Geschichte: In einer kleinen Stadt in Mähren (Teil 4)
Kapitalisten
nannte man in der Zeit des Sozialismus die Menschen, die über Produktionsmittel verfügen. Diese kleine Stadt in Mähren musste sich wie die gesamte Tschechoslowakei ab 1948 dem Diktat des Kommunismus beugen, obwohl niemand sich ihn herbei gewünscht hatte. Der Vater von Herrn Tichý wurde alsbald als Kapitalist bezeichnet, weil er ein Schneider war und seine Nähmaschine ein Produktionsmittel. Ebenso erging es der jungen Frau M. Sie war eine allein erziehende Mutter, in dieser Zeit etwas sehr Seltenes. Sie hatte sich entschlossen, ihre kleine Tochter allein groß zu ziehen. In ihrer Wohnküche nähte sie für die Frauen der Stadt elegante und extravagante Kleider. Das Mädchen - jetzt eine Großmutter - beschreibt in ihren Erinnerungen, wie schön es in ihrer großen Stube war, die Wohn- Schlaf- und Schneiderzimmer und Küche zugleich war, wenn die Mutter mit den Kundinnen im munteren Gespräch war und das Mädchen dabei mit den Schneiderutensilien spielte. Diese schöne Kindheit wurde 1948 jäh unterbrochen - das Kind war 5 Jahre -, denn die Mutter wurde als Kapitalistin identifiziert, mit Privateigentum an Produktionsmitteln, nämlich ihrer Nähmaschine. Dasmusste schnellstens unterbunden werden. Die Frau wurde in eine Konfektionsfabrik gesteckt, wo sie wie am Fließband an der Fabrik-Nähmaschine saß und die Weisungen ihrer Brigadierin zu befolgen hatte. Was das für eine selbständige Frau ihres Formats bedeutete, kann man nur erahnen. In der Stadt gab es nun keine vernünftige Schneiderin mehr und die Frauen mussten sich mit der Kleidung aus der Konfektionsfabrik begnügen. Organisierte Kinderbetreuung gab es damals noch nicht, und das kleine Mädchen wurde zu fremden Menschen gebracht, wo sie etwas zu Essen bekam, aber wo ansonsten sie sich selbst überlassen war.
So sieht es aus, wenn man eine Doktrin über das Leben stellt, und das sind nur kleine Fälle. Ganze Generationen von Menschen haben sich damit auseinander setzen müssen.
nannte man in der Zeit des Sozialismus die Menschen, die über Produktionsmittel verfügen. Diese kleine Stadt in Mähren musste sich wie die gesamte Tschechoslowakei ab 1948 dem Diktat des Kommunismus beugen, obwohl niemand sich ihn herbei gewünscht hatte. Der Vater von Herrn Tichý wurde alsbald als Kapitalist bezeichnet, weil er ein Schneider war und seine Nähmaschine ein Produktionsmittel. Ebenso erging es der jungen Frau M. Sie war eine allein erziehende Mutter, in dieser Zeit etwas sehr Seltenes. Sie hatte sich entschlossen, ihre kleine Tochter allein groß zu ziehen. In ihrer Wohnküche nähte sie für die Frauen der Stadt elegante und extravagante Kleider. Das Mädchen - jetzt eine Großmutter - beschreibt in ihren Erinnerungen, wie schön es in ihrer großen Stube war, die Wohn- Schlaf- und Schneiderzimmer und Küche zugleich war, wenn die Mutter mit den Kundinnen im munteren Gespräch war und das Mädchen dabei mit den Schneiderutensilien spielte. Diese schöne Kindheit wurde 1948 jäh unterbrochen - das Kind war 5 Jahre -, denn die Mutter wurde als Kapitalistin identifiziert, mit Privateigentum an Produktionsmitteln, nämlich ihrer Nähmaschine. Dasmusste schnellstens unterbunden werden. Die Frau wurde in eine Konfektionsfabrik gesteckt, wo sie wie am Fließband an der Fabrik-Nähmaschine saß und die Weisungen ihrer Brigadierin zu befolgen hatte. Was das für eine selbständige Frau ihres Formats bedeutete, kann man nur erahnen. In der Stadt gab es nun keine vernünftige Schneiderin mehr und die Frauen mussten sich mit der Kleidung aus der Konfektionsfabrik begnügen. Organisierte Kinderbetreuung gab es damals noch nicht, und das kleine Mädchen wurde zu fremden Menschen gebracht, wo sie etwas zu Essen bekam, aber wo ansonsten sie sich selbst überlassen war.
So sieht es aus, wenn man eine Doktrin über das Leben stellt, und das sind nur kleine Fälle. Ganze Generationen von Menschen haben sich damit auseinander setzen müssen.
anne.c - 8. Jun, 19:20