Mittwoch, 25. Oktober 2017

Die Vertriebenen aus der Tschechoslowakei (Teil 2)

Das Denkmal über die Vertriebenen in Sedlčany legte eine Spur, zu weiteren Entdeckungen. Anlass zu jenem Spaziergang in Sedlčany war ein Konzert der in Tschechien legendären Sängerin Marta Kubišová, die ihre Abschiedstournee gab. Da ihre Konzerte restlos ausverkauft sind, bekamen wir nur noch Karten für das uns bis dahin unbekannte Örtchen Sedlčany. Es war reiner Zufall, dass wir dort gelandet sind. Während unsere Gastgeber eine Verabredung wahrnahmen, machten wir – mein Mann und ich – den Spaziergang bei dem wir auf das Denkmal stießen.

Nachdem wir die Geschichte der Vertreibung der ansässigen Bevölkerung 1942-44 für den berüchtigten "SS-Truppenübungsplatz Böhmen“ erkundet hatten – die Fakten sind selbst in Tschechien kaum bekannt -, stellten wir fest, dass eine berühmte Adlige, Baronin Sidonie Nádherná von Borutín, Freundin von Rainer Maria Rilke und Geliebte von Karl Kraus – welcher auf Sidonies Schloss Janovice seine berühmte Tragödie „Die letzten Tage der Menschheit“ verfasste, direkt von dieser Vertreibung betroffen war.

Sidonie Nádhernás Schloss Janovice wurde 1942 von den Deutschen zwangsenteignet, und 1944, in der zweiten Etappe zur Errichtung des "Truppenübungsplatzes SS-Böhmen“ zwangsgeräumt. Sidonie musste in einer kümmerlichen Kate ohne Strom und fließendes Wasser hausen. Das Schloss wurde als Mannschaftskaserne zweckentfremdet. In Janovice gab es ein Außenlager des KZ Flossenbürg, in dem insgesamt bis zu 3000 Häftlinge Zwangsarbeit leisteten. Die Toten des Lagers wurden zuerst in Prag, später im Schlosspark verbrannt. Nur das Kriegsende verhinderte, dass auf dem Gelände eine geplante Gaskammer errichtet wurde.

Das Schloss erhielt Baronin Nádherná, die ihren ganzen Lebenssinn auf die Erhaltung dieses Schlosses gerichtet hatte und beharrlich um die Erhaltung des Schlosses und seines Parks bei den jeweiligen Machthabern kämpfte, 1945 vollkommen verwüstet zurück, nachdem es noch eine Weile der Roten Armee als Reparaturwerkstatt für Panzer gedient hatte. 1948 erlitt Sidonie das Schicksal vieler Tschechen. Sie wurde erneut enteignet - diesmal von den Kommunisten, die sie zugleich in absurder Weise der Kolaboration mit den deutschen Besatzern bezichtigt haben. Die Baronin starb nach einer Flucht aus dem Lande 1950 mittellos in England. Später diente das Schloss als Lagerhaus. Dem Nationalmuseum in Prag ist es zu verdanken, dass es im miserablen Zustand überhaupt erhalten blieb. Einen großen Verdienst um die Restaurierung hatte in den 90-ger Jahren Michael Naumann, der damals als deutscher Staatssekretär für Kultur eine Million DM für den Neuaufbau des Schlosses zur Verfügung stellte.

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Wie es der Zufall will: Jene Marta Kubišová, zu deren Konzert wir nach Sedlčany gefahren waren, spielte und sang in ihrem „Theater Ungelt“ in Prag in einem Musical mit dem Titel „Sehnsucht namens Einodis“, worin Szenen aus dem Leben der Baronin Nádherná lebendig wurden. Die Sängerin machte das Leben einer bemerkenswerten Frau wieder lebendig und schuf dadurch auch eine Brücke zur Erinnerung an die Vertreibung von 30 000 Tschechen, die einem „Volk ohne Raum“ Platz machen sollten.

Das Leben der Marta Kubišová ist ebenso bemerkenswert wie das der Sidonie. Es wäre nicht verwunderlich, wenn es eines Tages auch zu einem Musical verwendet würde.

Freitag, 20. Oktober 2017

Die Vertriebenen aus der Tschechoslowakei (Teil 1)

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In der kleinen südböhmischen Stadt Sedlčany entdeckten wir bei einem Spaziergang ein Denkmal, das eine Figurengruppe von Vertriebenen darstellte: Mann und Frau mit einem Kleinkind. Der Mann hatte ein Bündel mit Habseligkeiten geschnürt, sie wirkten notleidend. Der Titel der Skulptur war: „Menschen ohne Heimat“

„Oh, schau mal, hier haben sie den Vertriebenen schon ein Denkmal errichtet, hier in der Stadt sind sie ja ganz fortschrittlich und politisch korrekt!“, sagte ich. Beim näheren Hinsehen, konnte man die Jahreszahl 1978 sehen. „Das kann nicht sein, 1978 hätten sie für die Vertriebenen niemals ein Denkmal errichtet, das muss etwas anderes bedeuten“.

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Die Inschrift am Denkmal lautet: Die Statue „Menschen ohne Heimat" erinnert an die gewaltsame Vertreibung der Menschen von Sedlčany während des zweiten Weltkriegs in den Jahren 1943-45

Ach, es gab also auch Vertriebene anderer Art. Unter Vertriebenen in Böhmen habe ich mir immer die Sudetendeutschen vorgestellt. Als ich mich bei Wikipedia auf Deutsch über vertriebene Tschechen informieren wollte, war von nichts anderem als von Sudetendeutschen die Rede. Bestenfalls fand man Beiträge über tschechische Sozialdemokraten und Juden, die „aus eigenem Antrieb“ das Sudetengebiet nach September 1938 verlassen haben (oder gleich in den Kellern der Gestapo landeten).

Später informierten wir uns über das Aussiedlungsprogramm, das für die Bewohner eines großen Gebiets im nördlichen Südböhmen auf einer Fläche von ca. 400 km2 in den Jahren 1942-1944 stattgefunden hatte, und das gleichzeitig als Versuchsprogramm für spätere Aussiedlungsaktionen an slawischen Menschen dienen sollte, die Platz für das bekannte „Volk ohne Raum“ schaffen sollten.

Schon 1939 hatten die Deutschen ein Programm für die „endgültige Lösung der tschechischen Frage“ aufgestellt, das vorsah, dass die tschechische Bevölkerung der deutschen weichen sollte. In der weiteren Umgebung gerade von Sedlčany begann man 1941 mit der Aussiedlung tschechischer Bewohner und intensivierte sie in den Jahren 1942-1944. Geschaffen werden sollten in diesem Areal ein SS-Truppenübungsplatz und ein SS-Musterstädtchen mit Namen „SS-Böhmen“. Bei allem ging man akribisch und mit detaillierten Anweisungen und Erlassen vor. So durften anfangs die ausgesiedelten Menschen noch ihre bewegliche Habe mitnehmen, später nicht mehr. Die neuen Unterkünfte mussten sich die vertriebenen Menschen selbst suchen, was vor allem die Bauern hart traf, da sie meistens nicht das entsprechende Land zum Wirtschaften finden konnten. Es gab Entschädigung für den erzwungenen Umzug, z. B. 1500 Kronen und 2% des Schätzwertes des Besitzes und mit Einbußen auch für den Wert des Besitzes. 180 Gemeinden und ca. 30 000 Menschen wurden asugesiedelt, die verlassenen Dörfer anschließend oft völlig zerstört. Nach dem Krieg kamen etwa 75 % der Bewohner wieder zurück. Von denjenigen, die nicht zurück kommen wollten, weil ihre ehemaligen Häuser komplett dem Erdoben gleichgemacht waren, zog ein Teil in die Gebiete der Tschechoslowakei, aus der die deutschen Bewohner inzwischen auch vertrieben waren.

(Fortsetzung folgt)

Samstag, 7. Oktober 2017

Was ist „ein Körnchen Wahrheit“?

Im Sommer dieses Jahres nahm ich an einer Tagung mit dem Thema „Antisemitismus in den Medien“ teil. Diese Tagung habe ich vom 1. bis 18.Juli.beschrieben. Eine Aussage von einem der Referenten, er ist am Zentrum für Antisemitismusforschung der TU Berlin tätig, kommt mir immer wieder einmal in den Sinn. Und zwar sagte er wörtlich: „Manchmal gibt es in antisemitischen Aussagen auch ein Körnchen Wahrheit“. Darauf hatte ich die Frage gestellt, auf welches „Körnchen Wahrheit“ man sich denn in der Nazizeit berufen hat, um die Juden umzubringen. Die Frage ging im Verlauf der Diskussion unter, vielleicht wurde sie als unpassend empfunden.

Aber ich fragte mich doch, was man in einem „Zentrum für Antisemitismusforschung“ so den ganzen Tag treibt, und ob man die „Körnchen Wahrheit“, die in antisemitischen Aussagen vorhanden sein sollen, analysiert. Eigentlich hatte ich angenommen, dass ein Antisemitismusforscher im Wesentlichen nach den Ursachen sucht, warum Menschen Antisemiten sind, was Antisemiten bewegt und wozu sie fähig sind. Antisemitismus ist doch kein Ding an sich, zu ihm gehört ein Mensch oder Menschen, die eine bestimmte Einstellung zu Juden haben. Juden selbst müssen nicht unbedingt zum Antisemitismus gehören, denn es gibt Antisemiten, die keinen einzigen Juden kennen. Vielleicht hat der Referent aussagen wollen, dass Juden manchmal zum Antisemitismus Veranlassung geben, hat sich dann aber nicht getraut, es direkt auszusprechen. Denn schon in der Fragestellung, ob Juden zum Antisemitismus Veranlassung geben, gehört Antisemitismus, da der Fragesteller nicht auf die Idee kommt, bei Vertretern anderer Völker nach dem Körnchen Wahrheit zu suchen, auf Grund dessen man sich gegen sie stellt.

Sonntag, 1. Oktober 2017

Ein Ausspruch von Alexander Gauland (Teil II)

Einige Zitate von kirchlichen Kriegerdenkmälern

Klosterkirche Neuendorf: 1939 -1945 „Ich gebe ihnen das ewige Leben und sie werden nimmermehr umkommen, und niemand wird sie aus meiner Hand reißen“

Kirche Algenstedt: „Die Todesstunde kam zu früh. Doch Gott, der Herr bestimmte sie“ (Kriegergrabstein)

Kirche Basedow: „Ausgesät, nur ausgesät, wurden alle die, die starben. Wind und Regen vergeht, und es kommt der Tag der Garben“.

Autobahnkirche Duben: 1914 – 1918 + 1939-1945 „Ihren gefallenen Helden in dankbaren Gedenken“ (Wofür der Dank und was waren die Heldentaten?) - Foto darunter

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Auch die Gemeinde Lindstedt widmet „ihren gefallenen Helden 1914-18 und 1939-45“ ein dankbares Gedenken und komplettiert: „Wer den Tod im heilgen Kampfe fand, ruht auch in fremder Erde im Vaterland“.

Kirche Flemendorf, Tribsees, Jävenitz und sicher in vielen anderen Kirchen: „Niemand hat größere Liebe denn die, dass er sein Leben lässt für seine Freunde“

Diesen Spruch nennt man das Liebesgebot, das Jesus seinen Jüngern vor seinem Tod mit auf den Weg gab. Man stelle sich vor: Der Kreuzestod Jesu wird verglichen mit dem Tod von deutschen Soldaten im Krieg. Jesus, von dem es heißt, dass er mit seinem Tod den Menschen Erlösung gebracht hat. Bei deutschen Soldaten denke ich an Massenexekutionen von Einwohnern ganzer Dörfer, an Folter, an Flächenbombardements, an Jagd auf Menschen, um sie später in Gaskammern umzubringen. Das wurde von den „Helden“ ausgeführt oder möglich gemacht. Und mögen sie dabei selbst zugrunde gegangen sein, wird dieser Tod mit dem Kreuzestod Jesu verglichen, denn sie „taten es für ihre Freunde!“, was immer man sich darunter vorzustellen hat.

Alle diese Sprüche und Inschriften sind öffentlich. Niemals hörte ich, dass jemand sich darüber aufregte, und ich selbst fand eher Unverständnis bis hin zu „..immer kuckst du nur auf so was!“. Warum regt man sich über Alexander Gauland auf und unterstellt ihm rechtes Gedankengut? Natürlich unterstelle ich Alexander Gauland die Verwendung – immerhin eine offene - rechten Gedankenguts, aber man solle sich klar darüber sein, dass in jenen „Heldensprüchen“ auf den kriegerischen Votivtafeln ebenso rechtes Gedankengut steckt, und jedermann, der dazu steht, ist mit ihm infiziert.

Freitag, 29. September 2017

Ein Ausspruch von Alexander Gauland (Teil I)

„Wenn die Franzosen zu Recht stolz auf ihren Kaiser sind, und die Briten auf Nelson und Churchill, haben wir das Recht, stolz zu sein auf die Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen“. (Zitat A. Gauland)

„… war eine der schaurigen Attraktionen des Wahlkampfs. Der Satz markierte den vorläufigen Höhepunkt der Radikalisierung der AfD. Er veranschaulichte aber auch die Fähigkeit der Partei, die Grenze des Sagbaren zu verschieben und gleichzeitig diese Grenze verschwinden zu lassen, als ob es sie nie gegeben hätte.“
(BILD-Blog vom 29.9.2017 – Johannes Kram)
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Dieser Satz, den Alexander Gauland auf dem Kyffhäuser-Treffen der AfD in Thüringen aussprach, enthält eine schlimme Aussage. Ob die deutschen Soldaten tapfer waren, als sie ihre ungeheuerlichen Kriegsverbrechen verübten, wie Gauland anhand einer Rede von Francoise Mitterand am 8. Mai 1995 suggeriert, (dieser hatte gesagt, dass die deutschen Soldaten „tapfer für eine schlechte Sache waren“) sei dahingestellt. Wahrscheinlich handelten sie eher unter Druck und Zwang, was blieb ihnen anderes übrig, wollten sie nicht als Deserteure erhängt werden.

Dass mit Gaulands Aussage aber die Grenzen des Sagbaren nicht verschoben wurden, sondern dass sie eine fast allgemeingültige Feststellung im allgemeinen Bewusstsein abbildet, kann man auf diversen Inschriften auf den fast allgegenwärtigen Kriegerdenkmälern feststellen. Man muss sich nur die Mühe machen, etwas genauer hinzuschauen. Nicht selten stehen diese Denkmäler in oder vor Kirchen.

freund
Text oben links "Niemand hat größere Liebe denn die, dass er sein Leben lässt für seine Freunde"

(Fortsetzung folgt)

Freitag, 22. September 2017

Rede des Präsidenten der Tschechischen Republikauf auf der "4th Annual Algemeiner Jewish 100 Gala"

Der tschechische Präsident Miloš Zeman ist mit der Auszeichnung Warrior for Truth (Kämpfer für die Wahrheit) geehrt worden. Diese Auszeichnung wurde ihm von der US-amerikanisch-jüdischen Stiftung Gershon Jacobson Jewish Continuity Foundation (GJCF) verliehen, die sich weltweit für die Interessen von Juden einsetzt. Den Preis nahm Zeman auf einem Galaabend am 18. September .2017 in New York entgegen, den die Zeitung „The Allgemeiner Journal“ veranstaltet. Anlässlich der Verleihung hielt Präsident Zeman folgende Rede:


Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren, Shalom,

ich bedanke mich für die liebe Einladung, die ich sehr gern angenommen habe.
Vor zwei Jahren paraphrasierte ich auf dem Kongress von AIPAC den berühmten Spruch J. F. Kennedys „Ich bin ein Berliner“. Damals sagte ich: „Ich bin ein Jude. A mi Jehudi.“ Das reicht aber nicht, weil wir in der heutigen Welt Risiken entgegenstehen, vor denen bloße Wortform der Solidarität nicht Bestand haben kann.

Welche sind die Risiken der gegenwärtigen Welt für die jüdische Kommunität und für den israelischen Staat? Vor allem ist es der islamische Terrorismus. Das ist ein Thema, von dem ich morgen auf der Vollversammlung der UNO sprechen werde. Und weil ich in keiner Weise korrekt bin, werde ich nicht vom internationalen Terrorismus sprechen, sondern vom islamischen Terrorismus. Aber das Thema, welches für unsere Diskussion wichtig ist, also für eine Diskussion unter Freunden, ist etwas anders geartet. Lasst uns sprechen vom Mangel an Mut. Lasst uns sprechen von Feigheit, Zögerlichkeit, Heuchelei, von der bedingten Solidarität. Ich nenne sie Solidarität-ABER. Jetzt gebe ich Ihnen nur ein paar Beispiele. Wir unterstützen natürlich den Staat Israel, ABER nicht den jüdischen Staat Israel. Ja, wir unterstützen die Tatsache, dass jeder Staat seine Hauptstadt haben soll, ABER wir sind gegen Jerusalem als Hauptstadt. Ja, wir respektieren voll das Recht Israels auf sichere Grenzen, ABER die Golanhöhen dürfen niemals Bestandteil israelischen Gebiets sein, und so weiter. Jeder Totschläger aus Palästina ist ein Freiheitskämpfer, und wenn aus dem Gazastreifen Raketen auf Israel abgefeuert werden, ist es natürlich schlecht, ABER ihr dürft nicht mit Bombardierung von Gaza antworten. Verstehen Sie mich? Das ist Solidarität-Aber - aber, aber. Doch diese ABER machen jede wahre Solidarität zunichte. Wir brauchen Solidarität ohne ABER, mit anderen Worten gesagt, für das jüdische Volk und den Staat Israel brauchen wir die unbedingte Solidarität.

Was brauchen wir in der gegenwärtigen Lage? Wir brauchen eine Kerze in der Finsternis. Wir brauchen eine konkrete Aktion und nicht nur Worte, Worte, Worte. Zu dieser Kerze könnte die Verlagerung der Botschaften demokratischer Staaten von Tel Aviv nach Jerusalem werden. Der tschechischen Botschaft schlug ich diese Verlagerung während meines Besuches in Israel vor vier Jahren vor. Damals sagte mir der Regierungsvorsitzende Netanjahu: „Wenn es so geschehen sollte, dann gebe ich Euch mein eigenes Haus.“ Ich hoffe, dass sein Versprechen immer noch gilt. Nicht anders denke ich über das gleiche Versprechen, das Donald Trump während seiner Wahlkampagne tat, nämlich dass es ein gutes Zeichen ist, und dass es gefolgt wird von anderen mutigen Ländern, nicht von allen, nur von den mutigen. Dieses ist also eine klare Lösung, eine klare Geste, ein klarer Schritt zur wahren Solidarität, nicht nur zu einer Solidarität, die bloß aus Worten besteht. Deshalb möchte ich, teure Freunde, mit dem letzten Satz des alten jüdischen Gebets schließen: „Nächstes Jahr in Jerusalem!"

Miloš Zeman, Präsident der Tschechischen Republik, New York, 18. September 2017

(Übersetzung aus dem Tschechischen: Petr Cejp)

Montag, 18. September 2017

Geschichten aus der DDR

hören sich heutzutage manchmal unglaublich an. Sowohl wenn man sie erzählt, als auch wenn man sie sich anhört, muss man sich dann vergegenwärtigen, dass das „normale Leben“ anders war als heutzutage, und dass man vieles als „normal“ empfand, was heute fast undenkbar oder ungeheuerlich erscheint. Manchmal erzähle ich meiner jüngeren Kollegin, die im Westen aufgewachsen war und kaum Beziehungen zur DDR hatte, dieses oder jenes aus jenen alten Zeiten. Nicht um ihr die DDR nahe zu bringen, sondern weil es sich beim Erzählen so ergibt. Zum Beispiel über den Frauentag 1988, der einen besonderen Stellenwert hatte, weil die DDR-Führung, deren Stern bereits im Sinken begriffen war, damals noch einmal Anlauf nahm, mit der Absicht, das ins Rutschen geratene Gefüge zum letzten Mal stabilisieren zu versuchen. Aus heutiger Sicht ein unmögliches Unterfangen. Doch die Einsicht, dass einmal alles ganz anders sein kann als das, was „schon immer so war“, ist immer schwer vorstellbar. Man gab die Devise aus: Alle Frauen der DDR, die irgendwie politisch erreichbar sind, müssen in organisierten Frauendemonstrationen ihre Verbundenheit mit der DDR bekunden.

In dem Zusammenhang erzählte ich, wie es einer jungen Frau im Bekanntenkreis geschah. Den fokussierten Frauentag wollte sie ausnutzen, um ihre Ausreise aus der DDR in den Westen, wo ihr Mann bereits nach einer Besuchsreise geblieben war, zu erzwingen. Botschaftsbesetzungen und andere spektakuläre Ausreisezwangsmaßnahmen waren damals schon auf der Tagesordnung. Sie entrollte während der „Frauendemo“ ein Plakat, auf dem sie ihre „Ausreise in die BRD“ forderte. Danach war sie erschüttert, dass nicht die Stasi sie festnahm, sondern dass die sie umgebenden Frauen selbst für ihre Verhaftung sorgten.

„Und was geschah mit ihr dann weiter?“, fragte meine Kollegin. „Na ja, sie hatte Pech und musste tatsächlich die ganzen 1 ½ Jahre absitzen und kam genau vor dem Fall der Mauer wieder frei. Der Mann war ihr inzwischen weggelaufen.“

Imme noch spüre ich das Entsetzen meiner Kollegin. Sie hatte sicher aufregendere Geschichten aus der DDR gehört oder gelesen. Doch die Vorstellung dieses konkreten Falls hatte eine unmittelbarere Wirkung. Das hatte ich mit meinem Erzählen gar nicht bezweckt. Für mich war es eine „normale“ Geschichte aus dem „normalen Leben“, wie es einmal gewesen ist.

Mittwoch, 6. September 2017

Reuven Moskovitz im Schillergymnasium Münster

Aus einem Nachruf der evangelischen Zeitung „die kirche“ war jetzt noch Näheres über das Wirken Reuven Moskovitz´ in Deutschland zu erfahren. Seine Berufsbezeichnung war Friedensabenteurer, und in dieser Eigenschaft zog er sowohl durch evangelische Kirchentage als auch durch Friedenkreise, aber auch in Schulen. Da ich ihn persönlich kennen gelernt habe, hatte ich mich mit seiner Mission näher beschäftigt.

Und seine Friedensmission war: Hass auf seinen Staat Israel zu predigen, was ihm Preise, Ehrungen und eine Unzahl von Bewunderern in Deutschland einbrachte. Gern verglich er „das, was in Israel geschieht, mit dem Holocaust“. So bei einem Besuch im Schillergymnasium Münster am 08.11. 2000. Von diesem Besuch berichteten Schüler auf ihrer Internetseite. Die Schüler, nicht ganz so vom blinden Eifer vernebelt wie Mitglieder kirchlicher Friedenskreise waren befremdet: „Er scheut sich nicht, die Vertreibung der Palästinenser mit dem Holocaust zu vergleichen und bezeichnet die Reaktion der Palästinenser dementsprechend als natürlich“. (Zitat von der Internetseite).

Bezeichnenderweise ist dieser Bericht des Schillergymnasiums aus dem Internet verschwunden nachdem Reuven den Aachener Friedenspreis erhalten hat. (Ein Ausdruck liegt mir vor).

"Natürliche Reaktionen von Palästinensern": hier und hier.

Seinen Vortrag in Aachen, noch vor der Verleihung des Friedenspreises, erlebte ich als Sammelsurium von Anekdoten, jiddischen Witzen und jüdischen Weisheiten, gemischt mit unzusammenhängenden geschichtlichen Einschüben, von allem ein wenig. Für jemanden, der sich damals noch als „Doktor“ bezeichnete, reichlich konfus. Wenn es auf den Staat Israel zu sprechen kam, war echter Hass zu spüren. So zitiere ich einen Satz aus dem Bericht, den ich damals - um das Jahr 2000 herum - schrieb und vom 17.07.-10.2013 veröffentlichte:

Wenn Reuven sich nicht ganz in der Kontrolle hatte, kamen teilweise absurde Dinge zutage wie: „Uns (den Israeli) hätte das gleiche passieren können wie den Deutschen, das heißt der Holocaust ist etwas, was den Deutschen „passiert“ sei und könne den Israeli mit den Arabern genauso „passieren“.

Reuven Moskovitz wurde schon einmal als der „Felix Krull“ der israelischen Friedensbewegung bezeichnet, eine schöne Metapher. Bei uns hieß er „Ein Schlawiner vom Balkan, der herausbekommen hat, dass man von deutschen Freunden viel Geld und Bewunderung mit "Kritik" an Israel abbekommen kann, die - so sie außer Kontrolle gerät – auch in eine Hasspredigt werden kann.

Für mich stellt sich nur die eine Frage: Warum wurde in einem offiziellen Bericht über Reuvens legendäre Auftritte mit der Mundharmonika zwar immer von seiner Friedensbewegtheit, nie aber von seinen Hasstiraden berichtet?

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