordnet und kennzeichnen gut die einzelnen Phasen der DDR. Man kann sich klar machen, dass Biermann und die DDR eine Symbiose waren. Er ist von ihr geprägt wie kaum ein anderer DDR-Künstler, und er prägte die DDR dadurch, dass er eine Antwort auf sie war, auf die sie immer wieder reagieren musste. Trotzdem schaffte er es als einer der wenigen DDR-Künstler, die DDR von sich abzuschütteln, als Mensch lebendig auf die Veränderungen der Zeit zu reagieren nach seinem Motto: „Nur wer sich ändert, bleibt sich treu“.

Im Luftreich des Traums

gegen Ideologien

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Aktuelle Beiträge

Nach dem iranischen Angriff
Wie viele andere Menschen, haben wir den iranischen...
anne.c - 17. Apr, 17:39
Lüge und Wahrheit
Gern höre ich den Schweizer Sender „Kontrafunk“, der...
anne.c - 12. Apr, 12:59
Ein schönes Erlebnis
Wieder befand ich mich 2 ½ Tage mit meinem gut sichtbaren...
anne.c - 6. Apr, 19:42
Warum? – Die ewige Frage
„Es wird keine Geisel befreien, wenn Kinder derzeit...
anne.c - 29. Mär, 10:16
„The Zone of Interest“
Schon 2012 schrieb ich https://luftreich.twoday.n et/20120722/...
anne.c - 23. Mär, 13:40
Erlebnisse mit Israel-Fahne
Die Erlebnisse, die man selbst hat, sind immer interessanter...
anne.c - 16. Mär, 21:49
Nachbetrachtungen zum...
In dem Buch „Jahrhundert der Wölfe“ von Nadeshda Mandelstam...
anne.c - 7. Mär, 21:19
Arye Shalicar und die...
Jeden Abend hören wir den Podcast von Arye Shalicar....
anne.c - 26. Feb, 20:43
Als unredigierte Kommentare...
Als unredigierte Kommentare im Internet können solche...
nömix - 19. Feb, 12:10
Leserbrief in Zeitungen
Der 7. Oktober 2013 war ein Schock. Nicht weniger schockierend...
anne.c - 17. Feb, 17:59

Links

Suche

 

Status

Online seit 4630 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 18. Apr, 15:24

Disclaimer

Entsprechend dem Urteil des Landgerichts Hamburg vom 12.05.1998 gilt für alle Links und Kommentare auf diesem Blog: Ich distanziere mich hiermit ausdrücklich von allen Inhalten aller verlinkten Seitenadressen und aller Kommentare, mache mir diese Inhalte nicht zu eigen und übernehme für sie keinerlei Haftung.

Impressum

Anne Cejp
Birkenstr. 13
18374 Zingst