Holocaustgedenken 27.1.2017

Der kürzlich verstorbene Bundespräsident Herzog installierte ins gesellschaftliche Leben den Tag des Holocaustgedenkens am 27. Januar. Über den Sinn oder Unsinn solcher Tage kann man diskutieren. Dienen sie als Beschwichtigung, sollen Tatsachen in diese oder jene Richtung gedeutet oder missdeutet werden? Damit möchte ich mich jetzt nicht beschäftigen, es gibt diesen Tag nun einmal, und darum fahre ich ins nahe gelegene Städtchen und nehme an der Gedenkfeier am Mahnmal, das sich auf dem Gelände eines ehemaligen KZ-Außenlagers befindet, teil.

An diesem Spätjanuartag lag ausnahmsweise kein Schnee. Das Mahnmal war nach langen Tagen der Düsternis in eine milde Wintersonne getaucht. Etwa 30 Personen aus einem Einzugsgebiet von ca. 10 000 Einwohnern, waren erschienen. Man kann sich Gedanken machen, was die einzelnen Leute zu dieser Teilnahme bewogen hat. Das ist letztendlich nicht wichtig, jeder hat seine persönlichen Beweggründe, die sich sehr unterscheiden können, aber in diesem Augenblick ist man wie eine kleine Gemeinde und nimmt Anteil aneinander.

Der Bürgermeister und ein Pfarrer sind immer dabei, sowie Schüler aus Realschule und Gymnasium, die das Programm gestalten. Es sind keine perfekten Auftritte, vieles erscheint komisch, was dadurch aufgewogen wird, das jeder viel von sich selbst in den Beitrag hinein legt und auch von sich preisgibt. Der Kulturbeauftragte der Stadt sorgt über eine Anlage für eine dezente musikalische Untermalung, meist ist es getragene Klezmermusik. Den Abschluss der Zeremonie bildet eine Kranzniederlegung vor den Stelen, auf denen viele Namen von in diesem KZ Umgekommenen eingraviert sind.

Die Schüler lasen einen Text von Martin Niemöller, Auszüge aus dem Bericht einer Überlebenden, die in diesem Lager gelitten hat und rezitierten ein Poem. Der Pfarrer hielt eine allgemein gehaltene Rede, dann folgte der Bürgermeister. Wie man es oft in Reden zu dem Anlass hört, sprach er davon, dass wir die Lehren daraus gezogen haben, dass alle Menschen gleich Wert sind und dass man die Würde keines Menschen herabsetzen darf. Ich wartete darauf, dass er den Bogen in die heutige Zeit spannt und auf die Flüchtlinge, von denen es in seiner Stadt etliche gibt, zu sprechen kommt. Tatsächlich schlug er diesen Bogen, aber ganz anders als ich erwartet hatte. Er sagte, dass wir diese Lehren auch den Menschen, die aus islamischen Ländern zu uns gekommen sind, beibringen müssen, denn unter diesen Menschen herrsche ein starker Antisemitismus und das wäre nicht hinzunehmen.

So kann ich die Teilnahme an so einer Veranstaltung – möge sie so oder so sein – immer als ein Erlebnis bezeichnen. So manches erfährt man über Menschen, die in der näheren Umgebung leben. Die Veranstaltungen geben dem Jahr ein Gepräge, sie wirken tatsächlich ein winziges bisschen „wider das Vergessen“, sie schaffen eine (winzige) Gemeinschaft. Sie sind „ein Wert an sich“.

Im Luftreich des Traums

gegen Ideologien

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