"Gelobtes Land? Land und Staat Israel in der Diskussion"

- so heißt eine Broschüre, die die evangelischen Kirchen Deutschlands (EKD) als Orientierungshilfe, insbesondere für ihre Mitglieder, im Umgang mit Israel herausgegeben haben. Nun, aus vielen schmerzlichen Erfahrungen (über die ich hier immer einmal berichte), bin ich misstrauisch, wenn sich die evangelische Kirche mit Israel beschäftigt, und so beschäftigte auch ich mich - mit dieser Broschüre. Sie ist, wie vieles in der Kirche, unscharf verfasst, d. h. auf eine persönliche Interpretation angewiesen, und deshalb möchte ich meine Interpretation aufschreiben.

Der Titel des Büchleins "Gelobtes Land?" löst schon einmal eigentümliche Empfindungen aus. Das Fragezeichen, wie immer es gemeint sein mag, assoziiert, dass mit dem "gelobten" etwas nicht stimmen wird. Da jeder Leser, wer immer es sein mag, durch die Medien schon oft erfahren hat, dass mit dem "gelobten Land" etwas nicht stimme, geht er schon vor dem Lesen davon aus, dass eine Negativberichterstattung über Israel folgen wird.

Ich kann mir vorstellen, dass man in der evangelischen Kirche festgestellt hat: Die Ansichten unserer Mitglieder über Israel sind derart bösartig und gehässig. Da müssen wir etwas tun. Wenn ich die in den letzten Jahren gelesenen Artikel und Leserbriefe z. B. in der Publikation "zeitzeichen" oder in verschiedenen Kirchenzeitungen vor Augen habe, könnte ich zu diesem Schluss kommen. Apropos "könnte"! - der Konjunktiv durchzieht das gesamte Büchlein. Es wird in dem Heft so vieles vage in den Raum gestellt, dass das Buch weniger eine Orientierungs als viel mehr eine Vernebelungshilfe sein könnte. Jedenfalls mag die EKD zu dem Schluss gekommen sein, dass Aufklärung Not tut. Immerhin distanziert sie sich ganz entschieden von den Protokollen der Weisen von Zion, die in der muslimischen Welt ein Standardwerk sind - und ich stellte mir vor, dass der Zeitpunkt, wo dieses Standardwerk auch schon in kirchlichen Kreisen Interesse fand, die EKD für angemessen hielt zu beschließen: Wir müssen reagieren!

Mir scheint, dass diese Publikation nach dem Motto des geschätzten Kommunikationswissenschaftlers Paul Watzlawick verfasst wurde : Um zu heilen gibt es "Mehr desselben!"

Unmittelbar nach der Distanzierung von den "Protokollen" steht der Satz: "Der Zionismus habe beispielloses Elend über das palästinensische Volk gebracht". Selbstverständlich im Konjunktiv, selbstverständlich einer anonymen Debatte zugeordnet.

Zitat: In der politischen Debatte wird vielfach unterstellt, dass dem
jüdischen Nationalismus eine religiöse Ideologie zugrunde
liege. Sein Ziel heiße »Großisrael«. Der Zionismus habe beispielloses
Elend über das palästinensische Volk gebracht. Das
Beharren des Staates Israel darauf, ein »jüdischer Staat« zu
sein, widerspreche den Prinzipien eines Nationalstaates und
zeige, dass der Staat Israel auf Diskriminierung gegründet sei.

Da sich Israel tatsächlich als jüdischen Staat sieht, muss davon ausgegangen werden, dass die Leser zu der Meinung kommen sollen, dass Israel tatsächlich auf Diskriminierung gegründet ist (mit oder ohne Konjunktiv).

Sehr viele Aussagen sind undeutlich in den Raum gestellt, sehr viele Tatsachen sind nicht recherchiert oder falsch dargestellt. Immer zu Ungunsten Israels. Sei es dass den Einwohnern arabischer Staaten der Besuch ihrer heiligen Stätten in Jerusalem von Israel angeblich verwehrt werde: In Wirklichkeit ist er ihnen von Seiten Israels erlaubt und es sind ihre eigenen Regimes, die sie bedrohen, wenn sie nach Israel reisen. Seien es die israelischen Araber, die nicht in der israelischen Armee dienen dürften und deshalb erschwerten Zugang zu Bildung hätten. In Wirklichkeit müssen sie nicht, aber dürfen durchaus zur Armee gehen. Erstere Tatsache gestattet ihnen schon eine zwei oder drei Jahre früheren Zugang in die höheren Bildungsstätten, deren Zugang ihnen keinesfalls verwehrt ist.

Immer wieder wird darüber nachgedacht, ob Gottes Verheißungen an sein Volk in der Bibel spirituell, als ein Hoffnungsbild oder als konkrete Landverheißung gedacht sind. Es wird herausgestellt, dass Christen der Meinung seien, dass Gottes Anwesenheit nicht an einen Ort gebunden sei, sondern, dass Gott da ist, wo Gerechtigkeit und Friede herrsche. Im Gegensatz dazu das jüdische Volk, das seine Sehnsucht auch in der Diaspora immer auf das "Heilige Land" und den konkreten Ort Jerusalem richtete. Diese Aussagen werden, wie fast alles in diesem Text einfach so in den Raum gestellt. Der Leser kann sich selbst ein Bild machen, welcher Aussage er den Vorzug geben will und welche er glauben will. Das gilt auch für viele Behauptungen muslimischer Geistlicher, deren Meinung, das verheißene Land wäre einfach ein Sinnbild für arme, landlose Menschen eine der vielen Meinungsäußerungen ist. Lediglich die "Protokolle" werden eindeutig als Fälschung benannt samt einer Distanzierung von ihnen.

Sopnst sind viele Meinungen von Theologen zu lesen, von deutschen Theologen und von arabisch-christlichen Theologen, und zwar nach dem Motto: "Der eine sagt dies, und der andere sagt das". Eine Meinung soll sich der Leser selbst bilden. Wie zufällig folgen jeder "neutral-palästinensischen" Aussage Sätze wie: Der Konflikt um die Gründung des Staates Israel führte für die im damaligen Mandatsgebiet »Palästina« lebende arabische Bevölkerung
zu einer geschichtlichen Katastrophe.

Zwischendurch wird mantraartig eingeblendet: Aber das Existenzrecht Israels steht nicht infrage! Dann folgen Fakten, auch falsche Fakten, die Israel abwerten. Diese so genannten Tatsachen betreffen die Lage der israelischen Araber: sie werden diskriminiert, haben schlechteren Zugang zur Bildung, müssen Schikanen an Kontrollpunkten ertragen. Die Wirklichkeit ist, dass diese "Schikanen" nicht etwa erfolgen, weil Araber Araber sind, sondern weil es eine ständige Bedrohung Israels von der palästinensischen Seite aus gibt. Sei es durch Attentate, oder sei es durch Raketen. Das ist eine offensichtliche Unwahrheit, die durch Unterschlagung entsteht, und darum halte ich die vielen "Versehen" zu Ungunsten Israels auch für keinen Zufall: Gewalt und Terror von Seiten der Palästinenser werden unterschlagen, was zu der Annahme führt, dass Israel sinnlose Gewalt anwende. In einem Satz ist zu lesen, dass Selbstmordattentäter ihr Martyrium religiös begründen. Daraus kann (könnte) man den Schluss ziehen, dass jene Martyrer etwas ähnliches sind, wie unsere christlichen Märtyrer, also verehrungswürdige Leute.

Das Christentum - sowie auch der Islam - beruht wesentlich auf der jüdischen Religion und ist ohne sie überhaupt nicht denkbar. Allein wenn man diese einfache Tatsache bedenkt, ist es ein beschämendes Büchlein, was da die EKD in Sachen Israel herausgebrachte.

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