Samstag, 8. April 2017

Wahlergebnisse: 96,34 % – circa 99,85 % - 100 % (Teil III)

Ein Wahlergebnis von 100 % der abgegebenen Stimmen erzielten Kim Jong-un bei der letzten Parlamentswahl 2014 in Nordkorea und Martin Schulz bei der Wahl zum Parteivorsitzenden beim letzten SPD Parteitag am 19.03.2017. Ebenso frenetisch und lang anhaltend, wie man es manchmal in nordkoreanischen Parteitagsfilmen sehen kann, war auch der Applaus seiner Genossen für Martin Schulz nach seiner Wahl.

Aus Erfahrung weiß man, dass ein Wahlergebnis von 100 % Fragen aufkommen lässt. Theoretisch kann es bedeuten, dass nur ein Wähler vorhanden war, doch das wird eine große Ausnahme sein. In der Regel deutet so ein Ergebnis auf Totalitarismus hin oder aber darauf, dass einer der zur Wahl Stehenden über so ein übermäßiges Charisma verfügt, dass alle anderen eindeutig gegen ihn abfallen. Steht nur ein Mensch zur Wahl, so kann die Wahl nur dann als Wahl gelten, wenn die Wähler die Möglichkeit der Unterscheidung zwischen Ja und Nein haben. Letzteres trifft auf Martin Schulz zu, und Charisma würden ihm sicher alle seine 605 Wähler bestätigen, wenn man sie befragte. Es kann auch sein, dass sie einer Massenhypnose erlegen waren, denn der eine oder andere hätte sich fragen können, ob es nicht doch dieses oder jenes bei ihm anzweifeln gäbe.

So hat Martin Schulz, ohne später die geringsten Zweifel daran zu äußern, mehrmals antisemitische Klischees in seinem politischen Wirken verbreitet. In der israelischen Knesset ermahnte er seine Gastgeber mit einer Falschangabe von einem Minimalbetrag von 17 l Wasser, die Israeli Palästinensern täglich zur Verfügung stellten, gleichzeitig einräumend, dass er die Zahl in Wirklichkeit nicht kenne. Das ist die typische Legende von den Juden, die anderen die Lebensgrundlagen vorenthalten. Ein Jahr später bestätigte er diese Haltung, nachdem Mahmoud Abbas vor dem Europäischen Parlament gesprochen hatte. Diese Rede enthielt die Originallegende vom Juden als Brunnenvergifter. Abbas behauptete nämlich, dass Rabbiner vom israelischen Premierminister forderten, palästinensische Brunnen zu vergiften. Das Europaparlament samt seinem Vorsteher Martin Schulz war von der Rede so hingerissen, dass Ovationen kein Ende nahmen und Martin Schulz sich laute eigener Bekundung „inspiriert“ fühlte.

Ob man die Haltung von Martin Schulz als antisemitisch bezeichnen könnte, ist hier ohne Belang. Ausschlaggebend bleibt, dass er antisemitische Klischees transferiert, zugegebenermaßen nicht im Verborgenen. Den Genossen des SPD-Parteitags möchte ich keinesfalls unterstellen, dass sie in größerer Zahl als die durchschnittlichen 20 % (je nach Interpretationsweise) der Bevölkerung antisemitisch sind. Von den 605 Wählern war aber nicht ein einziger dabei, der diese öffentlichen Äußerungen von Martin Schulz hinsichtlich seines Wahlverhaltens kritisch abgewertet hätte. Und das verwundert im hohen Maße!

Dienstag, 4. April 2017

Einschub zu „Wahlergebnisse“ (Teil II)

Diese persönliche Anekdote, die Wahlen in der DDR betrifft, ist so schön, dass ich sie festhalten möchte: Die vorletzte Wahl zur Volkskammer der DDR fand am 8. Juni 1986 statt. Das Wahlergebnis betrug übrigens 99,94 Ja-Stimmen. Dieses Mal hatten sich kreative Köpfe ein Plakat ausgedacht, das als Logo der Wahl ein Kalenderblatt mit dem betreffenden Wahldatum trug, und das wie immer allgegenwärtig war, so auch im Bäckerladen, in dem mein hyperaktiver und Zahlen besessener Sohn herum sprang, während die Oma geduldig in der Schlange wartete. Plötzlich erstarrte er: „Oma, warum hängt hier ein Plakat mit dem Geburtstag von A. (seiner Schwester)?“ „ Das hängt da, weil an dem Tag Wahl ist“. „Was ist Wahl?“, fragte der Junge. Die Großmutter überlegte kurz und antwortete: „Na, dann wählen wir, ob Erich Honecker weiter regieren soll“. „Oma, dann wählen wir aber, dass Erich Honecker nicht weiter regieren soll!“

Damit ist die Anekdote zu Ende. Nichts weiter… Kein Lächeln, kein Zwinkern, kein erboster Tadel, keine Denunziation. Die etwa 15 Leute im Laden standen stumm und regungslos weiter in der Schlange als hätten sie nichts wahrgenommen. Darum möchte ich mit gut 30 Jahren Verspätung diese Aufforderung des 6-Jährigen noch einmal würdigen.

Freitag, 31. März 2017

Wahlergebnisse: 96,34 % – circa 99,85 % - 100 % (Teil II)

Circa 99,85 % Zustimmung zu den „Kandidaten der Nationalen“ Front“ war das durchschnittliche Wahlergebnis zu Zeiten der DDR. Wenn man von der letzten Volkskammerwahl absieht, bei der es keine Sammelliste der Kandidaten der Nationalen Front mehr gab. 100 % wäre besser gewesen, aber so dumm, wenn auch dumm, waren die Genossen nicht. Sie wussten, dass es immer und überall einige Renitente oder Asoziale gab, die irgendwie ihre Ablehnung bekundeten, also in die stets vorhandene Wahlkabine gingen und mit Nein stimmten, bzw. den Wahlzettel ungültig machten. Davon waren einige unverbesserlich und hätten bei ausgewiesenen 100% mit denkbaren Krawallaktionen die Lüge angeprangert.

Außerdem war das Wahlergebnis vollkommen unerheblich. Auf die Prozentzahl der Wahlbeteiligung wurde viel größerer Wert gelegt. Selbstverständlich wurde auch hierbei von den örtlichen Wahlkommissionen geschummelt. Aber es wurden selten 100 % angegeben, damit man jedem, der sich beschwerte sagen konnte, er wäre das eine fehlende Prozent.

Allerdings gab es unzählige Feinheiten, die von der Bevölkerung viel eifriger diskutiert wurden, als das Wahlergebnis selbst: Wer geht wann, d. h. zu welcher Tageszeit zur Wahl, wer geht ganz besonders früh oder ärgert die Wahlkommission damit, dass er kurz vor 18 Uhr ins Wahllokal kommt. Viele Geistliche und Kirchgänger betonten ihre Opposition damit, dass sie erst nach dem Kirchgang zum Wahllokal eilten.

Die letzte Kommunalwahl fand im Sommer 1989 statt. Das Volk der DDR, das kurze Zeit später allen Mut zusammen nahm und eine friedliche Revolution vollbrachte, war im Mai noch nicht so weit und wählte brav, wenn auch die Zahlen offensichtlich geschönt waren. Mein rosa Wahlkärtchen besitze ich noch und es besagt, dass ich nicht an der Wahl teilgenommen habe, denn die Karte musste man bei der Wahl abgeben. Vielleicht hat die Kommission sich auch verzählt, denn auf den öffentlichen Aushängen war unser Wahlbezirk mit 100 % Wahlbeteiligung ausgewiesen. Bei der darauf folgenden Wahl, der legendären letzten Volkskammerwahl der DDR, war - oh Wunder -, derselbe Mensch wie zuvor Wahlleiter. Man hatte es so schnell in diesen wirren und wendigen Zeiten nicht geschafft, andere Leute zu schulen und aufzustellen. Damals nutzte ich doch die Gelegenheit und erzählte ihm, dass ich trotz der 100 % Wahlbeteiligung beim letzten Mal mein rosa Wahlkärtchen noch habe. Es war ihm peinlich und er entschuldigte sich - so weit waren wir schon!

Sonntag, 26. März 2017

Wahlergebnisse: 96,34 % – cirka 99,85 % - 100 %

Das Ergebnis von 96,34 Ja-Stimmern in DDR-Wahlen war außergewöhnlich niedrig. 1968 durfte das DDR-Wahlvolk darüber abstimmen, ob die Volkskammer eine neue Verfassung beschließen soll, die die Rechte der Bürger noch weiter beschneiden wird. Es herrschte Unmut in der Bevölkerung. Menschen sprachen sich öffentlich ablehnend aus. Angeblich fanden sogar konspirative Aktionen dagegen statt. Diesem und jenem war klar, dass für ihn der Schaden einer Zustimmung größer ist als der Schaden, den er sich mit einer Nichtteilnahme zufügt oder vielleicht mit dem Durchstreichen des Wahlzettels in der Wahlkabine (die es tatsächlich gab, aber deren Gebrauch registriert wurde, was entsprechende Auswertungen und Verdächtigungen nach sich zog). So kam es zu der ungewöhnlich niedrigen Zustimmung zur Verfassungsänderung von nur 96,34 %.

Wegen des spürbaren Unmuts der Bevölkerung vor dieser „Wahl“ wurde ein ungeheurer Propagandaaufwand betrieben, der den Menschen die Vorzüge der neuen Verfassung schmackhaft machen und sie vom Nein-Wählen abhalten sollte. (in welcher Form das „Nein“ formell vollzogen werden konnte, das weiß ich nicht, denn ich war noch nicht im Wahlalter). Die Lehrer in den Schulen, und zwar alle Lehrer, nicht nur die Staatsbürgerkundler, waren instruiert, ihre Schüler, die wiederum auf ihre Eltern einwirken sollten, von den Vorzügen der neuen Verfassung zu überzeugen. Das überall verbreitete Logo, ein Kreis mit gekreuzten Strichen, als ein Ja, war auf Plakaten allgegenwärtig.

Damals war ich Schülerin. So trat eines Tages unser Mathelehrer in die Klasse, malte einen Kreis mit gekreuzten Strichen darin auf die Tafel und fragte: „Was ist das“? Spontan rief ich in die Klasse: „Eine Glühlampe“. Denn es ist tatsächlich das allgemeine Symbol für die Glühlampe. Und ich schwöre, dass ich an nichts anderes gedacht hatte, weil ich mir nicht hatte vorstellen können, dass in der Mathematikstunde Propaganda stattfinden könnte, was zwar in vielen Fächern üblich war, aber nicht in den naturwissenschaftlichen. Da ich in der Schule als „renitent“ eingestuft war, konnte sich der Lehrer wieder nichts anderes vorstellen, als dass ich provozieren wollte. Ein typisches Beispiel von Konfusion. Es gab ein ungeheures Donnerwetter von dem sonst eigentlich netten Mathelehrer, auch er wurde wohl innerlich konfus über die renitente Schülerin, der er aber zumindest unbewusst Recht geben musste.

(eine Betrachtung in drei Teilen)

Mittwoch, 15. März 2017

Tuvia Tenenboom „Allein unter Flüchtlingen“

Das neue „Tuvia“-Buch erhielt ich schon am Tag des Erscheinens. Diesmal war ich aufgrund meiner früheren Leseerfahrungen mit diesem Autor nicht skeptisch, dass ein neues „Allein“-Buch eine Wiederholung von Altem sein könnte. Im Gegenteil, denn es spielt in einem Milieu, in dem ich mich auskenne. Der erste Blick war trotzdem eine Enttäuschung: Es ist zu dünn. Allerdings war es auch die einzige Enttäuschung.

Tuvia bereist den Osten und den Westen Deutschlands und er nutzt seine altbewährte Art, direkt auf die Menschen zuzugehen, sich auf sie einzulassen, sie zu beobachten, mit ihnen ins Gespräch zu kommen, und auf eine geniale Weise die „richtigen“ Fragen zu stellen, auf die er dann auch prompt die „richtigen“ Antworten erhält. Da er Deutschland erst spät in seinem Leben kennengelernt hat und über die deutsche Sprache (wohl) nur vermittels seiner (ihn unsichtbar begleitenden) Frau verfügt, ist der Leser immer wieder verblüfft, wie er mit seinen Beobachtungen ins Schwarze trifft. Diesmal hat Tuvia einen unschätzbaren Vorteil, denn er beherrscht Arabisch und kommt dadurch schnell mit Flüchtlingen (die damals noch nicht Geflüchtete hießen) ins Gespräch. Sie erzählen ihm über ihre Lebensumstände, legen ihre berechtigten oder unberechtigten Klagen vor, er lernt Flüchtlingsheime und -unterkünfte von innen kennen. Daneben trifft er die Einwohner, sowohl Menschen auf der Straße, als auch Politiker oder „Prominente“. Berührungsängste kennt er nicht, die AfD und ihre Vertreter interessieren ihn sehr und im Gegensatz zu den deutschen Medien, in denen AfD-Vertreter als eine Art von Untermenschen ignoriert oder diffamiert werden, erlebt er sie als Individuen, mit denen er sich auseinandersetzt und über die er sich Gedanken macht..

Der Unterschied zwischen Ost und West fällt ihm auf. Im Osten reden die einfachen Menschen direkter und unverblümter, im Westen herrscht eher eine an Correctness geschulte Sprechweise vor. Wie von Zauberhand gelenkt, taucht sowohl bei Flüchtlingen als auch bei Deutschen immer wieder eine Fixierung auf Israel oder die Juden auf.

Die einzelnen Episoden will ich nicht schildern, man soll sie selbst in Tuvias unnachahmlicher pointierter Sprachweise lesen. Nur so viel sei angemerkt, dass er die Zustände in vielen Flüchtlingsunterkünften als desolat erlebt hat. Mit der Mentalität von Flüchtlingen kenne ich mich zu wenig aus, um mir ein Urteil bilden zu können, wohl aber mit der Mentalität von Flüchtlingshelfern. Und die ist derart authentisch geschildert, dass man jedes Erlebnis und sei es noch so absurd, nachvollziehen kann. Interessanterweise wird ihm oft auf seine Frage, warum ausgerechnet Deutschland diese Unmengen von Flüchtlingen aufgenommen hat geantwortet, das wäre darum, weil „Deutschland seinen schlechten Ruf auf der Welt gut machen und man nicht als ein ‚Naziland‘ dastehen will“. Tuvia akzeptiert diese Meinung seiner Gesprächspartner. Mich wundert diese Einstellung ein wenig, denn seit Jahrzehnten ist in den Medien immer wieder zu lesen und zu hören, wie hoch Deutschland auf der Skala der beliebtesten Länder auf der Welt stünde - einer der vordersten, wenn nicht der erste Platz ist ihm immer gewiss. Möglicherweise ist Deutschland „wegen seiner Vergangenheit“ (dieser allgemein geliebte Ausdruck, der alles und nichts aussagt) wie von einem Waschzwang besessen. Der erste Platz reicht nicht, man muss rein waschen und rein waschen! Ich könnte mir auch eine andere Erklärung für die große Zahl der „Aufnahme von Schutzsuchenden“ vorstellen, so etwa wie die Negation der Negation, die wir im politischen Unterricht gelernt haben: Viele Judenhasser ins Land lassen, um damit die Ermordung der Juden vergessen zu machen.

Dass Tuvia für sein Buch böse Verrisse bekommen wird, ist gewiss, es wird aber sicher auch von vielen Menschen, so auch von mir, mit Freude gelesen.

Donnerstag, 9. März 2017

Basedow II oder Meditation über ein Kriegerdenkmal

Wer die Kirche von Basedow von innen erblickt, kommt aus dem Staunen nicht heraus. In der Kirche eines kleinen mecklenburgischen Dorfes bietet sich dem Betrachter ein herrlicher Anblick: Die Epitaphen der ehemaligen Schlossherren und der Altar üppig geschnitzt und verziert, die Orgel, die sich über die gesamte Empore erstreckt, ebenfalls. In der Kirche gibt es eine Menge barocke Schönheit. Die Orgel ist ein Kleinod, die älteste Barockorgel Mecklenburgs, zu der Orgelfreunde aus aller Welt pilgern. Mit etwas Aufmerksamkeit entdeckt man zwei Kriegertafeln, wie sie in Kirchen üblich sind. Zur Zeit der DDR hatte man Kriegertafeln für Gefallene des zweiten Weltkriegs nicht in Kirchen anbringen dürfen (einige Pfarrer sollen es geschafft haben, den Staat zu überlisten und schon damals Tafeln angebracht haben). Dieses Manko wurde nach der Wende schnell behoben, wenngleich nicht mit so viel Öffentlichkeit wie neu angebrachte Glocken oder restaurierte Orgeln. Auf einmal waren sie da. So auch in Basedow.

Das Kreuz, das die Namen der gefallenen Soldaten umschlingt, befremdet. Soll das Kreuz, das für das Leiden Jesu steht, den Tod deutscher Soldaten symbolisieren, mögen sie mit oder gegen ihren Willen in den Krieg gezogen sein? Immerhin war es ein barbarischer Angriffskrieg. Oder soll damit angedeutet werden, dass Jesus auch für diese Menschen in den Tod gegangen ist?

Der Vers, der etwas versteckt, die Kriegertafel des 2. Weltkriegs ziert, lautet: „Ausgesät, nur ausgesät wurden alle die, die starben. Wind und Regenzeit vergeht, und es kommt der Tag der Garben“.

Der Spruch ist schon einer Meditation Wert. Ein unbefangener Leser denkt natürlich: Das Opfer der Leben dieser Soldaten diente etwas Größerem und so wird eines Tages die Saat aufgehen, die dieser opferreiche Krieg gesät hat. In welcher Form sollte man es sich vorstellen? Etwa als eine Art „4. Reich“? Soll hier verkündigt werden, dass die Eroberungs- und Vernichtungsvorhaben des zweiten Weltkriegs so wie Getreidegarben nach einer gehörigen „Wind- und Regenzeit“ als eine Art „Ernte“ eingebracht werden? Gedanken dieser Art möchte ich den Erschaffern der Tafel nicht unterstellen. Der Spruch könnte ein theologisches Synonym für den „reichen Mann“ im Neuen Testament sein, der von der Hölle aus seine früheren Mitmenschen warnen möchte, auf dass sie es ihnen nicht gleich tun. Die getöteten Soldaten als Warner gegen den Krieg. Symbolisieren die Garben den Frieden?

Wahrscheinlich wird die Erklärung eine viel einfachere sein: Nach ein wenig Recherchieren erwies es sich, dass diesen Spruch Mathias Claudius verfasste. Derselbe Dichter, der das Lied „Der Mond ist aufgegangen“ gedichtet hat. Ein guter Mann, also auch ein guter Spruch!

Freitag, 3. März 2017

Basedow oder Meditation über ein Grabmal

Das Grabmal steht öffentlich zugänglich auf dem Friedhof der interessanten Kirche von Basedow, die herrliche Schätze, aber auch dunkles Gedankengut in ihrem Innern birgt. Direkt vor dem Eingang ist das Grab eines Landesbischofs, wie darauf zu lesen ist. Zum Andenken seines 1944 in Frankreich vermissten Sohnes ist ein kleiner Grabstein gesetzt, der die Inschrift trägt: „Aus Feindes Hand in Gottes Hand“.

Zuerst stellt sich die Frage, was den Sohn des Bischofs nach St. Denis getrieben hat? Und was hat er dort getan? Irgendwie fiel er dort in die Hände seiner Feinde. Darüber, unter welchen Umständen er ins Land seiner Feinde geraten ist, sagt der Grabstein nichts.

Nun besagt der Begriff „Feinde“ nichts darüber aus, wie der Bischof - dessen Profession es ist, zu verkünden, dass man seine Feinde lieben soll - zu seinen Feinden steht. Vielleicht hat er sie geliebt, vielleicht bereiste er das Land seiner Feinde um dort Versöhnungsarbeit zu betreiben. Zumindest Möglichkeiten gibt es viele.

Ein kleiner Grabstein bietet eben zu wenig Platz für eine längere Meditation, und so bleiben im Gedächtnis des Betrachters lediglich die Schlagworte „Feinde“, „Vermisst in St. Denis“ und "Gottes Hand" zurück.

feind

Samstag, 25. Februar 2017

Fake News

Es ist mehr als 30 Jahre her. Während der Arbeit hörte ich damals oft Radio. Eines Tages wurde eine Sensationsnachricht bekannt gegeben: Die Zeitschrift „stern“ wäre in den Besitz von Hitlers Tagebüchern gekommen, und Passagen aus den Tagebüchern würden nach und nach im „stern“ veröffentlicht. Da sagte ich: „Na, wenn das mal nicht wieder irgendwelche Fälschungen sind“. Wie die Geschichte ausging, ist bekannt.

Nicht alles, was in Medien, seien sie „konventionell“, „sozial“ oder „öffentlich-rechtlich“ veröffentlicht wird, kann man mit ein wenig gesundem Menschenverstand sofort verifizieren. Im Augenblick macht sich die Medienwelt Gedanken über die „fake news“, die angeblich die Köpfe und Gemüter der Menschheit zerstören und die Welt von den Füßen auf den Kopf stellen. Mit Interesse hörte ich mir eine einstündige Diskussion im Sender „Phönix“ zum Thema fake news an, die unter der Moderation von Marietta Slomka ausgestrahlt wurde. Zwei namhafte Journalisten wirkten mit, ein junger Professor und der Intendant des ZDF. Dass bei diesem Thema auch Vernunft vorhanden sein kann, bewies der Vorstandsvorsitzende des Springer-Verlages, Mathias Döpfner. Er hatte die These, dass die Leute Medienkompetenz erwerben sollen, damit sie die modernen Medien, die sowieso nicht rückgängig gemacht werden können, beherrschen lernen, und dass für Medienschaffende die Möglichkeiten aber auch die Gefahren des Internets Herausforderungen seien, die dazu führen, dass der Beruf noch interessanter und verantwortungsbewusster ausgeübt werden kann.

Hier erinnerte ich mich, wie ich vor einiger Zeit im Internet las, dass die Leitung der Antonio Amadeo Stiftung auf dubiose Weise ausgewechselt werde. Da wunderte ich mich, wurde unsicher, und deshalb googelte ich ein wenig, bis mir klar wurde, dass dieser Beitrag eine Satire war. Das war keine zu aufwändige Arbeit. Außer bei Mathias Döpfner herrschte große Sorge vor Falschinformationen dieser Art im Internet. Man war sich allerdings einig, dass es diese schon immer, auch in konventionellen Medien gegeben hat (das beweisen die gefälschten Hitlertagebücher). Heute würden die Falschinformationen nur viel schneller kreisen und eine ungleich breitere Masse von Menschen erreichen.

Nun ist im Internet vieles möglich, aber dass jeder alles was geschrieben wird, jederzeit liest, ist nicht möglich. Dass Milliarden von Einträgen die Relevanz haben, die die Professoren und Doktoren aus dieser Diskussionsrunde ihnen zutrauen, ist zu bezweifeln. Es beherrschte die Angst dieses Gespräch, dass etwas Grundfalsches ins Netz gestellt wird, und wie von Zauberhand gelenkt, der Weltuntergang nahe sei. Die dafür angegebenen Beispiele waren ebenso dürftig wie absurd: Hillary Clinton war im Internet unterstellt worden, sie betreibe aus einer Pizzeria heraus einen Kinderschänderring, und einmal geisterte das Gerücht, Julian Assange sei ermordet worden für einige Momente durchs Netz. Mehr fiel den Diskutanten nicht ein, sie hatten kein überzeugendes Beispiel für Schäden, die fake news hervorgebracht haben.

Mathias Döpfner deutete es an, aber die anderen Teilnehmer kamen nicht auf die Idee: dass ein Journalist in der Lage sein sollte, zu recherchieren und nicht auf jede Dummheit hinein zu fallen aus Sorge, er könnte wegen der Recherche seine Neuigkeit erst einige Minuten später verkünden. Der Professor hatte erkundet, dass 95 % der Deutschen ihre Meinung gar nicht vom Internet abhängig machen. Da kann man doch sagen: ´Was soll die Diskussion?´ Er sorgte sich aber um die restlichen 5% der Deutschen, denn das wäre eine beträchtliche Menge. Große Sorge bereiteten Populisten, die ihren Freunden, die wahrscheinlich zu den „5%“ gehören, über Internet den Rat gäben, die falsche Partei zu wählen. Vielleicht auch die falsche Zeitung zu lesen und den falschen Fernsehsender zu schauen, denn die Sorge um das eigene Medium, dessen Einfluss zu schwinden droht, schien der eigentliche Beweggrund der Diskussion zu sein.

Eine eindeutige Fake News hat uns im vergangenen Jahr die ARD gebracht, dass war ein Beitrag über „Wassermangel im Westjordanland“, die sich eindeutig als Fake herausgestellt hat und wofür sich die ARD nie entschuldigt hat.

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